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Kommentar Polizeigewalt IstanbulEin Opfer seiner selbst

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Der türkische Ministerpräsident geht massiv gegen Proteste vor. Damit wächst die Chance, dass seine Alleinherrschaft bald vorbei ist.

Auf vermeintliche Feinde hetzt Erdogan die Polizei. Wie hier in der Nacht zum Mittwoch in Istanbul. Bild: dpa

D er türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ist ein Opfer seiner eigenen Verschwörungstheorien geworden. Der Westen ist heuchlerisch, die Großbanken, die ihr Kapital aus der Türkei abziehen – wie aus vielen anderen Schwellenländern auch –, sind Teil einer jüdischen Verschwörung, und das Internationale Olympische Komitee, das Istanbul den Zuschlag für 2020 verweigerte, diskriminiert eine Milliarde Muslime.

Außenpolitisch isoliert wie nie in seiner zehnjährigen Amtszeit, sieht Erdogan im eigenen Land keine politischen Gegner mehr, sondern nur noch Freunde oder Feinde. Und mit Feinden, das hat Erdogan ja schon im Juni während der Gezi-Proteste gezeigt, spricht man nicht. Man hetzt die Polizei auf sie. Diese harte, autoritäre Linie setzt die türkische Regierung jetzt noch brachialer durch. Jedes Anzeichen von Protest soll durch massive Repression im Keim erstickt werden.

Demonstrationen, die den Anliegen der Regierung widersprechen, sind grundsätzlich verboten. Wer nicht gerade für den abgesetzten ägyptischen Bruder Mursi auf die Straßen gehen will, wird schon wie ein Terrorist behandelt, wenn er sich nur friedlich auf dem Taksimplatz niederläßt. Doch Erdogan sägt gerade den Ast ab, der ihn in den letzten zehn Jahren getragen hat.

Der Wirtschaftsaufschwung ist vorbei, und aus dem pragmatischen Regierungschef ist ein islamistischer Eiferer geworden. Damit wachsen die Chancen, dass die Alleinherrschaft der AKP nach den Wahlen im kommenden Jahr zu Ende gehen könnte. Wie der Aufstieg wird sich auch der Fall Erdogans in Istanbul entscheiden. Wenn seine Partei die Bürgermeisterwahl kommenden März verliert, wird das der Wendepunkt.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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3 Kommentare

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  • T
    Teetrinker

    Gut analysiert. Es kommt wirtschaftlich wahrscheinlich noch ganz digge. In der Türkei mag bei vielen der Unmut und die Angst herrschen das die AKP wieder gewählt wird, aber dieses wird zu 100 % nicht passieren. Noch keine Partei auf Erden, welches Auslöser für Unruhen im eigenem Land waren und auf deren Konto viel Tote gehen, wurde je wieder gewählt. Ich kenne im Moment wenig AKP Anhänger die das ganze nicht mehr kritisch betrachten.

  • N
    naja

    Das ist doch wieder typisch deutsche Medien.

    Der Autor/in dieses Artikels weis oder will es nicht wissen wie die "wirklichen" Zustände in der Türkei sit.

    Natürlich hat sich Erdogan mit sehr vielen Protestlern zusammengesetzt und ihre Anforderungen angehört. Das die Anforderungen lächerlich und überhaupt nicht beim Thema waren sei dahingestellt.

    Zwar geht es mit der Wirtschaft nicht so gut voran wie in den letzten Jahren, jedoch steht sie allemal besser da als beispielsweise viele andere EU-Staaten.

    Und das Erdogan keine Stimme eingebußt hat wird man ja bei den kommenden Wahlen sehen.

     

    Aber solche Informationen zu lesen wären ein Wunder in den Medien.

  • J
    Jo

    "FALLS ER VERLIERT"!!! Und das glaube ich nicht. Ich wohne in Istanbul schon seit drei Monaten und alle mit denen ich gesprochen habe gehen davon aus, dass Erdogan weiterhin an der Macht bleiben wird. Traurig aber sehr wahrscheinlich.