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Kommentar Oppermann und GysiEin infamer Nazivergleich

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Ein Abgeordneter der Linken hat Bundespräsident Gauck „Kriegshetzer“ genannt. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Oppermann reagiert abgefeimt.

Reichlich danebengegriffen: Thomas Oppermann. Bild: dpa

T homas Oppermann war schon ziemlich lange nicht mehr in den Schlagzeilen. Seit seinem unglücklichen Agieren in der Edathy-Affäre war der SPD-Mann, ansonsten verlässlicher Produzent von Agentur-Meldungen, von der öffentlichen Diskursbühne erstmal abgetreten.

Die Quarantäne ist beendet. Mit einem Nazi-Vergleich. Denn nichts sorgt verlässlich für mehr mediale Aufmerksamkeit als den politischen Gegner mit Nazis zu vergleichen. Das ist eine Art rhetorische Atombombe, deren Anwendung in den letzten Jahren zum Glück etwas aus der Mode gekommen ist.

Falsch waren die Vergleiche sowieso fast immer. Es kann sein, dass der Bundestag gerade in Zeiten der gemütvollen Großen Koalition etwas mehr Polemik gebrauchen kann. Aber Gregor Gysi, dessen jüdisch-kommunistischer Vater nur zufällig der SS entkam, in die Nähe von Nazis zu rücken, hat etwas Abgefeimtes.

Genau das hat Oppermann getan. Bewusst und gezielt. Der Grund? Der Brandenburger Linkspartei-Landtagsabgeordnete Norbert Müller hat auf Facebook gepostet, dass er Bundespräsident Gauck für einen „widerlichen Kriegshetzer“ hält. Das ist typisch für den moralisch aufgepumpten Fundipazifismus, der jeden möglichen Militäreinsatz für ein Verbrechen hält und die Zwiespältigkeiten solcher Einsätze in einem Gut (Wir Friedensfreunde) gegen Böse (Alle anderen) Raster entsorgt.

Der Bundespräsident hatte kürzlich, im Graubereich zwischen Vagem und Bedeutsamen, räsonniert, dass die Bundeswehr auch im „Kampf für Menschenrechte“ zu den Waffen greifen müsse. Bislang gilt ein drohender Genozid als einzig legitimer Grund für militärische Interventionen. Menschenrechte werden in sehr vielen Ländern verletzt und ob unserem Bundespräsident ein Einsatz in Syrien, Tibet oder Saudi-Arabien vorschwebt, ist unserer Fantasie überlassen.

Oppermann jedenfalls erinnerte die Attacke des Linksparteiprovinzlers gegen Gauck „an die Strategie der Nazis gegen Reichspräsident Ebert“. Aber das ist eine Kurzschluss-Analogie, die propagandistische Rhetorik kennzeichnet. Gauck „Kriegshetzer“ zu nennen, ist dumm, plump, unverfroren. Aber: Diese Kritik zielt nicht auf Gauck als Repräsentant dieser Demokratie, sondern auf eine bestimmte politische Äußerung.

Die Nazis polemisierten gegen Reichspräsident Ebert, weil er die Demokratie verkörperte, die sie mit Gewalt zerstören wollten. Aber solche Unterschiede spielen keine Rolle: Oppermann will die Diffamierung, das größtmögliche Kaliber, den Knalleffekt. Und rückt Gysi, den er in Generalhaftung für Facebook-Posts von Provinzgenossen nimmt, in die Nähe von Nazis. Das hat etwas Infames.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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29 Kommentare

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  • "Gauck "Kriegshetzer" zu nennen, ist dumm, plump, unverfroren"? Was läuft wie eine Ente und quakt wie eine Ente - warum wäre es dann unverforen, das Ente zu nennen?

  • Wann reicht es endlich für einen Rücktritt Oppermanns? Seine Infamie begann ja nicht erst gegen Norbert Müller, sondern richtete sich bereits gegen die Aufklärung des Falles Edathy.

  • "widerlicher Kriegshetzer" ... - o.k. , das ist schon mehr als starker Tobak , ad personam des Bundespräsidenten , allerdings konkret themenbezogen und im poltischen Meinungskampf . Diese verbale Grenzüberschreitung zu kontern und zu qualifizieren mit einer Analogie zur "Strategie der Nazis gegen Reichspräsident Ebert" , das ist so abgeschmackt unmöglich , widerlich , dass man sich fragen kann , ob der Mann noch alle Tassen im Schrank hat .

  • Aber genau darum geht es doch: „…ob unserem Bundespräsident ein Einsatz in Syrien, Tibet oder Saudi-Arabien vorschwebt, ist unserer Fantasie überlassen.“

    Genau das ist doch der Punkt: Diese durchtrieben-verschlagene Ausdrucksweise lässt kein Szenario aus. Wenn man es denn nicht speziell und konkret, kriegshetzerisch

    nennen können sollte, dann ja doch wohl: Die herausgefaselte, verdruckst ausgebuffte Kriegslüsternheit eines spießbürgerlichen Salbaderhansels. Das typische Aushängeschild eines altersvertrockneten

    Deutschländer Würstchens.

