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Kommentar Protest NSA-AffäreDer große Missbrauch fehlt noch

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Massen gehen nicht gegen die NSA-Abhöraffäre auf die Straße. Es war eben doch nicht der „Tschernobyl-Moment“, der eine Massenbewegung schafft.

Was für breite Empörung fehlt, ist ein offensichtlicher Missbrauch der Daten: Demo in Hannover Bild: dpa

I n rund 40 Städten Deutschlands wurde am Wochenende gegen die NSA-Überwachung demonstriert. Das ist beeindruckend. Doch insgesamt nahmen nur etwa 10.000 Menschen an den Protesten teil. Das ist weniger fulminant. Und daran ist nicht nur die Hitze schuld.

Viele Menschen finden die Vorstellung gruselig, dass in den USA zumindest die Verbindungsdaten deutscher Telekommunikation jahrelang gespeichert und ausgewertet werden, ebenso dass der Geheimdienst NSA recht freien Zugriff zu unsere Daten bei Facebook, Google und Amazon hat. Konservative stören sich zudem an der Verletzung der deutschen Souveränität und der peinlich-hilflosen Rolle der Bundesregierung. Deshalb ist die NSA-Überwachung zu Recht ein Wahlkampfthema.

Dennoch gehen die Leute nicht massenhaft auf die Straße. Die Enthüllung der NSA-Programme war eben doch noch nicht der „Tschernobyl-Moment“, der eine Massenbewegung schafft. Wir wissen nun zwar um ein Risiko und befürchten das Schlimmste, doch das Risiko hat sich in voller Schärfe noch nicht realisiert.

Was für breite Empörung fehlt, ist ein offensichtlicher Missbrauch der Daten oder manifeste Folgen für Unschuldige. So wäre es sicher ein Megaskandal, wenn die NSA oder deutsche Partner beim Eingriff in die deutsche Innenpolitik erwischt würden, etwa indem sie Trolle in die Piratenpartei einschleust, um dort Zwietracht zu säen. Ein Riesenskandal wäre wohl auch, wenn harmlose Menschen verhaftet werden, nur weil die NSA-Computer deren Harmlosigkeit als besonders raffinierte Tarnung interpretieren.

Dass die US-Datensammlung schon an sich völlig unverhältnismäßig ist – auch zur Terrorabwehr –, genügt aber wohl noch nicht für eine Massenbewegung. Das ist die Erkenntnis des Wochenendes.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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20 Kommentare

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  • AU
    Andreas Urstadt

    Bei SPD u Gruenen faellt bei deren Facebook u Twitteraccounts auf: Merkel ist schuldig - Obama wird auf Facebook immer noch geliked und wird immer noch auf Twitter gefollowed.

     

     

     

    Ich kann nur sagen: da fehlt s gewaltig.

     

     

     

    Auffaellig schon: Al Gore, Michael Moore, Jimmy Carter, Oliver Stone etc die klare Worte fanden werden ganz ignoriert. Auch nicht geliked, nicht auf Twitter gefollowed (was nur beim twitterlosen Jimmy Carter nicht geht).

     

     

     

    Ich moechte keine Parteifahnen neben mir sehen, die Snowden kein Aufenthaltsrecht geben aber Merkel als Schuldige entlarven. Ich habe fuer das, was die Deutschen aus allem machen keine Zeit. Buergerbeteiligung in der Enquete im Bundestag war moeglich, das Interesse da schon gering.

     

     

     

    Ich kann den Deutschen nicht folgen. Tut mir Leid.

