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Kommentar Pferdefleisch-SkandalVom Pferd erzählen

Ruth Reichstein
Kommentar von Ruth Reichstein

Beim Lasagne-Skandal kann die EU-Kommission nur reagieren. Dabei war es ihre Aufgabe, für eine Lebensmittelkennzeichnung zu sorgen.

Zeigen der EU ihre Versäumnisse: Pferd und Kuh. Bild: dpa

E s ist immer das gleiche Schema – egal ob es um Brustimplantate, Gammel- oder jetzt eben Pferdefleisch geht: Es muss erst einen Skandal geben, bevor sich die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten auf strengere Regeln und bessere Kontrollen einigen.

Die Kommission schlägt nun umfangreiche Gentests von Rindfleisch vor, um weitere Pferdefleischspuren aufzuspüren. Die EU-Minister sollen darüber an diesem Freitag entscheiden, bereits im März könnten die flächendeckenden Tests dann beginnen.

Sicher: Pferde- für Rindfleisch zu verkaufen ist Betrug, und dafür trägt erst einmal nur der Verursacher Schuld. Allerdings macht es sich der EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg zu einfach, wenn er alle Verantwortung von sich und seiner Behörde weist – eben mit dem Hinweis, es handle sich um kriminelles Verhalten und für die Kontrollen der Firmen seien sowieso die Mitgliedsstaaten verantwortlich.

Bild: privat
Ruth Reichstein

ist EU-Korrespondentin der taz in Brüssel.

Die Kennzeichnung von Lebensmitteln ist nämlich sehr wohl EU-Aufgabe. Verbraucherschützer fordern schon seit Jahren, dass die Herkunft von Fleisch auf Verpackungen vermerkt wird. Dies gilt – ebenfalls seit einem Skandal, nämlich BSE in den 1990er Jahren – nur für frisches Rindfleisch. Ab 2014 soll die Regel auf Frischfleisch auch von anderen Tieren ausgeweitet werden.

Eine Herkunfts-Kennzeichnung von verarbeitetem Fleisch aber – zum Beispiel in Lasagne – hat die EU-Kommission bisher immer ausgebremst. Das entspricht keinesfalls der Verbrauchermeinung. Eine Umfrage des europäischen Verbraucherschutzbundes BEUC hat erst vor wenigen Wochen ergeben, dass sich 70 Prozent der EU-Bürger eine solche Kennzeichnung wünschen würden. Damit wäre zwar ein Betrug nicht ausgeschlossen, aber der Verbraucher hätte zumindest die Möglichkeit, nur noch Fleisch aus bestimmten, für ihn vertrauenswürdigen Ländern zu konsumieren. Bisher hat er dazu in EU-Supermärkten keine Chance.

Besonders grotesk ist es da, dass die EU-Kommission zeitgleich zum Pferdefleischskandal einen neuen Gesetzesentwurf vorlegt, der eine „made in“-Kennzeichnung für alle Produkte vorschreibt, um die Sicherheit für die Verbraucher zu erhöhen. Für alle Produkte – außer für Lebensmittel.

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Ruth Reichstein
Auslandskorrespondentin EU
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8 Kommentare

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  • DB
    DJ Boemerang

    Die Differenz bei den Preisen für Schlachtrinder Bio & Konventionell kann man hier einsehen (Seite 15):

     

     

    http://www.boelw.de/uploads/pics/ZDF/ZDF_Endversion_120110.pdf

  • TL
    Tim Leuther

    Mal eine frage:

    Wenn im Apfelkuchen Birnen gewesen wären, hätten wir einen Obstskandal?

     

    Nein.

     

    Warum?

    Weil es ethische Bedenken zum Fleischkonsum gibt. Daher wird das Risiko von "vergiftetem" Fleisch maßlos überhöht.

     

    Der Lebensmittelskandal wo menschen starben waren Bio-Sprossen aus einem veganen Betrieb in Norddeutschland, sie wurden in Norddeutschland verspeist (einigermaßen Regional). Da starben mehr Menschen als in Tschernobyl.

