Kommentar Parlamentswahl Spanien: Podemos kann nur noch gewinnen
Mit Podemos ist die Empörung im Parlament angekommen. Ihre Forderung nach einem sozialen Wandel wird nun die Politik diktieren.
Sie vertreten uns nicht“, schrien die Empörten vor vier Jahren und ernteten von den beiden großen spanischen Parteien ein müdes Lächeln. Wer das System verändern wolle, müsse nur eine Partei gründen, wurde ihnen mit zynischem Ton empfohlen. Gesagt getan. Mit Podemos (“Wir können“) ist die Welle der Empörung jetzt im Parlament angekommen. In einem Szenario, in dem stabiles Regieren so gut wie unmöglich ist, wird die erst vor knapp zwei Jahre entstandene Antiausteritätspartei die Mitte des Spielfeldes belegen, wie sie das nennen.
Harte Angriffe, Umfragen, die alles andere als die Realität widerspiegelten, die Erfindung einer rechten Podemos zu der die rechtsliberalen Ciudadanos hochgeschrieben wurden, die Strategie ging nicht auf. Das Ergebnis spricht deutliche Worte. Das Zweiparteiensystem, das 30 Jahre eine Vielfalt vortäuschte, die in der realen Politik nicht existierte, ist Geschichte.
Podemos wird die Themen der kommenden Legislatur diktieren, daran besteht kein Zweifel. Soziale Forderungen, das Ende der Austerität, der Ruf nach Änderung des ungerechten Wahlsystems, die Frage eines multinationalen Spaniens, stehen jetzt auf der Tagesordnung. Wer dies nicht sehen will, wird bei kommenden Wahlen, egal ob in vier Jahren oder gar schon früher weitere Stimmen verlieren.
Ministerpräsident Rajoy will erneut eine Regierung bilden und hat dafür keine Mehrheit. Die PSOE meldet ebenfalls Begehrlichkeiten an. Die Sozialisten seien gerufen, den Wandel anzuführen, verkündeten verschiedene sozialistische Parteisprecher in der Wahlnacht, als wäre dies einzig und alleine eine Frage der Zahlen, eine Frage dessen, ob man knapp vor Podemos liegt oder nicht.
Es braucht einen Kurswechsel
Um Terrain zurückzugewinnen genügt es nicht, Parolen und den Stil von Podemos zu kopieren. Es braucht einen Kurswechsel um 180 Grad. Doch Spaniens Sozialisten haben längst – wie ihre Schwesterparteien im Großteil der EU auch – aufgehört eine linke, fortschrittliche Politik zu vertreten, die sich an den Bedürfnissen der Menschen statt an denen der Märkte orientiert.
Es gibt genau einen einfachen Ausweg aus der Unregierbarkeit: die Große Koalition. Der Druck der spanischen Wirtschaft, der Druck ihrer Altvorderen, wie dem ehemaligen Regierungschef Felipe Gonzalez, und der Druck aus Brüssel und Berlin, um die PSOE zu einem solchen Bündnis zu bewegen, wird stark sein. Geben Spaniens Sozialisten dem nach, ist das ihr endgültiges Aus und der endgültige Durchbruch für Podemos.
Der einzige, der sich gelassen in seinem Sitz im neuen Parlament zurücklehnen kann, ist Podemoschef Pablo Iglesias. Die Zeit – und die Fehler der anderen – werden für ihn arbeiten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Krieg in Nahost
Israels Dilemma nach Assads Sturz
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Trump und Krypto
Brandgefährliche Bitcoin-Versprechen