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Kommentar Rechtspopulisten-TreffenGegen den vermeintlichen Feind

Kommentar von Tobias Müller

In Koblenz setzen Rechtspopulisten den Auftakt für das europäische Wahljahr. Es ist ihnen mehr als ernst. Und so ernst sollte man sie auch nehmen.

Die Frisur von Geert Wilders (links) ist Privatsache. Einige seiner politischen Forderungen verdienen dagegen alle Aufmerksamkeit Foto: ap

E ine Szene in der Morgendämmerung an der Polizeiabsperrung vor der Rhein-Mosel-Halle in Koblenz: Zwei ältere Besucherinnen warten auf Einlass zum „Europe of Nations and Freedom“-Treffen der europäischen Rechtspopulisten. Beiläufig streift ihr Gespräch das Thema der ausgeladenen Journalisten. Nach wenigen Sekunden ist das einstimmige Urteil gefällt: „Alle gleichgeschaltet.“ So weit, so erwartbar.

In der Halle dann herrschte eine andere Morgendämmerung, die ihrerseits genauso erwartbar war: die einer nationalstaatlichen Revolution – welche, glaubt man den Protagonisten des europäischen Rechtspopulismus, kurz bevorsteht. Schwere rhetorische Geschütze wurden aufgefahren: Von Tyrannei, Befreiung und Selbstbestimmung war die Rede. Standard­elemente aus dem Propaganda-Baukasten, mit denen Marine Le Pen und Geert Wilders jonglieren, seit sie vor mehr als drei Jahren den Grundstein legten für den großen patriotischen Schulterschluss.

In diesen drei Jahren ist viel geschehen – so viel, dass man gut beraten ist, das Getöse von Koblenz sehr ernst zu nehmen. Die Neigung vieler, sich über den intellektuellen Tiefflug der Veranstaltung, die inhaltliche Vorhersehbarkeit und die dick aufgetragene Inszenierung lustig zu machen, hat hingegen keinerlei diskursiven Nutzen.

Die Frisur von Geert Wilders ist eine Nichtigkeit und darüber hinaus Privatsache. Dass Wilders, den die Umfragen zum Favoriten auf den niederländischen Wahlsieg machen, ankündigte, im Land „klar Schiff machen“ zu wollen, verdient dagegen alle Aufmerksamkeit.

Euphorie und rabiate Angriffslust

Auch wie der FPÖ-Mann Harald Vilimsky verbal auf Gegendemonstranten eindrosch, offenbart ein erschreckendes Niveau. Gleichzeitig berichtete er triumphierend, sein Chef Heinz-Christian Strache weile in Washington, um Kontakte mit der Trump-Administration aufzunehmen. Natürlich ist diese Dynamik bekannt: die AfD-Erfolge auf Landesebene, das Brexit-Referendum, die Wahl Trumps. Es ist offensichtlich, dass es ein inhaltliches Element gibt, das diese Ereignisse verbindet. Zu Recht blicken progressive Kräfte gerade mit Besorgnis auf das halbfertige Drehbuch des Jahres 2017, das Urnengänge in den Niederlanden, in Frankreich und Deutschland vorsieht.

In Koblenz erlebten die Anwesenden, welche Euphorie und rabiate Angriffslust es im Anhang von AfD und FN, PVV und FPÖ auslöst, den Wind der Geschichte in den Segeln zu wissen. Dem Zittern liberaler Kräfte steht Siegesgewissheit der Rechten gegenüber, die Marine Le Pen so ausdrückte: „Jeder von uns, der seine Ziele erreicht, gibt den anderen Hoffnung.“

Nur ein Beispiel, das diese Wechselwirkung belegt: Kurz bevor die Niederländer im Frühjahr 2016 das Assoziationsabkommen zwischen EU und Ukraine ablehnten, besuchte Nigel Farage eine Veranstaltung der Gegner dieses Vertrags, um ihnen Mut zuzusprechen. Unverhohlen äußerte Farage damals die Erwartung, ein Sieg der niederländischen EU-Gegner würde den Brexit-Befürwortern Auftrieb geben. Das Ergebnis ist bekannt.

Es dürfte im Übrigen nicht zuletzt dieser Dynamik geschuldet sein, dass die Parteien, die „Europe of Nation and Freedoms“ bilden, sich nicht etwa in gegenseitigen Konflikten verzetteln, sondern ihre Ambitionen gegen einen vermeintlichen gemeinsamen Feind zu bündeln vermögen.