     

    Die Leute die ethische Bedenken zum Fleischkonsum haben, die sollen ihre ethischen Bedenken äußern, aber mit ethischen Argumenten. Nicht indem man sie umettikettiert und als Treibsatz bei Lebensmittelskandalen benutzt. Das ist nämlich eine Form der Lüge. Und nahrzu alle Kulturen haben sich darauf geeinigt das Lügen unredlich ist.

  • I
    imhotep

    @Penelope Verwurster

     

    "Das Lebensmittelrecht lässt sogar 1 Gramm Plutonium in einer Pizza zu."

     

    Shit! Habe mich schon lange gefragt, warum es in meinem Gefrierschrank so hell ist, obwohl dort schon lange die Birne kaputt ist. Habs Nachgeprüft: War die Tiefkühlpizza von Tesco! Wenn jetzt Al-Kaida an 500 000 englische Tiefkühlpizzen kommt, sind wir alle echt am A.... Gorleben war gestern: Pizza Luminara!

     

    "Nicht ausgeschlossen das die englischen Rohstoffe vom Abdecker oder aus dem organischem Klinikmüll kommen. Dort landen Abtreibungen, Totgeburten und andere Organe."

    Sorry ! Es ist Ihnen doch hoffentlich klar, dass Sie hier eine reichlich absurde Hasspropaganda gegen ein anderes Land betreiben, welche "Den Protokolle der Weisen von Zion" alle Ehre macht?

     

    Was das Pferdefleisch angeht: Die "ökologische" Bewegegung möge einmal versuchen, diese unglaublich wichtigen Probleme einem Normalbürger der soggn. Dritten Welt zu erklären. Es würde mich auch diesmal wieder interessieren, wieviele hunderte Tonnen verzehrfähiger Lebensmittel (auch wenn es hier oft "Scheiße" genannt wurde) auf Verdacht in den Müll wanderen, nur damit für eine dekadente, Bourgeoise Wellnessesserbewegung das Feindbild wieder stimmt. Wenn in naher Zukunft Fleisch technisch /gentechnisch ohne tierisches Leid produziert werden kann, höre ich jetzt schon das laute entsetzete NEIN der Ökobewegung (wie schon bei Internet,Mobilfunk, Nanotechnologie ect.)

     

    (Liebe TAZ! Wenn Ihr schon reichlich krude Thesen veröffentlicht, so glaube ich, kann man auch den idiologischen Gegner veröffentlichen!)

  • CK
    Christoph Klein

    Es müsste besser heissen, die EU-Kommission produziert "Skandale" und wird hierfür sogar noch fürstlich bezahlt. Irgendwie absurd oder nicht und wir schauen alle nur zu und können es nicht ändern?!

  • S
    Susanna

    @von Sofa: Word.

    Geht mir ganz genauso. Wer so wenig Geld für Fleisch ausgibt, muss irgendwie damit rechnen. Alles andere wäre ja Zauberei. Jeder kann sich diese Betriebe von innen anschauen. Da isst man geballtes Leid gemischt mit Antibiotikum. Ob da jetzt noch Pferd mit reingemischt wird, ist dann auch egal. Der Punkt, an dem man sich aufregen sollte, ist sowas von viel weiter vorne - seufz.

  • PV
    Penelope Verwurster

    Vom Pferd erzählen? Guter Titel ;-)

    Wer glaubt den wirklich an "umfangreiche Gentests"? Albern, die Krimminellen in Staatsebene machen weiter. Nur Beamte gehen mit dem Sulky auf die Fuchsjagd. Die anderen werden zwangspsychiatrisiert.

    Wo doch gezielt, mit aller Macht die genetische Untersuchung der im Umlauf befindlichen Drogen verhindert wird. Sie könnten ja aus Afghanistan aus dem neuen genveränderten Mohn stammen. Wer mag diese gezüchtet haben?

    Deutschland verteidigt sich und die Mohnfelder... Andere Soldaten, Mutbürger in Uniform, ernten.

