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Kommentar Polizei im Fall Anis AmriEigentümliche Untätigkeit

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Das Berliner LKA hat im Fall Amri getarnt, getrickst und getäuscht. Es bleiben Fragen über Fragen. Nun muss aufgeklärt werden.

Hat Strafanzeige gegen Beamte des Berliner Landeskriminalamtes erstattet: Innensenator Andreas Geisel Foto: dpa

W er bisher noch einen Zweifel daran hatte, dürfte spätestens jetzt überzeugt sein: Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz wäre verhinderbar gewesen – wenn die deutschen Behörden nur ordentlich ihre Arbeit getan hätten.

Stattdessen haben sie getarnt, getrickst und getäuscht, um ihre eigentümliche Untätigkeit zu vertuschen. Dass nun der Berliner Innensenator Andreas Geisel Strafanzeige gegen Beamte des Berliner Landeskriminalamtes wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt und Falschbeurkundung gestellt hat, ist zwar ein ungewöhnlicher, aber richtiger Schritt. Und ein dringend erforderliches Zeichen.

Ein halbes Jahr nach dem Anschlag sind die Fragen, wie es zu der schrecklichen Tat kommen konnte, bei der zwölf Menschen ihr Leben verloren und 67 verletzt wurden, größer und nicht kleiner geworden.

Wie war es möglich, dass jemand, der schon frühzeitig als islamistischer Gefährder auf dem Radar der Sicherheitsbehörden aufgetaucht ist, nicht aus dem Verkehr gezogen wurde, bevor es zu spät war? Die bisher gelieferten Antworten wirken allesamt nicht überzeugend. Waren es wirklich nur Schlampereien und Fehleinschätzungen?

Wenn sich tatsächlich – wie behauptet – die Gefährlichkeit von Amri nach monatelanger Observation nicht hat so einstufen lassen, dass nach dem polizeilichen Gefahrenabwehrrecht gegen ihn hätte vorgegangen werden können: Warum wurde dann nicht einfach nach dem „Al-Capone-Prinzip“ gehandelt?

Gefährliche Körperverletzung, besonders schwerer Diebstahl, Leistungsbetrug, Urkundenfälschung, unerlaubter Aufenthalt oder gewerbs- und bandenmäßiger Drogenhandel: Amri bot genug Gelegenheiten. Sie wurden allesamt nicht genutzt.

Warum nicht? Die Angehörigen der Opfer und die Öffentlichkeit haben einen Anspruch auf schonungslose Aufklärung. Alles andere zerstört das Vertrauen in die staatlichen Institutionen und den Rechtsstaat.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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6 Kommentare

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  • Die Behörden waren gewarnt, dass Amri Anschläge durchführen möchte.

     

    Mindestens waren der Bundesnachrichtendienst, der Verfassungsschutz, das BKA und zwei LKA im Bilde, das von NRW und das von Berlin.

     

    Amri ist in einem EU-Staat, nämlich Italien (und nicht nur in seiner Heimat Tunesien) rechtskräftig verurteilt. Auch diese Information liegt vor. Man hätte den Mann nicht nur verhaften können, man hätte es müssen. Was stand dagegen?

     

    Es gab dagegen eine Anweisung an die Polizei in NRW, Amri möglichst nicht zu kontrollieren. Vielleicht sollte man dieser Spur mal nachgehen:

    https://twitter.com/rbbabendschau/status/845364319726526464/video/1

  • cui bono? - wem nutzt das alles?

    a) gibt es in behörden wie dem LKA beamte, die eigene ziele verfolgen?

    b) hofft jemand oder hoffen "jemande", durch gezieltes wegg(d)ucken das "flüchtlingsproblem" im sinne ihrer finstren interessen hochzukochen? - vgl. Köln: Wer war backstage daran interessiert, dass es zu "Köln" kam?

    c) wieviele nicht von der sonne gebräunte netzwerker*Innen sind bei der Kripo, der Polizei, dem MAD, dem BVerf"Schutz", der Bundeswehr unterwegs, die gezielt oder bei passender gelegenheit alles daransetzen, das politische system der BRD schleichend zu verändern?

    d) laut SZ rechte netzwerker an der bundeswehr-uni in München...

     

    kurzum: nach allem, was da bislang bekannt wurde, darf man wohl bei aller vorsicht mittlerweile davon ausgehen, dass es sich lediglich um 3-4 spitzen eines ziemlich großen eisberges handeln dürfte.- vgl. auch stichwörter wie "Loge P2", "Gladio", "Bologna"...

  • das vertrauen ist nachhaltiggestört aber das machtniemand lebendig was ich vermisse, dassman die komplette mannschaft lka berlin komplettablöst aber die kleben alle aufihren stühlen gefährlch ist, dass man das alles kleinredet, dass sich die nebel des vergessens, kommt zeit kommt rat überdie angelegebheit breiten, es wird viel geredet aber im prinzip nix getan

  • " Warum wurde dann nicht einfach nach dem „Al-Capone-Prinzip“ gehandelt?"

     

    Was läuft denn bei Ihnen falsch, Herr Beucker?

    Soll Ihrer Ansicht nach jeder nicht wirklich Schwerkriminelle unter dem Vorwand minderschwerer Delikte festgenommen werden, weil er ja theoretisch ein Schwerkimineller werden könnte? Oder wussten Sie schon vorher, dass der Drogendealer Amri der Terrorist Amri werden würde?

    Dass der Ruf nach der Festnahme aller Kriminellen zur Not auch unter Vorwänden aus der taz kommen würde, wer hätte das gedacht?

  • Aufklärung tut Not!

     

    Genau so wichtig ist es jedoch, dafür zu sorgen, dass es solche oder ähnliche Schlampereien in Zukunft nicht mehr geben darf!

    Vielleicht gehört auch dazu, dass mehr Personal eingestellt werden muss oder das Vorhandene besser geschult und bezahlt wird!

  • Man muss nicht so tun als habe die Polizei die Taten begangen, aber das ist wohl der typische Berliner Reflex.