Kommentar Polizei in der Potse: Jugend stört die bürgerliche Ruhe

Ein Jugendzentrum feiert, da wird es laut. Mehr Krawall gibt es natürlich, wenn die Polizei vorbeikommt. Und die lässt sich nicht lange bitten.

Mehrere behelmte Polizisten

Polizeibeamte auf dem Weg in ein Jugendzentrum (Symbolbild) Foto: dpa

Samstagnacht beendete die Berliner Polizei vorzeitig das diesjährige Festival zum 46. Geburtstag der linken Jugendzentren Potse und Drugstore in Schöneberg – wegen einer Ruhestörung. Vertreter*innen der Clubs berichten, schockiert und entsetzt ob der Brutalität des Einsatzes, von massiver Gewalt, etlichen Verletzten und nicht nachvollziehbaren Festnahmen.

Anzeige erstattet hatte der neue Nachbar rent24, und da laut Einsatzleiter Ruhe­störung eine Ordnungswidrigkeit darstellt und somit Gefahr im Verzug bestanden habe, wurden umstandslos die Räume gestürmt.

Eine Deeskalation durch ehrenamtliche Jugendhelfer*innen sei laut SJZ Drugstore so nicht mehr möglich gewesen. Man hätte ihnen von Seiten der Polizei vorher zugesagt, das Anliegen wäre geklärt, wenn die Musik leiser gemacht würde, was wohl auch geschah. Dass es dennoch zum massiven Zugriff kam, irritiert die Beteiligten.

Die Beschreibung des Polizeieinsatzes durch die Vertreter*innen vom Potse Drugstore erinnert an die aktuelle Räumung des Hambacher Forsts oder den G20-Gipfel und an die diversen überdimensionierten Henkel’schen Großeinsätze im Friedrichshainer Nordkiez der letzten Jahre.

Sechs Mannschaftswagen der 13. Einsatzhundertschaft, sechs Streifenwagen und ein Einsatzleitwagen der Polizei samt Rammbock und Brecheisen rückten für die Räumung an. Das alles nur wegen einer Ruhestörung. Ob der Einsatz hätte vermieden werden können und in seiner Form auch nur entfernt verhältnismäßig war, wird unter anderem die Schöneberger Bezirksverordnetenversammlung beschäftigen.

Letztlich überrascht die Eskalation zwischen Potse und Drugstore und rent24 nicht sonderlich. Die angekündigte Entmietung zum Jahresende findet so nur ihr Vorspiel mit Polizeieinsatz. Nicht dass am Ende noch die halbe Stadt zu diesen unangenehmen, lauten, linksextremen, Auto anzündenden Kids hält, die eh gar kein Benehmen haben und nun aber mal ernsthaft stören im schönen Schöneberg. Da kommt das jährliche Festival zum Geburtstag des Jugendzentrums mit seiner Ruhestörung gerade recht. Endlich mal ein guter Grund für einen schönen großen Polizeieinsatz!

Das alles funktioniert so reibungslos in Zeiten, in denen der braune Mob durch nicht nur sächsische Straßen marodiert und Hetzjagden auf Migrant*innen veranstaltet. Die Prioritäten sind also gesetzt – auch in Berlin.

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Jahrgang 1984, Magistra Artium Kunstgeschichte/ Theaterwissenschaft, FU Berlin. In der taz seit 2011: Webentwicklung Abteilungsleiterin. Hauptthemen Subkultur und soziale/ politische Bewegungen in Berlin.

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