Die Botschaft aus Koblenz ist deutlich: Es ist den Petrys, Wilders und Le Pens mehr als ernst. Und so ernst sollte man sie auch nehmen – mittels gründlicher Analyse. Was auch bedeutet, in ihrer Rhetorik von „erwachenden europäischen Völkern“ nicht gleich einen neuen Faschismus am Horizont zu sehen, wohl aber eine erschreckende Unempfindlichkeit gegenüber solchen Bildern.

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13 Kommentare

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  • Haben Politiker Mitschuld ?

     

    Koblenz, die Stadt an Rhein und Mosel im Ausnahmezustand.

     

    Marie Le Pen von der Front National, Frauke Petry AfD, Geert Wilders PVV,

    Harald Vilimsky FPÖ Europas Rechtspopulisten tagten am Samstag, einen

    Tag nach der Amtseinführung von Donald Trump, in der Rhein Mosel Halle.

     

    350 Journalisten und Fernsehnteams aus ganzen Welt verfolgten das Spektakel.

     

    Europäische und Deutsche Spitzenpolitiker wurden aufgeschreckt, begaben sich nach Koblenz und schließen sich einer Gegendemonstration an.

     

    Allen voran Ministerpräsidentin Malu Dreyer SPD, gefolgt von Sigmar Gabriel SPD, dem luxemburgischen Außenminister Jean Asselborn und Simone Peter von den Grünen.

     

    Eine Frage drängt sich hier auf : Sind es nicht gerade diese Politiker und ihre

    Parteien, die mit ihrer gemachten Politik eine Mitschuld an diesen rechtspopulistischen Stömungen in Deutschland und in Europa haben ?

     

    Ist es nicht gerade ihre gelebte Politik, in dem sich die Bürger nicht mehr eingebunden fühlen, dieser Politik nicht mehr vertrauen, eine Politik die

    entfremdet, die ein - Die da oben, wir hir unten - schafft ?

     

    Politiker aller etablierten Parteien Deutschlands sollten die Belange und

    Ängste der Bevölkerung ernst nehmen und Lösungen präsentieren, sonst fühlt sich der Bürger von der Politik im Stich gelassen.

     

    Dies wäre dann der ideale Nährboden Rechtspopulisten und andere erstarkende Parteien.

  • In Wirklichkeit will Donald Trump, Wladimir Putin und das Großkapital die EU spalten. Die durchschlagenden EU-Sanktionen gegen Russland, die Rolle die EU Konzerne in der US- Wirtschaft und die Maßnahmen der EU gegen US Konzerne wie Apple, Microsoft u.v.a. haben bestätigt, dass die EU durchaus Schlagkräftig ist.

     

    Die EU-Spaltung soll auch von innen her voran getrieben werden. Hierzu bedient sich z.B. Putin der rechten Bewegungen in der EU

    durch die AfD und FN, PVV und FPÖ. Hat jemand jemals von Petry, Marine Le Pen, Geert Wilders und Heinz-Christian Strache gehört, Putin sei Böse?

    In Wirklichkeit sind das gar keine richtigen Nationalisten, sondern Handlanger fremder Mächte. Ihr Handeln soll zu mehr, statt zu weniger Abhängigkeit von fremden Mächten führen.

     

    Ein MEHR an Unabhängigkeit der EU wird sich auch nicht durch die Methode Merkel einrichten lassen, die darin besteht, gegenüber der USA eine Gefolgschaft bis zur völligen Selbstaufgabe (Stichwort: NSA-Überwachung usw.) zu erklären

     

    Letztendlich wird die EU nicht umher kommen, eine eigene militärische Stärke aufzubauen, die weltweit die Stärkste ist.

  • Man kann und MUSS vieles was die Rechten mit ihren Politikvorstellungen fordern, kritisieren.

    ABER NICHT ALLES!

    Manches ist auch eine klare und richtige Reaktion auf eindeutige FEHLER linksliberaler Politik, die erst ein Wiedererstarken der Rechten ermöglicht haben.

    Solange die linksliberalten Kräfte sich weigern, sich dieser WARHHEIT demütig zu stellen und entsprechende Korrekturen vorzunehmen, werden die Rechten nicht schwächer, sondern stärker werden. ALLES hat eine oder mehrere Ursachen, die nicht immer alleine in geistigem Unvermögen des GEGNERS liegen.

