Kommentar Rente: Angehängt ans Leistungsethos
Das Rentenpaket soll die „Lebensleistung“ derjenigen belohnen, die es sich „verdient“ haben. Aber was heißt das schon?
E s ist schon interessant, zu welcher Wortwahl die Ministerin bei der ersten Lesung des Rentenpakets am Donnerstag griff. Die Rente mit 63 nach 45 Versicherungsjahren und die höheren Mütterrenten seien „nicht geschenkt, sondern verdient“, betonte Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD).
„Lebensleistung“, „verdient“, „Pflicht erfüllt“: Die Ministerin hängt sich an das Ethos der Arbeitsgesellschaft von Leistung und Gegenleistung. Sie verbrämt, dass das Rentenpaket vor allem von den Beitragszahlern, also anderen Erwerbstätigen, finanziert wird. Es ist eine horizontale Verteilung innerhalb der Mittelschicht.
Dies entspricht dem Geist der großen Koalition: Die Umverteilung von der Mittel- in die Unterschicht ist derzeit unpopulär, denn die Unterschicht steht zunehmend unter Selbst-Schuld-Verdacht. Eine Umverteilung von den sogenannten Reichen in die Mittelschicht findet auch keine Mehrheit, denn die Reichen halten sich ja selbst auch für die Mittelschicht. Also bleibt man im Horizontalen. Was natürlich neue Gerechtigkeitslücken aufreißt, denn das Geld vermehrt sich ja nicht.
So sind die höheren Mütterrenten sicher in vielen Fällen berechtigt. Es gibt aber auch sehr gut versorgte Ehefrauen aus dieser Generation, die das Geld nicht unbedingt brauchen. Und natürlich hätte auch die alleinerziehende Altenpflegerin, die jahrzehntelang gearbeitet hat und im Alter trotzdem nur auf eine Rente unterhalb von Hartz-IV-Niveau kommt, mehr Rente „verdient“.
Sie hat nichts von höheren Mütterrenten oder abschlagsfreien Renten mit 63, weil alles später auf ihre aufstockende Grundsicherung im Alter angerechnet wird. Demnächst soll die Ergänzung dieser Minirenten politisch in Angriff genommen werden. Das Problem: Das Geld dafür ist dann durch das Rentenpaket schon verbraten.
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