Kommentar Piraten: Schmutzige Hände für Somalia
Piraten vor Somalias Küste aufbringen und dann an Kenias Gefängnisse überstellen kann nicht die Lösung sein. Besser ist ein Militäreinsatz in Somalia, um dort die Ordnung wieder herzustellen.
M onatelang schienen sie verschwunden, jetzt sind sie zurück: Somalische Piraten haben seit dem Wochenende sechs Schiffe entführt. Mit der Aktivität der Piraten wächst auch die der Politiker. Nach den Grünen fordern nun auch Teile der Bundesregierung einen UN-Gerichtshof: Ein internationales Problem, so die Argumentation, brauche eine internationale Rechtsinstanz.
Tatsächlich ist es fraglich, ob die sieben Piraten, die am Mittwoch an kenianische Behörden übergeben wurden, in Mombasa ein fairer Prozess erwartet. Die Anwälte der bereits seit Wochen dort einsitzenden Häftlinge beklagen, ihre Mandaten müssten in überfüllten Zellen einsitzen und dürften keinen Besuch empfangen - auch nicht ihre Anwälte. Die deutschen Behörden wissen, dass das kenianische Rechtssystem deutschen Standards nicht genügt. Doch niemand will somalische Piraten in Deutschland vor Gericht stellen. Ein internationaler Gerichtshof scheint da eine saubere Lösung.
In Wirklichkeit folgt eine solche Forderung nur der Strategie, die den ganzen Marineeinsatz vor Somalia bestimmt. Es ist der Versuch, die Symptome des kollabierten somalischen Staats zu bekämpfen, anstatt das eigentliche Problem zu lösen. Somalia hat keine funktionierende Regierung, seit 18 Jahren nicht. Nur deshalb können die Piraten so frei agieren. Man bräuchte einen Militäreinsatz, der in Somalia die staatliche Ordnung wiederherstellt und der organisierten Kriminalität den Boden entzieht.
Das würde nicht nur im Kampf gegen die Piraten helfen. Drei Millionen Somalis leiden Hunger, zehntausend sind im vergangenen Jahr bei den Kämpfen zwischen islamistischen Untergrundkämpfern und anderen Milizen ums Leben gekommen. Die Hauptstadt Mogadischu liegt in Trümmern, und die Hälfte aller Somalis lebt auf der Flucht. Es gibt Gründe genug, warum man über eine Lösung für Somalia diskutieren sollte und nicht über ein neues UN-Tribunal. Manchmal muss man sich die Hände schmutzig machen, um eine wirklich saubere Lösung hinzubekommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass