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Ich muss da zustimmen, leider gibt es in der radikalen Linken zu wenig strategisches Bewußtsein darüber, was sich erreichen läßt, was eine Verfahrenslösung aussieht, über die sich die eigenen Ansätze demokratisch legitmieren und was einen politischen Erfolg darstellt und was nicht.
Nach Bloch's "Prinzip Hoffnung" liegt revolutionäres Handeln (gerade in einer Demokratie) im "gleichzeitigen Handeln" angesichts der "Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen". In der zeitgenössischen Gesellschaft heißt das z.B. dass einerseits gerade die sog. Homoehe eingeführt wurde, aber andererseits die Bundesregierung und die EU in der Öffentlichkeit nicht näher benannte "Lager" für Flüchtende im Halbkreis aus Quasi-Diktaturen und Bürgerkriegsstaaten rund um das Mittelmeer finanzieren.
"Gleichzeitiges Handeln" ist aus der Hoffnung heraus motiviert (nicht aus dem Glauben) und besteht darin, in dieser Lage das Möglichste zu erreichen (ohne das Erreichte wieder preisgeben). Im Erkennen und Umsetzen dieses Möglichen besteht das Revolutionäre, nicht im Pathos des Neuanfangs.
Ich denke, so hat auch der Kultursenator Klaus Lederer (Linke) schon gehandelt, aber wenn die Besetzer die durch den zivilen Ungehorsam erreichte Position und den damit verbundenen Dialog noch nicht mal als Erreichtes wahrzunehmen wissen und das Vermittlungsangebot Lederers als gleichzeitiges linkes Handeln gar nicht zu schätzen wissen, dann ist das ein "Prinzip Hoffnungslosigkeit", das am Wirken ist.
Den "No-Hope-No-Future"-Punk sollte mensch nicht zu ernst nehmen (ich steh da ja auch drauf), sonst bräuchte es auch gar keinen zivilen Aktivismus und politische Apathie wäre im Prinzip mindestens genausogut, wenn nicht gar besser als sich noch irgendwie zu engagieren.
Dann erschöpfen sich sie eigenen Anstrengungen in konsequenzenfreier Revolte, die höchstens noch eine symbolische Funktion haben, um im erstarrten revolutionären Gestus wenigstens noch zur eigenen Identitätsbildung - als besonders radikal - beizutragen.
Nun, ich schlage einfach mal vor die Besetzer ziehen in die Rudi Dutschke Straße und besetzen da mal einen Neubau... sicher ein sehr inspirierendes Theaterstück.
Ich habe im Radio einen der Besetzer sagen hören, das Angebot, bestimmte Räume nutzen zu dürfen, sei vergleichbar mit dem Angebot Nixons, den Indianern Wüste zurückzugeben.
Jetzt muss ich mir Ersatz für den zerstörten "Aus"-Knopf meines Radios beschaffen...
Dada lebt!
...
die besetzung war grandioser input, verbindet kunst mit politik und leben.
ich wünsche und hoffe, dass sich solches wiederholt.
Es greift um sich:
Demnächst könnte noch die Augsburger Puppenkiste besetzt werden.
Sehr geehrter Herr Asmuth, dies ist der vollkommen falsche Ansatz. Es steht den Besetzern vollkommen frei, sich irgendeine Mehrzweckhalle anzumieten und dort ihre Show abzuziehen. Wenn die Leute ein Forum brachen, müssen sie sich ein eigenes schaffen.
Die eigenständige Inbesitznahme von öffentlichem Eigentum sollte in keiner Weise goutiert und durch Angebote belohnt werden. Hier wurde auf Staatskosten eine riesige Party gefeiert.
nach wie vor steht die frage im raum ob decron und lederer die volksbühne räumen ließen bevor, daß angebot "nutzung des grünen salons" von den künstlern beantwortet wurde. die künstler berichten, daß das sie sich bis heute bedenkzeit für ihre antwort erbeten haben und diese antwort noch ausstand. wenn dem so ist, wurde mit der räumung die friedenspflicht, die bis zur antwort auf das angebot selbstverständlich war, gebrochen. schade! ein offener, solidarischer umgang mit dieser künstlerischen protestform hätte ihnen besser zu gesicht gestanden, herr lederer und herr decron. und es hätte ihnen großen respekt bei den kulturschaffenden und den kulturinteressierten in der stadt und darüber hinaus eingebracht. theater räumen ist provinz und altbacken. berlin und somit kunstoffenheit, dialog bereite metropole geht anders
Woraus ergibt sich, dass das Angebot unbefristet war? Wenn es eine Bitte um Bedenkzeit gegeben haben sollte, so ist diese offensichtlich nicht bestätigt worden. Ergo keine Friedenspflicht.
