Kommentar Regierungsbildung in Italien: Und täglich grüßt der Silvio

Ex-Präsident Berlusconi ist wieder da. Aber eigentlich war er nie weg. Das liegt auch daran, dass Gerichtsurteile in Italien wenig gelten.

Silvio Berlusconi mit ausgebreiteten Armen

Silvio Berlusconi könnte bald wieder im italienischen Parlament sitzen Foto: ap

Das Lied „Gott sei Dank gibt’s Silvio“ sangen die Anhänger Berlusconis im Wahlkampf 2008. Zehn Jahre später können sie es wieder anstimmen, nachdem das Gericht in Mailand dem Forza-Italia-Chef seine bürgerlichen Ehrenrechte zurückgegeben hat.

Im Jahr 2013 schien Berlusconi definitiv erledigt, hatte er doch eine Haftstrafe von vier Jahren wegen Steuerhinterziehung erhalten, war in der Folge aus dem Senat ausgeschlossen worden und durfte fortan weder bei Wahlen antreten noch selbst wählen. Und jetzt? Wird darüber spekuliert, dass der Wiedergänger der italienischen Politik bald erneut im Parlament sitzen könnte, mittels eines Direktmandats, das ein Parteikollege für ihn frei machen soll.

Damit wäre er wieder da. Aber war er jemals weg? Dies ist eigentlich die spannendere Frage. Der mittlerweile 81-jährige Medientycoon bewegte sich auf der politischen Bühne Roms, als habe er nie eine Vorstrafe erhalten. Widersacher und Konkurrenten halfen dabei mit. So schloss Matteo Renzi, kaum war er 2014 Ministerpräsident geworden, wenige Monate nach Berlusconis Verurteilung mit diesem einen Pakt zur Verfassungs- und Wahlrechtsreform – und erhob damit den Vorbestraften in den Rang eines Verfassungsvaters.

Später zog Forza Italia mit dem Slogan „Berlusconi Presidente“ in den Wahlkampf, obwohl der gar nicht Regierungschef werden durfte. Und so gut wie alle Medien wie Politiker fanden es selbstverständlich, dass der politisch eigentlich Rechtlose in den Konsultationsrunden zur Regierungsbildung beim Staatspräsidenten auf dem Sofa saß.

Dies ist der eigentliche Sieg Berlusconis, den er lange vor seiner Rehabilitierung errang: in der politischen Kultur Italiens das Prinzip zu verankern, dass Gerichtsurteile keine Bedeutung haben. Daran wird wohl auch die sich abzeichnende Regierung der Fünf Sterne und der Lega nichts ändern. Lega-Chef Matteo Salvini jedenfalls freut sich öffentlich darüber, dass Berlusconi jetzt wieder nach politischen Ämtern greifen darf.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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