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Kommentar PKW-MautDie nette Vignette

Kommentar von Richard Rother

Die Maut wird ein politischer Erfolg für die CSU. Ihre Kritiker haben keine Chance. Außerdem sind die meisten Argumente dagegen einfach Quatsch.

Lichtspuren auf der Autobahn, bald überall bezahlt? Bild: dpa

D ie Pkw-Maut in Deutschland kommt. Trotz aller teilweise auch berechtigten Kritik wird sich Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) durchsetzen, weil in der Arithmetik der Großen Koalition jedem Partner ein Erfolg zusteht: der CDU die Mütterrente, der SPD der Mindestlohn, der CSU die Maut. Zwar entfaltet die Vignette keine Anreize zum Wenigfahren – ein Drama wäre sie aber nicht.

Das Gegenargument, dass Dobrindts Pläne nicht europarechtskonform seien, ist hingegen Quatsch! Warum soll in Deutschland eine Vignette nicht möglich sein, wenn es sie in EU-Ländern wie Österreich, Tschechien und Slowenien bereits gibt? Und wie Deutschland seine Kfz-Steuer – parallel dazu oder unabhängig davon – ausgestaltet, darf die hiesige Politik selbst entscheiden. Nicht europarechtskonform wäre die Vignette höchstens, wenn Dobrindt ins Gesetz schriebe, sie einführen zu wollen, um EU-Ausländer zu diskriminieren. So blöd wird der Verkehrsminister nicht sein.

Gleichzeitig befriedigt Dobrindt das Gerechtigkeitsgefühl vieler Bürger – so wie die CDU mit der Mütterrente und die SPD mit dem Mindestlohn. Viele Fahrzeughalter in Deutschland fragen sich, warum sie – etwa jetzt im Sommerurlaub – im Ausland Straßenbenutzungsgebühren zahlen sollen, während Autobesitzer aus dem Ausland im größten Transitland Europas umsonst herumfahren dürfen.

Geschickt nimmt Dobrindt auch anderen Gegnern den Wind aus den Segeln: Die angedeutete Beteiligung der Bundesländer an den Einnahmen wird in den Kommunen gut ankommen. Und die Vignettenpflicht für alle Straßen verhindert Ausweichverkehre.

Dass es dennoch so viel Widerstand gegen Dobrindts Vignette gibt, hat zwei Gründe. Die politische Konkurrenz gönnt der CSU keinen Erfolg, und andere – etwa Umweltgruppen und Unternehmen, die ein Geschäft wittern – wollen ein anderes Straßenbenutzungsbezahlsystem installieren: eine streckenbezogene Maut. So (umwelt)gerecht diese sein mag – Vielfahrer zahlen viel, Wenigfahrer werden entlastet –, so unrealistisch ist sie. Mauthäuschen wie in Frankreich lassen sich nicht einfach ins Straßennetz installieren; die totale Überwachung per Kamera oder Satellit wäre teuer, datenschutzrechtlich bedenklich und weithin unpopulär. Denn kaum ein Autofahrer möchte preisgeben, wann er wohin wie schnell gefahren ist.

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Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.
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15 Kommentare

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  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Hier wird Klassenkampf von Oben gemacht. Künftig sollen nur noch die unbegrenzt fahren dürfen, die es sich leisten können. Die Anderen sollen sich jeden Kilometzer zweimal überlegen müssen und werden dementsprechend auch vom Wettbewerb abgehängt, denn räumliche Flexibilität wird ja auch immer wichtiger, um eine Erwerbsmöglichkeit zu haben.

     

    Dobrindt verfolgt damit die typische christlich-kapitalistische Maxime, nach der die Reichen immer reicher werden und die Anderen am besten aussterben sollen. Gibt natürlich keiner zu, aber so läuft es nunmal.

  • Zitat: "So blöd wird der Verkehrsminister nicht sein."

     

    Ich weiß nicht, ich weiß nicht.

