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Kommentar Recht auf befristete TeilzeitZwischen Burundi und Namibia

Heide Oestreich
Kommentar von Heide Oestreich

Bei der Lohngleichheit von Männern und Frauen liegt Deutschland weit hinten. Angela Merkel sorgt dafür, dass es auch dabei bleibt.

Kein Problem mit dem Gender Pay Gap: Angela Merkel und Ivanka Trump Foto: dpa

Ich … ähm … ööh …, also …“

Das war die Antwort unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel auf die Frage, ob sie Feministin sei. Vor Kurzem, auf dem glamourösen W20-Frauengipfel, mit Königin Máxima und Ivanka Trump. Im Gegensatz zu anderen Prominenten, die ihren Feminismus, wenn es modern ist, eine Weile lang herumtragen wie einen Chihuahua in der Handtasche, war Angela Merkel einfach ehrlich. Sie ist keine Feministin.

Merkel unterstützt Frauen nicht. Sie unterstützt aber auch Männer nicht und Kinder auch nicht. Sie unterstützt einfach nur die deutsche Wirtschaft. Gerade kam die Nachricht, dass das Recht, von einer Teilzeitstelle wieder auf Vollzeit zurückzukehren, endgültig kassiert ist. Gescheitert am Kanzleramt. An Angela Merkel. Den Arbeitgebern wurde es zu unbequem und so nahm sie flugs ein Recht zurück, das im Koalitionsvertrag vereinbart war.

Auf den ersten Blick wirkt es wie eine Nebensächlichkeit. Eigentlich aber wäre das Rückkehrrecht auf Vollzeit nichts weniger als eine Revolution gewesen. Die große Mehrheit aller Mütter arbeitet in Teilzeit. Hunderttausende von ihnen wollen nach einer Weile wieder aufstocken, dürfen es aber nicht. Ebenso wagen es Tausende von Vätern nicht, der Familie zuliebe Teilzeit zu beantragen, weil sie Angst haben müssen, dann ebenfalls auf dem „mommy track“ zu landen, der ewigen Teilzeit ohne Aufstiegschancen.

Teilzeitarbeit von Müttern ist der Hauptgrund für den gender pay gap, die Lohnlücke von 21 Prozent zwischen Männer- und Frauengehältern. Sie ist auch der Hauptgrund für die Altersarmut von Frauen. Zwei Indikatoren, die weltweit genutzt werden, um den Stand der Gleichstellung in den Ländern zu messen. Bei der Lohngleichheit liegt Deutschland EU-weit auf dem zweitletzten Platz, im weltweiten Vergleich zwischen Burundi und Namibia. Angela Merkel sorgt dafür, dass es so bleibt. Die lästige Feministinnenmode, die sitzt sie einfach aus.

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Heide Oestreich
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1968, ist seit langem Redakteurin für Geschlechterpolitik in der taz und im kulturradio vom RBB. Von ihr erschien unter anderem das Buch „Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam“. 2009 wurde sie mit dem Preis „Der lange Atem“ des Journalistenverbands Berlin Brandenburg für die Berichterstattung über Geschlechterstereotype ausgezeichnet.
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6 Kommentare

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  • Au weh, Deutschland liegt zwischen Burundi und Namibia! Eine echte Sensation, aber die Quellenangabe fehlt leider.

     

    Laut "Global Gender Gap Report": http://reports.weforum.org/global-gender-gap-report-2016/rankings/

    liegt Deutschland wirklich zwischen Burundi und Namibia, es lohnt sich allerdings, mal genauer hinzusehen:

     

    Beim Global Gender Gap Index (das ist nicht der Lohngleichheitsindex) hat:

     

    Rang 1, d.h. völlige Gleichheit von Männern und Frauen, Island, … Rang 11 die Schweiz, Rang 12 Burundi, Rang 13 Deutschland, Rang 14 Namibia, … Rang 16 die Niederlande, Rang 17 Frankreich, Rang 18 Lettland, Rang 19 Dänemark, Rang 20 Großbritannien, etc., etc., Schusslichter sind Syrien, Pakistan, Yemen.

     

    Interessantes Ranking, aber meines Erachtens nicht für die Argumentation im Artikel geeignet.

     

    Wer Freude an Statistiken hat, kann sich mal in Anhang C die Rangfolgen nach Indikator ansehen:

    http://reports.weforum.org/global-gender-gap-report-2016/appendix-c/

     

    Hier liegt, was nicht weiter erstaunt, bei der Lohngleichheit Ruanda auf Rang 1, d.h. Männer und Frauen haben das gleiche Einkommen.

     

    Was das alles mit dem Recht auf befristete Teilzeit in Deutschland zu tun? Relativ wenig, denke ich.

  • Der Hauptgrund für den Gender-Paygap wird vollkommen ignoriert. Es ist das Ehegattensplitting mit den Lohnsteuerklassen 3 und 5. Verheiratete Frauen, die z.B. auf Grund von Teilzeit oder späterem Berufseinstieg weniger Brutto-Einkommen haben, zahlen einen deutlich höheren Steuertarif. Das wird dann zwar durch den deutlich niedrigeren Steuersatz des Ehemannes mehr als "ausgeglichen". Aber bei Lohnersatzleistungen wie z.B. Arbeitslosen- oder Krankengeld wirkt sich direkt aus. Zudem dämpft es die Karriere-Ambitionen vieler Ehefrauen wenn sie den Eindruck haben, dass von ihrem Einkommen sowieso kaum etwas übrig bleibt.

    Das Ehegattensplittung zu reformieren, wird zwar lange diskutiert. Aber die CDU/CSU macht lieber Placebo-Auskunftsgesetze, entrüstet sich über den selbst verursachten Geneder-Pay-Gap als ob dies an den bösen Arbeitgebern oder gar den männlichen Beschäftigten liegen würde. Auch Martin Schulz, der die Gerechtigkeit rhetorisch wiederentdeckt hat, macht einen weiten Bogen um diese staatlich vorgegebene Lohnungerechtigkeit.

  • Mich überrascht der unterschwellige Rassismus, der sich in der Überschrift ausdrückt. Würde Deutschland in diesem Ranking zwischen Slowenien und Südkorea ( zwei völlig willkürliche Beispiele) liegen, würde ich jede Wette eingehen, dass die beiden Länder in der Überschrift nicht genannt worden wären.

     

    Warum Burundi und Namibia? Weil das Bild des rückständigen schwarzen Afrikas reproduziert wird, um den Leser und die Leserin emotional anzusprechen? Damit er/sie bei ihrer/seiner nationalistischen Empörung gepackt und aufgerüttelt wird, denn schließlich liegt Deutschland auf dem Niveau des unterentwickelten schwarzen Kontinents? Und eigentlich sollte das Weiße Deutschland natürlich besser sein als Schwarze Staaten?

     

    Die Taz sollte den Ansprüchen, die ihre Artikel bei anderen kritisieren, auch selbst genügen. Das stärkt die Glaubwürdigkeit.

    • @rero:

      Das tut jetzt weh, aber Burundi und Namibia sind nach den Maßstäben der UN rückständige Länder mit u.a. katastrophalen Sozialstandards. Platz 126 (Namibia) und 186 (Burundi) im Human Development Index. Sind das Gesellschaften, an denen wir uns messen sollten, angesichts unserer Möglichkeiten? Hat mit Hautfarbe und Topographie gar nix zu tun, außer man will es.

      • @hessebub:

        Das tut gar nicht weh. Sie sehen an ihrem Beispiel selbst, dass die Sozialstandards wenig damit zu tun haben. Es liegen ja schon 60 Plätze zwischen Namibia und Burundi.

         

        Ein Land kann rückständig sein und trotzdem ein hohes Maß an Lohngleichheit haben. Das eine bedingt nicht zwingend das andere. Dass Deutschland zwischen Namibia und Burundi liegt, beweist ja genau das.

         

        Die Frage ist, warum die Überschrift des Artikels so ist, wie sie ist. Mit Topographie hat es definitiv nichts zu tun. Mit Hautfarbe primär auch nichts. Dafür aber mit Arroganz und dem Gefühl der Überlegenheit. Die Überschrift ist schlicht abfällig gegenüber den beiden genannten Staaten. Und damit kommen wir doch in den Bereich Rassismus. In Boulevard-Zeitungen hätte ich diese Überschrift erwartet.

         

        Ich gehe jede Wette ein, bei einer ganzen Reihe von Ländern sähe die Überschrift anders aus, weil die Autorin nicht das Gefühl der grundsätzlichen Überlegenheit hätte.

         

        Ich gehöre nicht zu den Leuten, die als Hobby das Aufspüren von Rassismus haben, damit sie das Gefühl bekommen, auf der moralisch richtigen Seite zu stehen.Bei der Artikelreihe "Über Rassismus reden" fand ich die allermeisten Artikel übertrieben. Wenn die Taz jedoch mit so viel Engagement Rassismus anprangert, muss sie sich an ihren eigenen Maßstäben auch messen lassen.

  • Gutes Beispiel dafür, daß Frau Merkel im Grunde die ganze Zeit nichts tut, es sei denn, irgendwelche Lobbyisten wollen was von ihr. Aber: Der Wähler will es ja offensichtlich so.

     

    Wenn man in Frau Merkels langer Amtszeit mal nach irgendwelchen Leistungen sucht, wird man enttäuscht werden. Die Begriffe "Durchmerkeln" und "Herummerkeln" sind nicht umsonst entstanden. Aber die Bürger goutieren das ja.

     

    Äh, öh, nee, ich aber, äh. Und damit wird die Frau gewählt.