piwik no script img

Kommentar Pogrome in NeapelWenn auch die Linke rassistisch ist

Michael Braun
Kommentar von Michael Braun

Fremdenfeindliche Politiker kommen in der italienischen Öffentlichkeit derzeit gut an. Auch die linken Parteien haben zu der Pogrom-Stimmung beigetragen.

I n Neapel brennen Roma-Barackenlager - und außer der radikal linken Zeitung Il Manifesto mag kein Blatt, mag kein einziger TV-Sender das Wort Pogrom in den Mund nehmen. Nein, eher schon wird uns von braven Bürgern berichtet, die es einfach nicht mehr aushalten mit dem Gesocks.

Wundern mag man sich kaum noch darüber. Italiens Rechte hat schon im Wahlkampf die öffentliche Sicherheit zum "Notstandsfall Nummer eins" erklärt, und sie hat gleich hinzugefügt, was sie damit meint. Nämlich nicht die Cosa Nostra, die Camorra und die Ndrangheta, die ganz Süditalien im Würgegriff haben. Ihrer Ansicht nach ist die Sicherheit bedroht durch Roma und Rumänen. Unerträglich sei es für italienische Bürger, auch nur deren Präsenz weiter zu ertragen. Die offen fremdenfeindliche Lega Nord konnte auf diesem Ticket ihre Stimmenzahl auf über acht Prozent verdoppeln; jetzt stellt sie den Innenminister in der neuen Berlusconi-Regierung.

Italiens Rechte stellt seit wenigen Wochen auch Roms Bürgermeister; der Postfaschist Gianni Alemanno gewann die Wahl nicht zuletzt mit dem Versprechen, unter anderem 20.000 Rumänen auszuweisen. Am liebsten würde die Berlusconi-Koalition gleich das Schengen-Abkommen aussetzen. Das geht zwar nicht - aber alles, was an nationalen Abschreckungsinstrumenten zur Verfügung steht, wird bald zum Einsatz kommen.

Für die Abschreckung machen sich dann auch ein paar Pogrome ganz gut. Kein rechter Politiker jedenfalls ging auf Distanz zum Mob. Warum auch? Die ohnehin schon siegreiche Rechte ist ja keineswegs allein. Auch die Linke trug und trägt zur Schaffung dieses Klimas bei. Es war Walter Veltroni, der im letzten November nach einem Mord in Rom den "Rumänen-Notstand" ausrief und öffentlichkeitswirksam Barackenlager der Roma räumen ließ. Auch die seriösen Medien des Landes, darunter La Republica, verbreiten ganz selbstverständlich die Mär von den "Zigeunern, die Kinder stehlen". Harten Widerstand gegen Berlusconis "Sicherheits"-Maßnahmen, radikale Distanzierung vom aufgehetzten Mob - das können wir in den nächsten Monaten weder von der Linksopposition noch von den Medien erwarten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Michael Braun
Auslandskorrespondent Italien
Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!