Ein solidarischer Umgang mit Besetzern? Künstlerische Protestform?
Das Krasse ist ja, die "Volksbühnenbesetzung" war eine volksfestartige Veranstaltung von Theaterfreunden in den Foyers der Volksbühne. Ganz anders Klientel als z.B. Hauptmannschule-Aktivisten oder Linksanarchos.
Man bekommt irgendwie immer das Gegenteil als man gewählt hat.
Tja, die Bayern kommen ja nun nicht. Da kann R2G sein wahres Gesicht zeigen.
Eine Diskussion über ein Paritätsgesetz im Bundestag ist jetzt genau richtig. Denn zukünftig könnte der Bundestag noch männerdominierter sein.
Kommentar Räumung der Volksbühne: Ein einmaliges Experiment
Es war das Theater-Event des Jahres: die Besetzung der Volksbühne. Schade, dass sich die Berliner Politik keine Mühe machte, es zu verstehen.
Eine Woche Volksbühnen-Kommune geht zuende Foto: dpa
Nur mal angenommen, Berlin hätte einen Regierenden Bürgermeister, der sich für die Hauptstadt in seiner ganzen Breite interessieren würde. Nur mal angenommen, die Volksbühne in Berlin hätte einen Intendanten, der ein Gespür dafür hätte, was Theater alles sein kann. Dann, ja dann hätten alle in der rot-rot-grün regierten Stadt den roten Teppich vor dem Theater am Rosa-Luxemburg-Platz ausgerollt, um die Besetzer freudig zu begrüßen. Stattdessen stand dort am Donnerstag die Polizei vor der Tür.
Was für eine Farce. Und was für ein Verlust für Berlin. Denn das, was die Besetzer in wenigen Tagen auf die Beine gestellt haben, war ohne Zweifel das Theaterevent des Jahres. Gemessen an den klassischen Maßstäben des Feuilletons war der kulturelle Output gering. Doch der Hauptact war das Plenum, bei dem täglich Hunderte mit aller Leidenschaft um die Zukunft dieses Theater gerungen haben. Und um die der Stadt. Ein einmaliges Experiment, bei dem man tief in der Nacht erleben konnte, wie ein Kultursenator die Fassung verliert, an dem man anderntags einen Mitarbeiter der Bühne, der sich als Proletarier vorstellt, mit den Besetzern anlegt, die sich auch selbst infrage stellten. Immer wieder aufs Neue.
Trotz aller Gegensätze bildetet all dies ein einzigartiges Miteinander. Eine soziale Plastik, die Beuys, Brecht und Schlingensief beglückt hätte. Hier ging es nicht nur um die Bretter, die die Welt bedeuten, sondern darum, die Welt tatsächlich zu verändern. Ein Geschenk an die Stadt, die nichts nötiger hat als einen offenen Streitraum. Einen Ort, wo sich die Menschen einbringen. Selbst ermächtigen.
Gescheitert ist diese Kulturavantgarde in erster Linie an der politischen Regie. Der rot-rot-grüne Senat hat sich zu zwei Dritteln nicht mal die Mühe gemacht, das Experiment verstehen zu wollen. Nur Kultursenator Klaus Lederer (Linke) hat sich auf Gespräche eingelassen, saß aber von Beginn an zwischen allen Stühlen. Dass die Besetzer dann in kompletter Selbstüberschätzung das Angebot verstreichen ließen, immerhin Teile des Hauses nutzen zu können, gab dem Experiment dann den Rest.
Bald wird es wieder das übliche Theater geben in der Volksbühne. Mit Glück wird sich mal ein revolutionärer Gedanke in eine Inszenierung schleichen. Und das geneigte Hauptstadtpublikum wird dazu mit den Juwelen klimpern.
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Kommentar von
Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters
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