Kommentar „Reichsbürger“: Bums, aua!
Ein Brief aus Ulihausen in Uliland an die Herren und Damen Reichsbürger in „Ur“, „Germania“, „Königreich Deutschland“ und sonstwo.
L iebe Reichsbürger, ihr malt euch eigene Reichspersonalausweise und gründet Fantasieländer mit Namen wie „Ur“ oder „Germania“. Ihr verweigert bundesdeutsche Dokumente und erkennt das Verkehrszentralregister nicht an. Daher dürft ihr auch überall mit euren Reichsmobilen parken. Die Strafe müsst ihr nicht bezahlen, da ihr die Behörde so wenig anerkennt wie den Rundfunkbeitrag, Steuern und amtliche Bescheide. Kommt ihr ins Gefängnis, erkennt ihr auch das nicht an. Ihr bleibt somit frei, wenngleich eure freien Schritte von Wänden gestoppt werden, die eine feindliche Macht willkürlich auf dem Territorium des Deutschen Reichs hochgezogen hat. Bums, aua. Denn ihr erkennt diese Macht, die bei euch „BRD GmbH“ heißt und ein Marionettenstaat der Alliierten sein soll, nicht an.
Das klingt alles ganz lustig. Als Kind habe ich mir ebenfalls Länder erfunden, Landkarten gemalt und sogar Stadtpläne. Ulihausen war die Hauptstadt von Uliland, hatte über tausend Einwohner, und die wichtigsten Industrien waren Slumtourismus und Schokoladenfabriken. Hinter der Grenze begann Petersland, das gehörte meinem Bruder. Oft gab es Krieg, dann purzelten aber die Bauklötzchen. Ich habe eigenes Geld gebastelt, die Ulimark, und einen Pass aus meinem Kinderausweis. Meine Mutter hat geschimpft. Aber sonst war es ein schönes Spiel. Ich habe euch verstanden.
Doch nun ist es nicht mehr lustig. Ich verstehe euch nicht mehr. Einer der Euren hat einen Polizisten getötet und drei weitere verletzt, weil er sie für unbefugt hielt, ihrem Auftrag nachzugehen, der da lautete: einem Wahnsinnigen die Waffen abzunehmen. Das hätte wohl nur die Reichswehr gedurft, auf alle anderen wird geschossen. Was ist das denn bitte noch für ein Spiel? Wann der Spaß vorbei ist, wusste ich schon mit acht Jahren: spätestens mit einer Backpfeife.
Warum wollt ihr überhaupt eure tausend Lieblingsjahre teilweise wegwerfen und direkt an das Deutsche Reich von 1937 anknüpfen? Auch aus Sicht von Rechtsradikalen, wie ihr es seid, ist das doch vollkommen beliebig. Warum nicht an das Heilige Römische Reich Deutscher Nation? An die Germanen? Oder an die Urmenschen mit der neuen Reichshauptstadt Neandertal. Da sehen wir euch am ehesten. Checkt das aus.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau