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Kommentar Rating-AgenturenInvestoren pfeifen drauf

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Die Ratingagentur Standard & Poors droht, 15 Euroländer herabzustufen. Das ist eine martialische Geste - die nichts bedeutet. Denn sie verkündet nichts Neues.

E s klingt alarmierend: Die Ratingagentur Standard & Poors (S&P) droht, 15 Euroländer herabzustufen. Das ist eine martialische Geste - die nichts bedeutet. Denn die Ratingagentur verkündet nichts Neues, wenn sie feststellt, dass die "systemischen Stressfaktoren" zugenommen hätten. Jedem Zeitungsleser ist aufgefallen, dass die Eurokrise eskaliert.

Es ist kein Wunder, dass Standard & Poors nur Weisheiten verbreitet, die längst bekannt sind: Mitarbeiter von Ratingagenturen lesen auch nur Zeitung. Eigene Recherchen sind nicht nötig, weil alle relevanten Daten zur Staatsverschuldung öffentlich sind.

Gerade weil Ratingagenturen nur Bekanntes feststellen, werden sie von Investoren meist ignoriert. Ein Beispiel: Japan hat das recht miese Rating von AA-. Trotzdem sind seine Staatsanleihen so begehrt, dass es für 10-jährige Papiere nur Zinsen von mickrigen 1,05 Prozent zahlen muss.

Bild: taz
ULRIKE HERRMANN

ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.

Es ist also ein reiner Marketinggag, wenn S&P jetzt wuchtig die Euroländer verwarnt. Die Ratingagentur will nur zeigen, dass sie wichtig ist.

Trotzdem könnte es Folgen haben, dass S&P jetzt droht. Denn ausgerechnet die Euroländer haben die Ratingagenturen mit einer Macht ausgestattet, die ihnen nicht zukommt. Die Anleihen des Rettungsschirms EFSF sollten unbedingt ein AAA-Rating haben. Dafür nahmen die Eurostaaten sogar in Kauf, dass der Rettungsschirm nur 440 Milliarden Euro ausleihen kann, obwohl sein Garantierahmen bei 780 Milliarden liegt.

Hinter den Kulissen wird schon länger diskutiert, ob diese Opfer für ein gutes Rating sinnvoll sind. Die neuesten Drohungen von S&P dürften diese Zweifel nähren. Es ist bizarr: Die Ratingagentur wollte die eigene Bedeutung demonstrieren - doch der Effekt könnte sein, dass sie entmachtet wird.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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6 Kommentare

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  • B
    BerndJoel

    Die japanische Notenbank kauft seit Jahren Staatsanleihen und somit kann vom japanische Staat keine hohen Zinsen erpresst werden – ohne jeglichen erkennbaren Einfluss auf die Preisstabilität und den Wechselkurs. Wenn EU-Staaten mit hohen Außenhandelsdefizit dem Finanzmarkt überlassen werden, um dort gewaltige Umverteilungen vorzunehmen - warum sollte das nicht auch in Italien, Frankreich und schließlich auch Deutschland geschehen?

  • W
    WaltaKa

    Zitat: "Es ist also ein reiner Marketinggag, wenn S&P jetzt wuchtig die Euroländer verwarnt. Die Ratingagentur will nur zeigen, dass sie wichtig ist". Die 1. Warnung der Rating-Agenturen erfolgte schon vor langem, wir könnten uns erinnern. Frau Herrmann könnte uns zumindest mal erläutern, welche Konsequenzen dieser "Marketinggag" im Fall des Falles für Deutschland und die €EU hat. Sie disqualifiziert sich, die Frau Herrmann. Jedesmal aufs Neue.