  • Soso, die Deutschen jammern also, dass sie im Ausland für die Benutzung der Straßen zur Kasse gebeten werden? Keine Ahnung, Herr Rother, wie lange Sie schon nicht mehr in Italien, der Schweiz, oder Österreich waren, aber in diesen Länder gibt es die Maut nur für Autobahnen. Herr Dobrindt will aber die Maut für ALLE Straßen, ein kleiner (großer) Unterschied. Das bedeutet im Klartext, wollen unsere europäischen Freunde mit dem Auto nach (durch) Deutschland reisen, müssen sie an der GRENZE erst mal Eintritt bezahlen, was für eine Idee. Wie war das gleich nochmal, mit dem 'vereinten' Europa usw.?!

    • @Tadeusz Kantor:

      Bei Geld hört Freundschaft oft auf. :-)

      Ungern und Slowenien haben die Maut für alle Straßen.

      Bei einer Maut für ausschl. Autobahnen besteht stets die Gefahr, dass der Verkehr dann auf Land- und Bundesstraßen ausweicht.

  • Nicht zu vergessen: die Subventionen für Telekom und Mercedes - Tollcollect, da war doch was?

  • Es gibt aber mehr Gegenargumente:

    1) Die Ausgaben für Verwaltung übertreffen die Einnahmen, wenn nur Ausländer die Gebühr finanzieren sollen und - wie versprochen - kein deutscher Autofahrer mehr als heute belastet werden soll.

    2) Die KFZ-Steuerbelege werden immens kompliziert und teuer.

    3) Die Maut kann und wird bald erhöht werden, dem wurde nicht widersprochen.

    4) Sie ist nicht sozial ausgeglichen, nicht der Umweltbelastung und Straßenbelastung entsprechend ausgerichtet, eine Umverteilung von unten nach oben.

    5) Eine rein auf anti-europäische Gefühle aufgebaute Maut hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun und es wird sich zeigen, ob dies mit europ. Wettbewerbsrecht vereinbar ist. Wahrscheinlich werden alle deutschen und europäischen Unternehmer entweder von der Maut ausgenommen, oder müssen sie zahlen.

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    "Das Gegenargument, dass Dobrindts Pläne nicht europarechtskonform seien, ist hingegen Quatsch! Warum soll in Deutschland eine Vignette nicht möglich sein, wenn es sie in EU-Ländern wie Österreich, Tschechien und Slowenien bereits gibt?"

     

    Es ist mit EU-Recht nicht vereinbar, eine Maut zu erheben UND GLEICHZEITIG KFZ-Steuern zu senken. Das ist aber, was Dobrindt angeblich will. Informieren statt blamieren, liebe TAZ.

     

    In Wirklichkeit aber läuft hier eine ganz andere Sache: Wie schon das Versprechen bei Einführung der LKW-Maut, daß es nie eine PKW-Maut in Deutschland geben würde, eine Lüge war, ist es natürlich auch eine Lüge, daß die PKW-Maut nur für Ausländer komme. Salamitaktik. Und falls die PKW-Maut doch scheitern sollte, wird man diesen "Verlust" eben durch höhere KFZ-Steuern "kompensieren" "müssen".

     

    Am Ende steht so oder so nur ein Ergebnis: Der Autofahrer wird weiter geschröpft und die KFZ-Steuern weiterhin für Dinge ausgegeben, für die sie nicht bestimmt sind. Es geht nur darum, die geplünderten Staatskassen zu füllen, egal, wie.

     

    Die TAZ ist langsam nicht mehr ernstzunehmen.

  • Eine europaweite einheitliche Gestaltung (und evtl. Anhebung) der Mineralölsteuer wäre in der Tat eine einfache Maßnahme. Ein Gegenargument wäre vielleicht der Tanktourismus, wodurch einige Länder mehr Steuern einnehmen würden als andere. Dann müßte man auch die Kraftstoffpreise vereinheitlichen, zumindest in Grenzregionen. Ob da nicht nationale Egoismen stärker wären?

  • "die totale Überwachung per Kamera oder Satellit wäre teuer, datenschutzrechtlich bedenklich und weithin unpopulär. Denn kaum ein Autofahrer möchte preisgeben, wann er wohin wie schnell gefahren ist."