     

    Wer mit offenen Augen durch die Konsumtempel der Ernährung geht, kann vielleicht die verwurstungsindustrielle Nahrung in Fläschchen, Tütchen und Döschen, der größten Abteilung, erkennen.

    Gehächselt, pulverisiert wird alles, einem Lebensmittelchemiker ist das vollkommen egal. Das Lebensmittelrecht lässt sogar 1 Gramm Plutonium in einer Pizza zu. Frei jeglicher Deklaration.

    Enland und Lebensmittel und Recht passten noch nie. Siehe Ochse, Tauringewinnung und Energy Drink aber auch Nusscreme oder Gummibärchen. Die kreative Mangelwirtschaft einer Insel.

     

    Nicht ausgeschlossen das die englischen Rohstoffe vom Abdecker oder aus dem organischem Klinikmüll kommen. Dort landen Abtreibungen, Totgeburten und andere Organe.

    Zwischen einer Pferdewurst, Lasagne a la Ackergaul und Protein passt alles.

    England war niemals zimperlich wenns ums Geld geht, da sind sie in geistiger Nähe bayerns.

    Es hat seinen Grund warum die Opus Dei nahe CSUCDU politische Kerninhalte über Lebensgemeinschaft, Ernährung und Medizin haben. Die Klosterbrüder/Schwestern.

    I. Aigner, Seehofer u.a. sind für den Ablasshandel systemimmanent.

    Erst vergiften und dann das Gegengift teuer verkaufen. Funktioniert seit 2000 Jahren bestens.

  • A
    anke

    Darf ich als Endverbraucher eigentlich sicher sein, dass EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg, wenn er es höchstpersönlich etikettieren müsste, einen Klumpen Rind- von einem Klumpen Pferdefleisch unterscheiden könnte?

     

    Strengere Regeln und bessere Kontrollen beruhigen vielleicht das Gewissen. Sie können allerdings nicht vollständig verhindern, dass kriminelle Energie und nackte Verzweiflung ihren Weg finden – und die Medien immer wieder neue Skandale. Notfalls selbst da, wo eigentlich gar keine sind. Man kann also froh sein, wenn wenigstens die Briten Pferde zum Kotzen finden, so lange sie sie nicht selber zu Schanden reiten dürfen.

     

    Übrigens: Was würde nach Skandalen wie dem aktuellen eigentlich passieren, wenn Fleisch aus Rumänien ab sofort einen Herkunfts-Stempel bekäme? Dann würde nicht nur diejenigen rumänischen Betriebe bestraft, die ihr Fleisch korrekt etikettieren, sondern der ganze rumänische Staat, und der, hört man, schwimmt schon ja eigentlich jetzt nicht im Steuergeld. Der Durchschnitts-Händler unterstellt seinen Kunden nämlich nicht ganz zu Unrecht gewisse Vorurteile (Stichwort: "vertrauenswürdige[n] Länder"). Wer aber müsste dann zahlen für die Wettbewerbsvorteile, die Produzenten aus vermeintlich "vertrauenswürdigen Ländern" hätten - so lange, meine ich, wie sich noch nicht ein neuer Skandal um Frostschutzmittel in französischem Wein oder Antibiotika in deutschen Masthähnchen dreht? Alle, die vom rumänischen Staat alimentiert werden. Unter anderem also Kranke, Alte, Arbeitslose, Kinder und Studenten. Sippenhaft, nennt man so etwas. Man kann das machen. Man sollte dann allerdings wenigstens ehrlich sein. Zum Beispiel mit sich selbst. Alles andere wäre Etikettenschwindel. Betrug am Kunden also. Und mindestens so eklig wie Pferdefleisch in der Lasagne.

  • S
    Sofa

    Ob nun billigstes Fleisch aus aus qualvoller Massentierhaltung, mit ein bisschen Ross oder ohne "genossen" wird, ist doch eigentlich Jacke wie Hose...

    Scheiße bleibt Scheiße!