Kommentar Prozess gegen „El Chapo“: Ein Schritt gegen die Straflosigkeit
Um den Mafiaterror zu beenden, sind andere Dinge nötig als ein Prozess. So müssten die USA ihre Drogenpolitik ändern. Trotzdem bietet er auch Chancen.
Wenige Tage bevor am Montag in New York der Prozess gegen den mexikanischen Mafiaboss Joaquín „El Chapo“ Guzmán beginnt, zog die US-Antidrogenbehörde DEA ein aktuelles Resümee. Das Sinaloa-Kartell Guzmáns sei weiter expandiert, heißt es in dem Bericht. Insgesamt seien die kriminellen Organisationen des Nachbarlandes die größte Bedrohung für die USA in Sachen Drogen. 91 Prozent des in den Staaten konsumierten Heroins stammten von dort. 2017 sei die Opiumproduktion in Mexiko im Vergleich zum Vorjahr um 38 Prozent gestiegen.
Natürlich war nie zu erwarten, dass die Verhaftung des größten mexikanischen Capos sowie einiger seiner Konkurrenten das Drogengeschäft eindämmen würde. Die Kartelle sind international organisierte Unternehmen, jeder ist ersetzbar.
Um dem Terror der Mafia ein Ende zu bereiten, sind ganz andere Maßnahmen nötig: Die USA müsste ihre Drogenpolitik ändern, mexikanische Jugendliche bräuchten ökonomische und kulturelle Alternativen zum Söldnertum im Sinaloa-, Juárez oder Jalisco-Kartell, und die Korruption müsste bekämpft werden.
Trotzdem bietet der Prozess auch Chancen. Er könnte ein kleiner Schritt zur Überwindung der Straflosigkeit sein. Der Mann, dem zahlreiche Bücher und auch eine Netflix-Serie gewidmet sind, ist ein Massenmörder. Auf das Konto seiner Organisation gehen Tausende Todesopfer. Viele von ihnen hatten nichts mit den Kriminellen zu tun, und deren Angehörige kämpfen seit Jahren für die Aufklärung der Verbrechen.
Das Verfahren kann aber auch dazu beitragen, die Struktur aufzudecken, ohne die das Erpressen, Morden und Verschwindenlassen gar nicht möglich wäre. Kaum einer kann so viele Informationen über die Zusammenarbeit der Mafia mit korrupten Gouverneuren, hohen Militärs und kriminellen DEA-Beamte preisgeben wie Guzmán. Bislang hat er laut offiziellen Angaben geschwiegen. Nun liegt es an dem Gericht, „El Chapo“ zum Reden zu bringen – auch wenn die Hintermänner alles dafür tun werden, das zu verhindern.
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