Kommentar „Regretting Parenthood“: Diversität ist angesagt
Rund ein Fünftel der Väter und Mütter wünscht sich ein Leben ohne Kinder. Daraus folgt trotzdem nicht der Untergang des Abendlandes.
J etzt also beide Eltern. Genauso viele Väter wie Mütter bereuen ihre Elternschaft. Das ist interessant, denn an den Gedanken, dass die Mutterschaft in Deutschland keine einfache Sache ist, sind wir längst gewöhnt. Immerhin sind sie es, die sehr viel öfter beruflich zurückstecken, die die Kinder öfter betreuen und die den Großteil des Haushalts schmeißen. Nach einiger Aufregung um diverse „regretting motherhood“-Studien hatte man sich gerade daran gewöhnt, dass die Belastungen der Mütter offenbar in einigen Fällen zu einer Ablehnung der ganzen Sache führen kann.
Neu ist nun zum einen, dass es ein ganzes Fünftel ist, das sich ein Leben ohne Kinder wünscht. Und zum anderen, dass es genauso viele Väter wie Mütter sind. Die Väter halten sich doch immer fein raus, dachte man, aus den verschiedenen Zeitverwendungsstudien folgern zu können.
Zwei Hypothesen: Erstens ist es oft nicht so einfach, sich immer rauszuhalten. Mit der Aufgabenteilung im Haushalt sind nämlich viele Mütter unzufrieden – und das bekommen auch die Väter ab. Zweite These: Immer weniger Männer definieren sich über das pure Geldverdienen. Sie wollen auch leben – Stichwort: Work-Life-Balance.
Von diesen Thesen ausgehend könnte man sagen: Nicht nur die klassische Mutterrolle erodiert, sondern auch die Vaterrolle. Weder Hausfrau noch Familienernährer sind mehr eine Selbstverständlichkeit. Der Gedanke, dass man alles auch hätte ganz anders machen können, ist keineswegs mehr verboten – und er wird nun eben auch ausgedrückt.
Und? Was folgt? Untergang des Abendlands? Ach was! Es folgt nur, dass mehr Lebensmodelle denkbar werden. Dass Männer und Frauen sich genauer überlegen, ob Familie eigentlich das ist, was sie dringend brauchen. Oder ob sie anders als in der klassischen Familie leben wollen. Gut so. Diversität ist angesagt, und Diversität macht bekanntlich unabhängig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!