     

    EUROPAweit kostet jeder km mal kg X EURO. Wenn wir den Datenschutz nicht haetten waere die totale Ueberwachung durch die Mobilfunknetze sowieso perfekt schon perfekt. Die Infrastruktur ist also schon da. Es fehlt noch der Anschluss zum Verkehrsminister, ein Faktorr der den Umweltpreis beruecksichtigt und die Freaks vom ChaosComputerClub die Obama und anderen Neugierigen die Tastur verriegeln. Also am Jahresende Deine Rechnung: Genutzte KM, Tonne, Umweltkosten.

  • Eine Maut für Landes- und Kommunalstraßen ist über kurz oder lang die Wiedereinführung der nationalen Grenzen für Kraftfahrzeuge in Europa. Den grenzüberschreitenden Regionen in Europa versetzt dies den Todesstoß. Diesen Schwachsinn, der dann die strukturschwachen Grenzregionen zurück bringt, braucht die EU nicht.

  • Wir wissen doch alle, dass es die PKW bis 3,5t mit Zulassung vor 2009 sind, die die kostspieligen Straßen- und Brückenschäden verursachen, für die die "Infrastrukturzulage" benötigt wird. Eine demnächst erscheinende Studie der BMW-Universität Rosenheim wird dies unzweifelhaft belegen.

    Die PKW-Maut hätte auch den, gerade von Urlaubsreisenden lang ersehnten, Effekt, dass andere Länder wie Holland, Belgien etc. ihre bisherige Zurückhaltung hinsichtlich einer Maut endlich entspannt aufgeben und ihrerseits zur Kasse bitten dürfen. Für den deutschen Autofahrer wird es jetzt billig wie nie, ob es "Europa" nun passt oder nicht |.-)

    • @Rainer B.:

      Ich hoffe ihre aussage ist Ironisch gemeint. Die Großen Schäden an den Straßen verursachen nicht die PKWs sondern LKWs. Vor allem Autobahnen werden unter dem wachsenden Lastwagen Verkehr stark beansprucht (erinnern sie sich noch an die Gigaliner debatte?) Hier ein Link zu dem Thema:

      http://www.zeit.de/2011/31/Stimmts-Strasse

      • @Gast II:

        Ich hoffe, Sie sind nicht der Einzige, der es gemerkt hat. Aus dem Kommentar von Herrn Rother spricht für mich ebenfalls nur die Ironie der Verzweiflung. Es gibt doch tatsächlich nicht ein schlüssiges Argument für diese PKW-Maut, ausser dass man der CSU in der Koalition jetzt mal was zugestehen muss und sei es auch kompletter Stuss. Politik zum Abgewöhnen!

  • Natürlich ist die Vignette nur dazu da, nicht in Deutschland angemeldeten Fahrzeugbesitzern das Geld aus der Tasche zu ziehen, nur eben mit Trick 17.

    Die Tatsache, das es solche Straßenbenutzungsgebühren im Ausland gibt ist KEIN Argument dafür; Für jeden Mist gibt es europäische Regelungen - warum nicht mal den Versuch wagen, eine einheitliche europäische Verkehrspolitik zu installieren ?

    z. B. eine höhere Mineralölsteuer - sie hat den Vorteil : ist Streckenabhängig, gilt für alle, macht keinen bürokratischen Aufwand , braucht keine Mauthäuschen, und die totale Überwachung per Kameraist auch nicht nötig - aber warum einfach, wenns auch schwer geht...

    • @Matze:

      So sehe ich das auch: warum eine streckenbezogene Maut mit Hilfe von Mauthäuschen, Kameraüberwachung etc.? Es gibt doch schon die Ökosteuer auf Kraftstoff. An dieser Stellschraube könnte man ohne große Kosten drehen, mit dem Effekt, dass spritsparende und wenig fahrende Fahrzeuge weniger belastet würden. Klar ist, dass das Tanken in den Nachbarländern dann noch attraktiver würde, doch aus Kostensicht bin ich der Meinung, dass dies eine einfache und günstige Alternative zur Maut wäre...