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Kommentar RechtsextremismusDie neue Hassgeneration wächst

Wolf Schmidt
Wolf Schmidt
Kommentar von Wolf Schmidt und Wolf Schmidt

Innenminister Friedrich hatte recht und unrecht, als er sagte, der Osten werde von Neonazis unterwandert. Es ist noch schlimmer.

E rst vor wenigen Wochen bekam CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) mal wieder eins aufs Dach. Er hatte davor gewarnt, dass Neonazis einige Landstriche in Ostdeutschland unterwandern würden. Prompt hagelte es Kritik, vor allem aus dem Osten, bis Friedrich zurückruderte und sich auf die Floskel zurückzog: Der Rechtsextremismus sei freilich nicht nur ein ostdeutsches Problem, sondern ein gesamtgesellschaftliches. Da beruhigten sich alle wieder.

Dabei hätte es sich gelohnt, diese Debatte zu führen. Denn natürlich gibt es Neonazis sowohl im Osten als auch im Westen; die „Kameraden“ im Ruhrgebiet sind genauso gefährlich wie die in der Sächsischen Schweiz. Doch unter der Ebene der organisierten Neonaziszene gibt es eben doch Unterschiede. Und nur wer das klar ausspricht und entsprechend handelt, verharmlost das Problem nicht.

Es ist kein Zufall, dass die einzigen beiden Bundesländer, in denen die NPD in den Parlamenten sitzt, ostdeutsche sind (Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern). Die Partei hat sich dort in manchen Regionen festgesetzt und kann sich in ihren Hochburgen auf Wahlergebnisse im zweistelligen Bereich verlassen. Und anders als immer wieder behauptet, werden Parteien wie die NPD nicht aus diffusem Protest gewählt – sondern aus ideologischer Überzeugung.

Bild: taz
WOLF SCHMIDT

ist Redakteur im Inlandsressort der taz und zuständig für die Themen Terrorismus und Extremismus.

Jeder Sechste im Osten, so stellt nun eine Studie fest, hat ein „geschlossenes rechtsextremes Weltbild“. Natürlich wählt nicht jeder dieser oft abgehängten Jungmänner die NPD oder macht Jagd auf Migranten. Doch rechtsextremem Handeln geht immer rechtsextremes Denken voraus. Zu Recht warnen die Forscher deshalb vor einer „neuen Generation des Rechtsextremismus“.

Innenminister Friedrich hatte also gleichzeitig recht und unrecht. Der Rechtsextremismus ist im Osten ein größeres Problem als im Westen. Aber von einer „Unterwanderung“ kann keine Rede sein. Vielmehr hat er sich in der Mitte festgesetzt.

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Wolf Schmidt
Inlandsredakteur (ehem.)
Jahrgang 1979. War bis 2013 in der taz zuständig für die Themen Rechtsextremismus, Terrorismus, Sicherheit und Datenschutz. Wechsel dann ins Investigativressort der Wochenzeitung „Die Zeit“.
Wolf Schmidt
Inlandsredakteur (ehem.)
Jahrgang 1979. War bis 2013 in der taz zuständig für die Themen Rechtsextremismus, Terrorismus, Sicherheit und Datenschutz. Wechsel dann ins Investigativressort der Wochenzeitung „Die Zeit“.
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10 Kommentare

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  • M
    mike

    Das Problem im Osten viel älter als hier dargestellt, bereits mitte der 70'er jahre gab es vereinzelt Naziaktivitäten in der DDR meistens im Umfeld von Fussbaldvereinen, seit den 80'er Jahren gab es eine Skinheadszene, Wehrsportgruppen usw.

  • H
    hund

    Seltsame Gedankenkonstrukte? Die Linkspartei soll in der Vergangenheit forschen?

     

    Arne, ZDF und ARD senden seit Jahren nichts anderes als die zurechtgerückte Geschichte in Endlosschleife inklusive SED-Verbrechen.

     

    Ist Rechtsradikalismus im Osten mglws. die andere Seite der Medaille eines exessiven Antikommunismus von SPD und Union im Osten während der letzten 20 Jahre? Trug evtl. westdeutsche "Chancengleichheit" ihr Übriges dazu bei? Jedenfalls: Die "neue" Generation Rechtsradikaler hat die DDR kaum bewusst erlebt. Aber klar, Töpchenzwang ...

