Kommentar Prozess gegen Pfarrer König: Der Stellvertreter vor Gericht
Dem Jenaer Jugendpfarrer Lothar König droht eine harte Strafe wegen Aufrufs zu Gewalt. Dabei liegt nichts Konkretes gegen ihn vor.
E s sei besser, wenn „ein Mann stürbe für das Volk“, rät nach der biblischen Leidensgeschichte der Hohepriester Kajaphas dem Rat und den Ältesten. Nach diesem Stellvertreter- oder Sündenbockmuster geht offenbar auch die Dresdner Staatsanwaltschaft vor. In der Verfolgung der verurteilenswerten Ausschreitungen am Rande der Dresdner Demonstrationen und Blockadeversuche gegen den Nazi-Aufmarsch vom 19. Februar 2011 hat man bislang lediglich zwei Gewalttäter überführen können. Sie kamen mit Bewährungsstrafen davon, zuletzt im März ein Rechter mit 20 Monaten.
Viel härter soll es hingegen vermeintliche Rädelsführer treffen, die weder Steine geworfen, Barrikaden angezündet noch Polizisten angegriffen haben. „Was andere getan haben, müssen sie sich mit anrechnen lassen“, offenbarte Amtsrichter Hlavka sein Rechtsverständnis und verurteilte den Berliner Tim H. in erster Instanz zu 22 Monaten Freiheitsentzug.
Eine weit höhere Strafe droht im am Donnerstag ebenfalls //www.taz.de/Stadtjugendpfarrer-als-Staatsfeind/!112920/:am Dresdner Amtsgericht beginnenden Prozess dem Jenaer Jugendpfarrer Lothar König. Auch ihm wirft die Anklageschrift keine konkreten Übergriffe vor. Er war halt im Getümmel mit seinen Jenaer Jugendlichen dabei, stellte seinen Lautsprecherwagen möglicherweise für zweifelhafte Aufrufe zur Verfügung, beschallte – auch nach über 40 Jahren noch ein Verbrechen gegen die Ordnung – die Szene mit den Rolling Stones.
ist Korrespondent der taz in Dresden.
Das reicht, um ein Exempel zu statuieren. An der Person König sowieso, die schon in der DDR gestört hatte. Vor allem aber, um für das von Nazis missbrauchte Dresden-Gedenken und die damit herausgeforderten Proteste eine abschreckende Wirkung in Richtung Links zu erzielen. Richter Hlavka bekannte sich im Tim-Urteil dazu. Eine Abschreckung, derer es nach den friedlich verlaufenen letzten beiden Jahren im Dresdner Februar gar nicht mehr bedürfte. Nicht zuletzt hat auch eine neue deeskalierende Polizeistrategie zu diesem gemeinsamen Erfolg aller Demokraten beigetragen.
Streng genommen agierte dabei auch die Polizei in einer verfassungsrechtlichen Grauzone, weil sie das Demonstrationsrecht der Nazis nicht mit allen Mitteln durchsetzte. So wie König und die versuchten Blockierer, die nicht wollten, dass die Braunen marschieren. Sollte sich der originelle Pfarrer dabei tatsächlich am Rande der Legalität bewegt haben, so sind die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft mindestens unverhältnismäßig.
Rund 2.600 Unterzeichner einer Solidaritätserklärung sehen das nicht anders. Wo der Prozess nun einmal unvermeidlich ist, kann er aber auch zu einer Klärung beitragen. Lothar König sieht es selbst so, will nun wissen, wie unbequem man in diesem Land noch sein und wie weit man sich gegen Rechts exponieren darf. Mit Spannung wird deshalb seine Erklärung zum Prozessauftakt erwartet.
Eine abschreckende Wirkung könnte das Verfahren gegen den Pfarrer anders als in die geplante Richtung entfalten, wenn es bei einer Instanz außerhalb Sachsens landet. Das ist nach bisherigen Anklagen und Urteilen in Sachsen gerade im Zusammenhang mit den Februar-Demonstrationen nicht auszuschließen. Der auffällige Verfolgungseifer der Dresdner Justizbehörden, den man sich bei Urteilen gegen die Skinheads Sächsische Schweiz oder Sturm 34 ebenso gewünscht hätte, könnte dann nämlich gezügelt werden.
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