  • TM
    Tim Martens

    Rating Agenturen lesen eben NICHT NUR Zeitungen. Sie unterschätzen die Instrumente dieser Agenturen oder glauben Sie wirklich, dass die Ratings so entstehen? Deutschland konnte sich vor einigen Wochen noch für einen Zins, der niedriger ist als die Inflation, Geld leihen. Was die meisten Leute nicht verstehen ist, dass das Rating einfach eine Einschätzung eines Unternehmens ist, nicht mehr und nicht weniger. Es spricht doch auch keiner davon, dass die Macht der Zeitungen gebrochen werden soll. Allein Japan ist doch ein gutes Beispiel dafür, dass der Markt eben nicht blind nach Ratings agiert. Und bitte erklären Sie mir was S&P anderes machen soll als ihr Tagesgeschäft? Sollen sie niemand abraten dann wäre wohl die ganze Sache etwas überflüssig? Ich würde mich über eine Antwort der Autorin freuen.

  • C
    Celsus

    Na klar. Schon längst haben die großen Investoren mal wieder ihre Schlussfolgerungen gezogen, bevor mal die Masse des Wahlvolkes über eine Ratingagentur erfährt, was denn da Sache ist. In Frankreich war es ja schon genau so. Und ein angeblicher Schaden konnte nicht eintreten, da die Reaktionen auf den Finanzmärkten auch in dem Fall schon längst da waren: Frankreich zahlte schon höhere Zinsen.

     

    Was bleibt ist, dass die Politiker mal wieder empört sein können, dass das Wahlvolk die Wahrheit erfährt, die ihren Prozenten schaden. Nur die angeblich zu ziehenden Weisheiten sind falsch. Mit Sparen kann das nicht mehr in den Griff bekommen werden. Und jetzt schauen die Politiker in die Militärhistorie und wollen, wie ich wörtlich hörte, eine Basuka für die Finanzmärkte.

     

    Die Politiker sollten mal in die Wirtschaftsgeschichte schauen und Steuererhöhungen planen. Das haben die USA in der historischen Finanzkrise erst nach Massenprtesten endlich gemacht und dann waren schon Steuern bis zu 70 % erforderlich gewesen. Dadurch wurde damals die Krise überwunden. Das ist den heute großen Parteien aber zu riskant, weil sie um ihre besten Spender fürchten müssen. Frei nach Adam Smith: Wird es der Egoismus der einzelnen wirklich mal wieder am Ende richten?

  • UD
    und dann noch dies

    Die Ratingagenturen messen die Temperatur, halten aber ihr Fieberthermometer zwischendurch über's Feuerzeug:

     

    SZ am 02.11.2011: Es gibt ja auch Stimmen, die hinter der Krise eine Art Wirtschaftskrieg vermuten, etwa zwischen den USA und Europa. Was halten Sie von solchen Behauptungen?

     

    Norbert Walter: Derzeit sieht es so aus, als ob das nicht mehr nur eine konspirative Hypothese ist. Einiges deutet darauf hin, dass das nicht völlig aus der Luft gegriffen ist. Die USA stehen vor entscheidenden Wahlen und sind deshalb wohl bereit, auch eine Rufschädigung für Europa in Kauf zu nehmen. Ich sehe sogar Nobelpreisträger der Ökonomie, die sich an solchen Aktivitäten beteiligen. An sich halte ich solche Verdächtigungen allerdings für übertrieben: Den Amerikanern hilft es nicht, wenn es den Europäern schlecht geht, umgekehrt auch nicht. Das wäre so kindisch und unreif, dass es mich graust.

     

    ...und CDU-Fraktionsvize Fuchs heute bei WELT online:

     

    „Ich gehe davon aus, dass hinter dieser Entscheidung von S&P ein politisches Kalkül steckt“, sagte CDU-Fraktionsvize Fuchs "Welt Online“. Er habe das Gefühl, die USA wollten vor allem von ihren eigenen Problemen ablenken, die viel größer seien als die europäischen: „Die Neuverschuldung der USA ist höher als die der gesamten Euro-Zone zusammen“

     

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  • P
    pekerst

    "Standard & Poors" - Der Verein trägt offensichtlich im zweiten Namen einen Genitiv mit sich herum: "Poor's". Dafür müsste es bei der taz doch auch reichen, oder? Dafür dürfte Frau Herrmann bitte mal erklären, woher diese Agenturen ihre Macht nehmen und wer sie für ihren Zirkus bezahlt. Und warum.