piwik no script img

Kommentar Reservisten in FrankreichWaffen nur für Profis

Harriet Wolff
Kommentar von Harriet Wolff

Nach dem Attentat in Nizza rekrutiert Frankreich Reservisten. Dabei wäre es wichtiger, zivilgesellschaftlich Haltung und Stärke zu zeigen.

Waffen im Dienst gehören ausschließlich in die Hände von fundiert ausgebildeten Sicherheitskräften Foto: dpa

R und 7.000 junge Menschen zwischen 17 und 30 Jahren sollen es mittlerweile in Frankreich sein, die dem Aufruf ihres Innenministers Bernard Cazeneuve gefolgt sind. Sie haben sich als Freiwillige nach dem Attentat von Nizza zur chronisch überlasteten Gendarmerie, zur Police Nationale und zum Heer gemeldet. Auf Facebook wirbt das Heer, zu dem auch die Gendarmerie zählt, um jeden, der nicht vorbestraft, gesund und in der Lage ist, einen Psychotest durchzustehen.

Es ist einfach, Reservist oder Reservistin zu werden, über 40.000 sind es bereits in Frankreich – nach einem mindestens zweiwöchigen Training gibt es Uniform und Waffe und das gute Gefühl, laut Regierung ein „patriotischer Franzose“ zu sein.

Doch ist das angestrengte Buhlen um Reservisten das probate Mittel und der richtige Ansatzpunkt, um eine hochgradig gestresste, nervöse Nation zu befrieden? Eine Nation, die im Angesicht schriller Töne von rechts, einer Ohnmacht ausstrahlenden, pseudosozialistischen Regierung und Bürgern am Anschlag sich selbst zu zerlegen droht?

Auch wenn die Reservisten nicht als Bürgerwehr gedacht sind und immer zusammen mit Profis unterwegs sein sollen – Waffen im Dienst gehören ausschließlich in die Hände von fundiert ausgebildeten Sicherheitskräften. Selbst dann lässt sich die Gefahr eines fatalen Missbrauchs natürlich nicht ausschließen.

Viel wichtiger als Reservisten zu rekrutieren, ist es, dass Frankreich jetzt zivilgesellschaftlich Haltung und Stärke zeigt – die linksliberale Libération hat es auf ihrem Titel am Dienstag „Soyons à la hauteur“ genannt. Parteipolitisches Hickhack und kopflose Panik hätten, so das Blatt, Terroropfer nicht verdient.

Es gibt bereits „Bürgerreservisten“ im Land. Über 5.000 Menschen setzen sich im Auftrag des Bildungsministeriums für Grundwerte der Republik ein: Freiheit, Laizismus und Gleichberechtigung. Ohne Waffen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Harriet Wolff
Wahrheit-Redakteurin
Seit 2013 bei der taz-Wahrheit, zeitweise auch Themenchefin in der Regie und Redaktionsrätin. Außerdem Autorin mit Schwerpunkt Frankreich-Themen
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Mit diesen "Hilfspolizisten" wird es nicht lange dauern, bis die ersten sinnlos erschossenen "Araber" auf französischen Straßen liegen. Der IS wird sich freuen, denn das gibt neue Kämpfer.

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Immer rein damit in die Soße der Symbolpolitiken. Hollande sorgt dafür, dass auch in Frankreich die Sozialdemokratie künftig kein Land mehr sieht. Eribon fasste das Elend die Tage treffend zusammen: Wer links haben will (in 10 Jahren) muss heute rechts wählen. Wenigstens war Gabriel mal eine Woche sprachlos. Das ist schon das Beste, was man sich für deutsche Verhältnisse als Linker erwarten darf.