  • F
    ForafreeNeuland

    Ich stand 2 Stunden draußen bei ner Demo am Samstag, es waren garnicht so wenige. Es war wettertechnisch erträglich und nachmittags war auch noch Zeit fürs Freibad. Meine Güte, Leute. Wir kennen die Geschichte, sowohl Diktatur als auch Überwachungsstaat, aus unserem eigenen Land. Wir sind aufgeklärt und informiert, wir sollten alle auf die Straße. Bei der WM 2006 standen die Leute auch in der brütenden Hitze im Public Viewing, für Fußball ging das auch. Und da ging es vergleichsweise um nichts... Für Menschenrechte und Privatsphäre kann man doch ruhig mal die eine oder andere Schweißperle abwischen. Eine großangelegte Demo findet am 7.9. in Berlin statt. Potsdamer Platz, 13 Uhr, "Freiheit statt Angst". http://blog.freiheitstattangst.de/ Würde mich freuen, wenn wir gemeinsam alle nach Berlin fahren. Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!

  • AU
    Andreas Urstadt

    Der Bundestag hat sich eingehend laengst mit der Thematik befasst. Unkenntnis ist nicht vorhanden. Den Medien war das Thema so langweilig, dass es bis heute ignoriert wurde.

     

     

     

    Hier geht s zur Enquete des Bundestages inkl Zwischenbericht, vorgestellt im Bundestag am 24. Juni 2013. War ja auch ganz unwichtig:

     

     

     

    http://www.bundestag.de/internetenquete/Online-Buergerbeteiligung_Uebersicht/index.jsp

     

     

     

    http://dipbt.bundestag.de/dip/btd/17/089/1708999.pdf

     

     

     

    Beteiligen kann man sich noch mit eigenen Vorschlaegen dazu in den Nachhaltigkeitsstrategien der Laender.

     

     

     

    Die Demos haetten vor der US Botschaft gefuehrt werden muessen, nicht gegen die falschen Adressen.

     

     

     

    (bei der Registrierung werden hier nur Kaesten angezeigt, nicht was wo rein soll)

  • D
    Doris

    Christoph Sieber war kürzlich zu Gast bei Michel von Tell .

     

    Der hatte da einige interessante Ansichten dazu.

  • Derweil müsste Bundesinnenminsitger Friedrich bereits genauere Angaben haben. Da sagt er tausende Amerikaner, die in Deutschland für die NSA spionierten, seien eine Fehlvorstellung. Welche Zahlen kann er denn der Öffentlichkeit bekannt geben und hat er wirklich die behaupteten Erkenntnissse? Hier ein Link dazu:

     

     

     

    http://www.heise.de/newsticker/meldung/Friedrich-Ausmass-der-NSA-Spaehaffaere-wird-uebertrieben-1925560.html

  • W
    wolfgm

    Demonstrieren allein nützt wohl nichts.Wenn man eine Anzeige erstellen will per Rechtsanwalt der es offenbar gut meint,weist er darauf hin .Das man mit von den Sozialpsychologischen Diensten eine Aufforderung zum Gespräch bekommt,aber mindestens Eintrag als Querulant zu rechnen hat.Ich möchte eine Anzeige erstellen und zwar wegen Hoch und Landesverrat und Bildung einer kriminellen Vereinigung zwecks Kriegsführung zur Sicherung von Vorkommen von Bodenschätzen in nicht zur europäischen Gemeinschaft gehörenden Länder.Zum Nachteil der nicht verbeamtenen Bevölkerung.Was ich möchte ist ein Anwalt der sich damit auskennt und im Raum Lüneburg praktiziert.Rechschutzversicherung ist vorhanden.

  • S
    Sea

    Wenn die Politiker uns wie gewohnt belügen und wenn selbst die TAZ (regional wie überregional) nichts weiter tut, als dieses wichtige Thema kleinzureden und von oben herab zu belächeln; sich die einzig fundierten Artikel und Kommentare zu dem Thema in privaten Blogs finden... wie soll die breite Masse der Lemminge da schon erkennen, welches Gefahrenpotential in der US-UK-FRG Totalüberwachung steckt?