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Ich habe echt kein Interesse daran das diese Allianz Erfolg hat. Aber ein probates Gegenmittel scheint momentan nicht zu existieren. Die Flüchtlingskrise gibt diesen Parteien aufwind, wie Fukushima damals den Grünen. Mit dem großen Unterschied das die Flüchtlings-Thematik bei Weitem nicht so leicht zentral zu regulieren ist wie der Betrieb von Atomkraftwerken.

     

    Viele hier wollen nicht anerkennen das es internationale Bündnise zwischen Rechten geben kann, weil man in den Denkmustern verhaftet ist die Linke denker vor hundert+ Jahren angegriffen haben. Das ist so nicht mehr wahr und es war selbst zu Zeiten des dritten Reiches nicht wahr. Japan und Italien waren ja auch Verbündete Nazideutschlands.

     

    Einen wirklich guten Vorschlag habe ich nicht um diesen Menschen entgegenzutreten. Was ich aber weiß ist das es mit einem "weiter so!" nicht funktionieren wird. Ich befürchte das viele versucht sind auf das Erstarken der (radikalen) Rechten selber mit immer radikaleren Positionen zu antworten. Das kann und wird aber nicht gelingen. Macht wird in einer Demokratie durch Mehrheiten legitimiert und die erreicht man nicht indem man sich immer weiter von der Mitte der Gesellschaft entfernt. Insbesondere die Vielzahl der Akteure für die links sein primär bedeutet die eigene Kultur so weit es geht schlecht zu reden sind eine echte Belastung.

     

    Die Rechtspopulisten führen hier einen Kulturkrieg. Darauf muss man Antworten, nicht mit einem kollektiven “ihr seid aber doof!” sondern mit einem _praktikablen_ Gegenentwurf. Auf Wörter wie Multukulti würde ich dabei allein schon aus PR Technischen Gründen verzichten. Ein solcher Gegenentwurf müsste für die breite Masse attraktiv sein, nicht nur für Menschen die irgendwas aus dem Spektrum der Sozialwissenschaften studieren.

    • @33523 (Profil gelöscht):

      Treffender Text, danke. Ich bin aber Pessimist geworden. Die typische Arroganz der LINKEN - wir haben den Durchblick- hat sich in den letzten Jahren gesteigert zu einem "nicht ertragen können, der anderen Meinung", was zur Folge hat, den anderen Menschen insgesamt nicht ertragen zu können. Diese Haltung läßt keinen Dialog zu und ist , und ist, und ist,- faschistoid.

    • @33523 (Profil gelöscht):

      Wie wäre es mit einem mutigen Auftritt der Linken? Wenn ich ein großes Problem sehe, dann ist das, dass sich Linke gegenseitig angreifen, statt sich gegenseitig zu feiern.

       

      Das einzige Gegenmittel, das ich hier sehe, ist gelebte multikulturelle Zusammenarbeit — auch innerhalb der linken Subkulturen.

       

      "Wir stehen zusammen"

       

      Zeigen, dass Leute aus Sachsen, Baden-Württemberg, Bremen und Bayern zusammenstehen und für gemeinsame Ziele kämpfen — egal, wie unterschiedlich sie sind. Denn die breite Masse ist multikulturell.

  • Tja, vielleicht sollte sich die Linke auch mal einig werden damit sie diesem rechten Spuk etwas entgegensetzen kann. Aber wahrscheinlich wird Wilders schon längst an der Macht sein, Petry mit einem zweistelligen Ergebnis im Bundestag sitzen während die Linke immer noch diskutiert unter welchen Umständen man sich denn zusammenschließen könnte

  • erstickende realsatire: rechte gegner europas verbünden sich zu einem gesamteuropäischen nazihaufen. kann man sich gar nicht ausdenken, sowas.

  • „Die Frisur von Geert Wilders (links) ist Privatsache.“

    „Die Frisur von Geert Wilders ist eine Nichtigkeit und darüber hinaus Privatsache.“

     

    Anscheinend nicht.

    Sonst wäre sie ja nicht zweimal erwähnt worden...

    • @Jürgen Decker:

      wurde die vielleicht in anderen Medien aufgegriffen — die hier mit dieser Aussage kritisiert werden?

    • 3G
      33523 (Profil gelöscht)
      @Jürgen Decker:

      Nun man möchte halt doch mal darauf hinweisen das es einige Toleranz braucht um seine Frisur ertragen zu können. Eine These die ich durchaus teile!^^

    • @Jürgen Decker:

      Hoffe, es ist nicht der von François Hollande ;-) Warum gibt man der Frisur des fliegenden Holländers so viel medialen Raum hier ?