Kommentar Portugal: Riskanter Absprung
Portugal stabilisiert sich, verlässt den europäischen Rettungsschirm. Das klingt gut, doch die Erholung steht auf wackeligen Beinen.
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E ndlich kommen wieder gute Nachrichten aus Brüssel. Nach Irland und Spanien will nun auch Portugal den Euro-Rettungsschirm verlassen. Die Eurokrise ist vorbei, wir können wieder auf eigenen Beinen stehen, singen die drei ehemaligen Krisenländer wie im Chor. Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein.
Und tatsächlich: Vorsicht ist geboten. Zum einen hängen immer noch zwei Länder – Griechenland und Zypern – am Tropf der Geberländer. Wie es mit ihnen weitergeht, wollen die Euroretter erst nach der Europawahl entscheiden. Offenbar möchte man die Bürger nicht mit schlechten Nachrichten aufschrecken. Zum anderen steht die Erholung in Portugal auf wackeligen Füßen. Schon vor Beginn der Krise war das chronisch schwache Wachstum das Hauptproblem des ärmsten Landes in Westeuropa. Ob die harten Strukturreformen wirklich geholfen haben, wird sich erst in einigen Monaten zeigen.
Befeuert wird die Erholung derzeit durch extrem niedrige Zinsen an den Anleihemärkten. Anleger und Spekulanten wiederholen offenbar genau denselben Fehler, den sie vor Beginn der Krise gemacht haben: Sie bewerten Staatsanleihen aus Portugal oder Griechenland schon wieder fast so gut wie jene aus Deutschland.
Doch das kann sich über Nacht ändern, genau wie die Wachstumsaussichten. Vor allem die Ukrainekrise und die drohende Sanktionsspirale könnten die Märkte aufschrecken. Deshalb hätte Portugal vor dem „clean exit“ aus dem Rettungsschirm besser noch ein neues Sicherheitsnetz gespannt. Ebendieses hatten OECD-Experten noch im März empfohlen. Deutschland und andere Geberländer waren dagegen. Finanzminister Schäuble sind gute Nachrichten vor der Europawahl offenbar wichtiger als eine nachhaltige Rettung. Das ist die schlechte Nachricht aus Brüssel.
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