  • B
    banshee

    ich denke dafür ist es schlicht noch zu früh. Viele haben noch gar nicht begriffen, was dies bedeutet auch die TAZ nicht immerhin fehlt der Name Microsoft in der Aufzählung und beschränkt sich der Zugriff der NSA "nur" auf Online verfügbare Daten oder sind auch andere Produkte entsprechend präpariert. Gibt es den NSA Trojaner vielleicht schon gratis mit Windows oder MAC OS dazu. Beschränkt sich das Ganze nur auf Softwarehersteller oder sind da auch die großen Hardware und Chip Produzenten mit im Boot.

     

    Sorry auch ich mag das nicht zu Ende denken man könnte sonst paranoid werden.

  • Wenn so lauwarm über das Thema berichtet wird wie hier, fördert das auch nicht gerade das Engagement.

     

    Dass nur Verbindungsdaten abgegriffen werden ist eine Verharmlosung, die man nicht so recht nachvollziehen kann, die aber die Pofallas und Friedrichs gerne nutzen. Wer weiß das? Wer glaubt das wirklich? Die Software ist in der Lage Klartext zu speichern. Die NSA und der britische Dienst sind doch nicht Facebook, und wollen nur statistische Daten sammeln. Natürlich können die nicht 500 Millionen Mails im Monat lesen, aber wenn ein paar Kriterien zusammen kommen tun sie es natürlich.

  • H
    Hans

    Sorry, their just cattle.

     

    Warum wählen sie sonst Mutti oder die Verräterpartei? Sagen, dass es uns ja noch gut geht in Deutschland und sonst auch alles toll ist, während sie mit mit ihren Smartphones ihre Bewegungsmuster preisgeben und ihre Intimitäten auf Facebook posten. Und am Ende wundern Sie sich wieder...

     

    https://www.youtube.com/watch?v=iHlzsURb0WI

     

    (und ihr wisst, dass wenn ihr dem Link folgt, ihr euch verdächtig macht, für den einen oder anderen Suchalgorythmus)

  • Die Ankündigungen waren zu wenig verbreitet und die Organisatoren nicht zahlreich genug. Wenn dann der einfache Bürger dasteht und sagt „ich hab eh nicht zu verbergen“, hat mann noch ein zusätzliches Problem, das wohl am schwersten zu beheben ist. Obwohl ich mich eigentlich gut informiere, habe ich von den Demos erst am Ende mitbekommen. Wenn ich davon gewußt hätte, wäre ich hingegangen.

    • H
      Hans
      @Veränderung:

      Stimmt leider. Als Teilnehmer empfehle eine Infoquellenerweiterung:

       

      http://blog.fefe.de/

  • S
    Skalli

    Exakt, bei fast 40 Grad tue ich mir keine Demo an. Vor allem nicht, wenn irgendwelche Nullen am Pult stehen und 0-8-15-Kommentare von sich geben.

     

     

     

    Was wir brauchen, sind junge Leute. Leute, die mit dem Internet aufgewachsen sind, welche andere junge Leute erreichen, keinen Schnickschnack erzählen, sondern klar und deutlich vermitteln, worum es geht. Um Grundrechte.

     

     

     

    Ich war auch nicht bei der Demo. An so einem Tag sitze ich im Park und genieße die Sonne.

     

     

     

    Habt ihr auf der Straße einmal Leute über PRISM reden hören? Ich noch nicht ein einziges Mal (Großstadt, München).

    • H
      Hans
      @Skalli:

      Schade. Aber seien sie versichert, wenn man Sie aufgrund algorythmischer Anschuldigungen morgens um 6 Uhr aus dem Bett zerrt und nach Rumänien in den CIA-Folterknast steckt, ist es sicher nicht so warm.

       

       

       

      Es stimmt aber, dass die Öffentlichkeit wirklich leider noch nicht in der Gegenwart angekommen ist. Thema Netzpolitik und Grundrechte geht den meisten Bürgern doch eh am iPhone vorbei. Die meisten werden auch in der nächsten Diktatur mitlaufen und sicher vor Übergriffen des Regimes sein, das diese Daten erbt. Wehret den Anfängen.