     

    Die Formel hieß übrigens zunächst: Wir sind das Volk. Und das war gewiss nicht nationalistisch gemeint. Die so redeten wurden allerdings schnell - auch von westdeutscher Seite - abgedrängt. Der Rest ist bekannt.

  • A
    Arne

    Wen wundert das nach 22 Jahren verlogener Politik der "Widervereinigung"? Schon 1989 konnte "Wir sind ein Volk" hören, was jedem nicht nationaistisch denkenden Menschen Übelkeit bereiten musste, denn so sagte schon Brecht, wer "Volk" statt "Bevölkerung" sagt, lügt und gaukelt eine Einheit herbei, die real gar nicht existiert.

    In der DDR galt seit Jahrzehnten ein Sozialismus, der auf eine nationale Sichtweise aufgebaut war. Stalin bemühte sich wesentlich mehr um einen einheitlichen deutschen Staat als die Adenauer tat. Das dadurch auch ganz seltsame Gedankenkonstrukte in den Köpfen der DDR-Bürger entstanden, sieht man bis jetzt.

    Ein Fehler, der bis heute gemacht wird, ist, dass dies nicht ausreichend debattiert wird. Hier müsste die im Osten stark verankerte Linkspartei auch mal beginnen und die nationalen Töne, die bei ihnen immer wieder aufkeimen, analysieren. Mauerbau und Stasi sind allmählich gegessene Themen. Hier würde es der Linkspartei, auch im Sinne ihrer Einheit in Ost und West mal gut tun, weiter in ihrer Vergangenheit zu forschen.

    Ansonsten wird von allen Parteien ängstlich umgangen, die Fehler bei der Wiedervereinigung zu benennen und die Frage aufzuwerfen, wie diese noch mal rückgängig gemacht werden können. Wirtschaftsräume mit unterschiedlicher Produktivität kann man nicht Hals über Kopf in das gleiche Korsett zwingen, das sieht man auch heute bei Griechenland.

  • L
    Lillie

    Möchte Franz Beer in Teilen zustimmen.

    Arbeitslosigkeit, Armut und Perspektivlosigkeit aber auch fehlendes soziales Miteinander (welches ja gerade ebenfalls totgespart wird) sind die Gründe für eine solche kurzsichtige, einseitige Verblendung.

     

    Ausländer selbst können es im Osten kaum sein, denn da hält sich der Anteil dort zuweilen mal knapp unter 2 Prozent. Was da zusammen gefaselt wird von Überfremdung und Arbeitsplatzübernahme ist also hirnrissig. Berlin bildet da gewiss eine Ausnahme, kann aber für die Mehrheit der neuen Bundes-Länder nicht zählen. Insofern liegt hier ein Irrtum vor, Migranten und Fremde seien hier das Problem.

     

    Nein, das Problem ist - wie immer - Perspektivlosigkeit und mangelnder Zusammenhalt. Dies wird Geld kosten, um Perspektiven oder soziales Miteinander wieder zu ermöglichen. Leider ist Schwarz-Gelb auf einem völlig gegenteiligen Sparkurs. Da wird Geld lieber für Banken aus dem Kreislauf gezogen und nicht mehr in den Wirtschaftskreislauf investiert, da wird an Kulturellem, Bildung und sozialen Projekten gespart, bis sich die Leute selbst eine halbwegs solidarisch anmutende Vereinigung suchen. Es sind also nicht nur Sozialdemokraten sondern auch alle elitäre Gruppen, Klientelparteilein, grüne Bildungsschichten und Linke gefragt, den Sozialstaat allein schon wegen der damit einhergehenden Rechtssicherheit zu unterstützen statt zunehmend ausbeuterisch auszuhöhlen.

  • C
    Celsus

    Der CSU-Innenminister ist zwar in Bayern imBereich der Testamentsvollstreckung promovierter Jurist, aber er hatte doch mit rechtlichen uind politischen Angelegenheiten des Innenminsteriums reichlich wenig zu tun, bevor er dann selber Innenminsiter wurde.

