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Kommentar Religion(en) und FreiheitNicht zu sehr verallgemeinern

Ein schwuler Imam predigt am Freitag in Berlins neuen liberalen Gemeinde. Gut so – denn der Respekt vor Vielfalt ist in keiner Glaubensgemeinschaft Mainstream.

Respekt vor Vielfalt – längst nicht Mainstream Foto: dpa

Und wieder ist sie in den Schlagzeilen: In der liberalen Moscheegemeinde, gegründet von der türkeistämmigen Juristin, Menschenrechtlerin und neuerdings auch Imamin Seyran Ateş, leitet heute ein schwuler Imam das Freitagsgebet.

Ludovic-Mohamed Zahed ist kein Unbekannter in Berlin. Der in Algerien geborene Franzose, der 2012 in Paris eine LGBTTQ-freundliche Moschee gründete, war vor fast genau einem Jahr hier. Damals unterschrieben Vertreter liberaler religiöser Organisationen mit dem Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg und der Tempelhof-Schöneberger Bürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) die „Schöneberger Erklärung für Vielfalt und Respekt“.

Dass es nun auch in Berlin eine Moschee gibt, in der dieser Imam – kurz nach dem CSD – predigen kann, das kann der Stadt, ihren Glaubensgemeinschaften und auch dem hiesigen Islam nur gut tun: weil es die mit Religion immer verbundene Debatte um persönliche Freiheit und Lebensstile um wichtige Perspektiven erweitert. Dennoch wünscht man sich manchmal, bei der medialen Debatte um die neue, in einer evangelischen Kirche beheimatete Gemeinde würde weniger polarisiert.

Was wäre denn, wenn eine Katholikin hier eine liberale katholische Gemeinde, ansässig in einer Moschee, eröffnet, selbst die Priesterrolle eingenommen und LGBTTQ-Menschen zum Gebet eingeladen hätte?

Nein, natürlich wäre es nicht dasselbe. Es würde vielleicht mehr offene Zustimmung unter KatholikInnen, keine Morddrohungen gegen die Gründerin geben. Doch wäre auch in dem Fall kein Applaus davon offizieller Kirchenseite zu erwarten: Denn den Regeln der katholischen Kirche entspräche das nicht.

Nicht umsonst unterzeichneten die „Schöneberger Erklärung“ nicht nur Muslime, sondern VertreterInnen verschiedener liberaler religiöser Organisationen. Mainstream ist der Respekt vor Vielfalt in keiner Glaubensgemeinschaft, Debatten darüber werden in allen geführt. Eine davon komplett für reaktionär zu erklären, ist deshalb wirklichkeitsfremd.

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3 Kommentare

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  • Ich muss immer schmunzeln bei Taz-Artikeln, die kritisch den Islam betrachten. Meist kommt dann der Hinweis, die anderen Religion seien ja nicht viel besser. Bei Artikeln, die die katholische Kirche ins Visir nehmen, wird nie relativiert.

     

    In diesem Artikel kommt dann doch zum Ausdruck, es gebe ja schon irgendwie einen Unterschied. Die einen kriegen Morddrohungen, die anderen nicht. Aber das soll aber im Artikel nicht an der Grundthese kratzen, dass alle Religionsgemeinschaften irgendwie gleich sind.

     

    Abgehoben wird dann der Schluss mit dem Hinweis auf die Schöneberger Erklärung. Die hätten ja nicht nur Muslime unterzeichnet.

    Welche Muslime haben sie den unterzeichnet?! Das Bezirksamt musste sich den liberalislamischen Bund aus Köln dazu holen. Der vertritte nur eine marginale, winzig kleine Minderheit der Muslime. (Das soll ihn nicht abwerten.) Könnte es sein, dass das Bezirksamt in Berlin keine Muslime gefunden hat, die zur Unterzeichnung bereit gewesen wären? Im Vergleich dazu hat die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg höchst offiziell unterschrieben. Die einen haben hochoffiziel unterschrieben, die anderen wollten offenbar überwiegend nicht. Das ist die Passage, wo ich als Leser mich nicht mehr ernstgenommen fühle. Eher für dumm verkauft.

  • Die zitierte Schöneberger Erklärung wurde von keiner der in den Islamverbänden organisierten Moscheegemeinen unterstützt. Nur der liberal-islamische Bund unterstütze diese Erklärung, Neben der Moscheegemeinde von Frau Ates die zweite kleine muslimische Gruppierung, die für einen liberalen Islam Eintritt.

  • Die Autorin verkleistert die vorhandenen Unterschiede. In der evangelischen Kirche ist Respekt vor Vielfalt durchaus Mainstream, während man die katholische Kirche und 99,9 % der deutschen Moscheegemeinden durchaus als reaktionär bezeichnen kann. Die meisten deutschen Moscheen gehören zur Ditib, sind damit der verlängerte Arm von Erdogans autokratischen System. Kein Wunder, dass die Ditib diese liberale Moschee gleich der Gülen-Bewegung zuordnete, was in der Türkei gleichbedeutend damit ist, sie zu Terroristen zu erklären. Es macht keinen Sinn aus falsch verstandener Toleranz, sich die in den Islamverbänden organisierten autoritär-konservativen Moscheeegemeinden systematisch schönzureden.