  • AN
    Arno Nühm

    10.000 "Paranoide" (nach SPD-Bananen-Otto) ist unter sommerlichen Bedingungen eine erste Marke, die man sicher steigern kann. Wenn alle aus dem Urlaub zurück sind, wenn die Hitze nach lässt, wenn die Demo-Ankündigungen breit und rechtzeitig veröffentlicht werden. Vorschnelle Fehlschlüsse nützen da erstmal gar nichts, denn das Thema berührt unser grundlegendes Freiheits- und Souveränitätsverständnis als demokratische Nation.

     

    Die langjährige, wie selbstverständlich verkaufte NSA-Spitzelei in Kooperation mit BND und anderen Geheimdiensten ist für jeden eine Aufforderung zur Emanzipation vom Nachkriegskoloniemodell der USA. Parteien, die sich nicht oder halbherzig auf die Seite der Bürger stellen, gelten als unwählbar, denn sie sind von den USA gekauft, ganz klar.

  • G
    gds

    Revolution oder eben Demo fällt wegen Temperatur aus. Das ist der Spruch von Lenin mit der Bahnsteigkarte. Es war nicht zu warm gewesen. Und Ankündigungen gab es u.a. in taz, ND und Internet eigentlich auch jede Menge. Und ausführlich.

     

     

     

    Vielleicht trägt einfach die jahrzehntelange perfekte Gehirnwäsche ihre Früchte.

     

     

     

    Die Wohnung ist noch unverletzbar. Email und Telefon nicht mehr. Es ist ungeheuerlich, aber akzeptiert. Dann soll es so sein, und die Kanzlerin bleibt im Amt.

  • Entscheidend ist nicht, wie viele Leute auf den Demos waren (oder bei besserem Wetter oder besserer Bewerbung hingegangen wären). Entscheidend ist, dass wir es schaffen, über Jahre hinweg in kontinuierlich steigendem Umfang die Bevölkerung im Umgang mit Kryptografie zu schulen. Wer erst mal in seinem Alltag sensible Daten verschlüsselt, der dürfte automatisch (und dauerhaft) politisch sensibilisiert sein.

     

     

     

    Die taz könnte ja einfach mal ein halbes Jahr lang dazu aufrufen, die Cryptoparty-Szene organisatorisch oder mit Räumlichkeiten zu unterstützen. Von fünf Leuten in Berlin wäre es ein bisschen viel verlangt, so ein Problem alleine zu lösen.

     

     

     

    www.crypto-fuer-alle.de

  • K
    klaus

    Manchmal liegts aber einfach daran, daß Demos zu wenig angekündigt werden.

     

    Entweder glauben die Veranstalter, alle müßten auf Facebook erreicht werden können.

     

    Gerade die Generation Facebook ist aber zumindest in Deutschland gar nicht so gerne politisch aktiv auf der Straße.

     

    Da wäre eine deutlichere Ankündigung in der Tageszeitung (z.B. TAZ) wünschenswert.

     

    Wenn ich es gewußt hätte, wäre ich gerne hingegangen.

  • R
    Random

    Vielleicht aber zeigt sich hier auch nur die Schichtung in Deutschland. Mal abgesehen vom demografischen Wandel, Leute die nicht interessiert, informiert oder gebildet genug sind sich dem Thema überhaupt anzunehmen und den Leuten die krank Zuhause waren, spielt sicherlich auch eine große Ohnmacht der Bevölkerung eine Rolle, warum lediglich ca. 0,01 % der Bevölkerung überhaupt demonstriert hat. Wissen wissen die Menschen in Deutschland instinktiv, dass Proteste und Mehrheiten so gut wie gar nichts in unserer Demokratie ausrichten. Und vielleicht wissen sie auch instinkiv, dass die amtierenden Politiker sowieso kein Interesse daran haben, den Willen des Volkes umzusetzen.

  • G
    garz

    Es war einfach zu warm gewesen um mehrere Stunden draussen zu stehen