     

    Und jetzt beschäftigt er sich ohne die Kenntnisse eines Heiner Geißler über Hintergründe und geixtige Brandstifter zu haben, anfängerhaft mit dem Thema. Sonst wüsste er mehr über den Weg in die Gewalt.

     

    Und überlange Zeit und sogar noch bis heute sehe ich das Bemühen der CSU den Rechtsextremsimus zu bagatellisieren, weil ja die CSu sich selber als knackig rechts empofindet, und den Linksextremismus vom ersten schiefen Lächeln an bis zum geht nicht mehr aufzubauschen. So kann das leider nichts werden und die nächsten geistigen Brandstiftungen und Skandale made auch bei CSU warten schon.

  • LA
    links angekommen

    Der Maßstab für "rechtsextrem" ist die Zustimmung zur grünen Multikultitheorie. Die sinkt aber selbst in SPD-Kreisen rapide. Somit ist das Urteil vom Ankommen in der Mitte nicht ganz richtig. Es ist schon links angekommen. Nur noch die Angst der Menschen über ihren Alltag zu reden hält die jetzigen Machthaber an der Macht. Das Volk redet eben im Internet. Morde wie am Alex passieren täglich. Meist klappt die Vertuschung und wenn nicht, dann kommt das Umdeuten wie in der taz. Immerhin zensiert ihr nicht so kanllhart wie SZ, FR und andere Kampfblätter der Bewegung oder gar das Parteien-TV. Das Ende von Multikulti, die Rückkehr der Moslems in ihre Heimat und die Beteiligung der Bevölkerung an Einwanderungsentscheidungen sind das Ende von NPD&Co. Das der Grünen allerdings auch.

  • H
    Harro

    Solange der Staat Neonazis nicht energisch und effektiv bekaempfen will ... mag der Osten schlimmer als der Westen sein. Aber auch im Osten ist doch viel Staatsgeld in die Szene bewusst geflossen, das wurde schon vor Jahren kritisiert und ignoriert.

  • KF
    karl friedrich

    Viel wäre ja schon gewonnen, würde jeder gute Mensch einen Rechtsextremisten aus seiner Umgebung wieder auf den Rechten Weg bringen.

    Mir ist das gelungen. Bei diesem Menschen, der gar nicht aufhören konnte mit Überlegenheit der weißen Rasse und Lebensraum und so.

    Jetzt lernt er Englisch, um die Reden der Frau Clinton zu verstehen, hat große Bilder von Netanjahu und Liebermann zu hängen, liest den Koran, diskutiert immer neue Möglichkeiten für R2P und will eine Farm in Mali kaufen.

  • F
    frankH

    was erwartet ihr eigentlich? beim letzten totschlag (mord?) auf dem alex hat die multikulti community der taz die andere seite komplett totgeschwiegen, weil nicht sein konnte, was nicht sein durfte

     

    so treibt man den rattenfängern genau das personal zu, indem man sie argumentativ aufmunitioniert

     

    umso einfacher für jeden nazifunktionär gegen das system zu argumentieren, das ja auf dem multikultiauge blind sei

     

    und auch die ganzen wohlmeinenden "gegen rechts" im flachen land im osten vertärken das problem nur, weil die jugend genau das gegenteil von diesen teilweise linken sektierern sein will - von ein paar ausnahmen primär im kirchlichen umfeld mal abgeshen

     

    die realität ist schon ein bisschen komplexer als die taz buzzwords/scheuklappen hergeben

  • FB
    Franz Beer

    Arbeitslosigkeit,Armut und Perspektivlosigkeit sind der beste Nährboden für Rechtsextremistisches Gedankengut.Diese Erkenntniss besteht wohl seid der Weimarer Republik. Leider nix daraus gelernt .Schade.Wenn Gesellschaftliche Umbrüche stattfinden,wie die Wende,aber die Probleme der Menschen ignoriert werden.dann sollte es kaum wundern wenn Heilsversprecher von der NPD mit Ihrem ,,einfachen naiven dummen,,Spüchen Erfolg haben. Dann hilft auch ein Verbot der Nazi Partei NPD nichts.