Kommentar Pflege und Korruption: Ohne Kontrolle geht es nicht
Der Pflegebereich ist mittlerweile nicht mehr überschaubar. Das macht Betrügereien, Schmiergelder und Ausnutzung der Patienten möglich.
M anche Pflegebedürftige (und Angehörige) wundern sich schon mal: Der Pfleger, der heute Morgen das Frühstück gemacht hat, war gerade mal fünf Minuten da. Die anderen Pfleger brauchen gewöhnlich eine Viertelstunde. Und der Fragebogen, auf dem die betreute Person ankreuzen soll, was der Pflegedienst gemacht hat, ist auch nicht da. Den hat der Pfleger mitgenommen – obwohl er beim Patienten bleiben soll.
Ohne diesen Bogen ist keine Kontrolle möglich – weder für den Patienten noch für die entsprechenden Kontrollinstanzen. Es kann passieren, dass ein Prüfbogen später wieder auftaucht, weil der Pfleger ihn aus Versehen eingesteckt hat. Vielfach aber sind verschwundene Papiere Absicht. Die werden nämlich heimlich „korrigiert“: Leistungen werden angekreuzt, die nicht erbracht worden sind, und trotzdem abgerechnet werden.
Dass es Betrügereien im Pflegebereich gibt, davon darf ausgegangen werden. Dass Schmiergelder für Ärzte und Pflegedienste in nicht geringem Ausmaß fließen, ahnt man auch. Ebenso, dass Pflegedienste gelegentlich die Schwäche von Patienten ausnutzen, um zu betrügen. Warum ist all das aber möglich?
Weil der Pflegebereich inzwischen so voluminös und unüberschaubar ist, dass flächendeckende Kontrollen kaum noch möglich sind. Wenn eine Qualitätskontrolle heimlich nachgebessert wird, ist das kriminell. Wenn kritische Berichte nur bei denen ankommen, die die Missstände verursachen, und nicht bei denen, die Pflege in Anspruch nehmen und dafür zahlen, dann hat das mit Transparenz nichts zu tun.
All das treibt die Pflegekosten in die Höhe und füllt die falschen Taschen. Pflege muss bezahlbar bleiben. Pflegemissstände müssen dringend aufgeklärt, Pflegemissbrauch sollte hart bestraft werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
Solidaritätszuschlag in Karlsruhe
Soli oder Haushaltsloch
Belästigung durch Hertha-BSC-Fans
Alkoholisierte Übergriffe im Zug
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video
Ringen um Termin für Neuwahl
Wann ist denn endlich wieder Wahltag?