  • Gauck ist ein Fundibellizist, weil er in seinen Reden militärische Einsätze der Bundeswehr gedanklich und verbal völlig vom UN Mandat und Völkerrecht abkoppelt. Darin besteht die eigentlich neue Qualität seiner Argumentation. Seltsam, dass das in der Presse nicht mal ansatzweise thematisiert wird, auch nicht dem grünen Fundiorgan TAZ.

     

    Oppermann tritt die Lunte aus mit seinem Nazivergleich. Weil sonst eine ehrliche Diskussionen darüber geführt werden würde, wie sich die Bundesrepublik Deutschland zur Friedenserhaltung weltweit positioniert, wie sie plant, sich für die Ursachenbeseitigung von Kriegen friedlich zu engagieren und wie sie ihren Waffenexport zurückschrauben möchte. Es wird keine Diskussion geführt zum Grundgesetz und dessen Paragraphen bezüglich der Bundeswehr als Verteidigungsarmee bzw. der Grundgesetzwidrigkeit von Aufruffen zum Angriffskrieg. Zu der Idee der GroKo, die parlamentarische Zustimmung zu Auslandseinsätzen einem kleinen Gremium zu übertragen und somit auszuhebeln. Zur Neuausrichtung der NATO auf der nächsten Tagung im September.

     

    Gleichzeitig wird Putin dämonisiert und "der Russe" als neues Feindbild installiert.

     

    Damit ist die Stoßrichtung der medialen Kriegsvorbereitung durch Gauck, SPDCDUCSUGRÜNE und die Mainstreammedien doch klar. Bloß das dusselige Volk will partout nicht einsehen, für Volk, Vaterland und Wirtschaftsinteressen Krieg zu spielen.

     

    Dabei gibt es doch im Ergebnis eines Krieges immer Vollbeschäftigung, Facharbeitermangel und Arbeitsplätze. Für die Überlebenden.

  • Bei so Typen wie Oppermann, aber auch Schäuble kann man sehen, wie alt und wie weit weg die von jeglichen Zeittrends sind.

    Zumindest haben die noch nie was von Internet gehört.

    Seit es Godwin's Law gibt, hat jeder, der halbwegs zeitgemäß mit dem Internet und Debatten umgeht, gelernt, dass er keine Nazi-Vergleiche mehr anstellen sollte, weil es mittlerweile geradezu das niedrige Niveau zeigt, auf dem debattieren kann.

    Bei Menschen von gestern und vorgestern, die uns regieren, ist das allerdings noch nicht angekommen.

    • @Age Krüger:

      Bin allerdings auch der Ansicht, dass der gute Godwin uns damit einen Bärendienst erwiesen hat, denn in der Regel wird der Vergleich gar nicht mehr auf seine Legitimität überprüft. Der Autor wird vielmehr ungeprüft als Verlierer der Diskussion hingestellt.

       

      In diesem Fall ist nicht der Nazi Vergleich, aber jener der Weimarer Republik.

      Nur das Oppermann sich überlegen sollte, wieso unser Staat am auseinanderreißen ist, ähnlich wie die Weimarer damals.

      Unsere Staatsprinzipien "demokratischer und sozialer Bundesstaat" haben dies effektiv verhindert über 40 Jahre lang, bis man den essentiellen sozialen Teil angefangen hat zu demontieren in den 80iger und seine Seeheimer unter/nach Schröder ihm den Rest gegeben haben.

    • @Age Krüger:

      Da hat jemand Godwin's Law nicht zu sehr verstanden.

       

      Es geht darin um den Zeitpunkt des Auftrettens des Nazivergleichs nicht um eine Aussage der Qualität der Diskusson.

      • @DasNiveau:

        Stimmt, das habe ich gar nicht berücksichtigt. Unter diesen Umständen ist es evtl. wirklich falsch, wenn man sich so verhält wie @Pleb es beschreibt und auf diese Vergleiche von sich aus verzichtet, um nicht als Verlierer einer Debatte dazustehen.

         

        @Pleb:

        Sie haben Recht. Oppermann stellt tatsächlich auch einen Vergleich an und behauptet damit, dass die momentane Situation in der BRD ähnlich instabil ist wie die der Weimarer Republik in den späten 20ern und frühen 30ern.

  • Ein unmündiger Präsident , sollte die Klappe halten . All die , die für den Krieg sind , sitzen hinter Tischen .

  • Wie verzweifelt muss die SPD eigentlich schon sein, damit einer ihrer Führungsleute zu diesem völlig inakzeptablen Vergleich greift? Eher sollten sie Gauck mal klar machen, dass es mit einer Wiederwahl sehr schlecht aussieht, wenn er weiter so ein Zeug labert, wie kürzlich ein taz-Kommentar treffend meinte. Wo will er eigentlich militärisch eingreifen? Im Irak, oder was? Na dann: viel Spaß. Ohne konkreten Bezug wäre es nur ein Beitrag zur weiteren Militarisierung der Außenpolitik; mit konkretem Bezug (Irak) wäre es ein Himmelfahrtskommando. So what, Mr. Gauck?

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Die Nazi-Keule wird halt nicht nur von Linken und Migranten geschwungen. Offenbar kann man damit sogar Herrn Gysi treffen.

    • @738 (Profil gelöscht):

      Die ist Universell und gut benutzt.

  • Kommentar entfernt. Bitte vermeiden Sie Nazi-Vergleiche.
    • @Sapasapa:

      Nun haben Sie es Oppermann aber mal so richtig gegeben. Gehts jetzt besser?

       

      Frei nach Brecht:

      "Seit ich verstanden habe, dass ich im Kampf gegen meine Feinde diesen immer ähnlicher werde...." Stand am 18.07.2013, 13:21 schon mal (folgenlos) in der taz.

      • @wirdschonnoch:

        Jetzt haben Sie mir es aber richtig gegeben.

         

        Bei meinem Kommentar sollte Ironie mitschwingen, aber Sie wissen wohl selber allzu gut, dass das mit der Ironie so eine Sache ist. Vielleicht finden Sie bei Brecht dazu Hilfe.

        • @Sapasapa:

          Das ist mit der Ironie tatsächlich so eine Sache. Und deshalb im Internet immer fehl am Platze.

          • @wirdschonnoch:

            Nicht mehr oder minder als "da draußen". Sie haben auch hier die Möglichkeit, nachzufragen.

            • @Sapasapa:

              Na, ich denke schon, dass es hier drinnen fast immer zu Missverständnissen führt. Ich geh mal raus..

               

              Diese pseudopolitischen Pöbeleien sind in jedem Fall deplaziert. Egal von welcher Seite. Was erreicht man damit wirklich? M.E. nix bzw. eher noch das Gegenteil des Beabsichtigten.

  • Dieses Niveau sagt ja wohl alles über Oppermann, und er disqualifiziert sich damit selbst. Auch schön.

     

    Herr Gysi (MdB) lässt sich durch eine derart durchsichtige Attacke nicht beschädigen.

    Wenn einem jedes Mittel "recht" wird|ist, dann habe ich keine Fragen mehr – weder zu Niveau noch zu natürlichem Anstand oder gar zu sachlicher Diskussion.

    Fällt irgendjemandem etwas auf?

    SPD?

    Wie heisst gleich noch mal die "Übersetzung"?

    SozialDemokratische Partei Deutschland . . .

     

    Eine Partei, die Fracking, Kohlverstromung, AlG2, Lobbyismus, Asylverweigerung für Snowdon, usw., usw. gut heißt, kann doch weder wählbar sein, noch ist sie ihrer Aufgabe auch nur ansatzweise gewachsen.

    Sie wollen einfach mit den "Großen mitspielen dürfen" (die in meinen Augen nichts für die Bürger, sondern alles für Großkonzerne und die USA tun), und dafür verraten sie meines Erachtens ihre Grundsätze, das Grundgesetz, die Menschenwürde und die Menschlichkeit.

     

    Armselig.

    Einfach nur armselig – aber sie wird ja von unseren deutschen obrigkeitshörigen und rückgratlosen Untertanen gerne wiedergewählt werden . . .

  • "Die Nazis polemisierten gegen Reichspräsident Ebert, weil er die Demokratie verkörperte, die sie mit Gewalt zerstören wollten."

     

    Die LINKE hat in ihrer langen Geschichte auch nicht gerade die Demokratielokomotive befeuert. Aber nun haben sie ja genug Kriede gefressen um das zu vergessen.

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @DasNiveau:

      Wollen Sie etwa subtil die grenzenlos perverse Monstrosität des Dritten Reichs verharmlosen, oder warum setzen Sie das indirekt - und, sofern es um die Linke geht, auch völlig unzutreffend - in Beziehung zur DDR?

       

      Relativist, Revisionist?

      • @90191 (Profil gelöscht):

        Antitotalitarist und Liberaler

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Ich finde es weder dumm noch plump und schon gar nicht unverfroren, Gauck einen Kriegshetzer zu nennen. Gauck weiß so gut wie jeder Andere, daß das Menschenrechts-Argument nur ein vorgeschobenes ist. Gerade er als Christenpfarrer ist in der Pflicht, hier nicht Angela Merkel, sondern Jesus Christus nach dem Mund zu reden - und dessen Lehre war kompromißlos, nicht verlogen, verwaschen und verwässert wie die des Gauck. Ich gehe noch weiter: Gauck mißbraucht sein Amt als Geistlicher regelrecht, kriegerische Gewalt auch noch als christlich legitimiert zu etablieren, als sei es nur eine Frage dessen, wer, warum und von wem getötet wird, ob Gott das erlaubt oder nicht. Letztlich aber steht Gauck damit in einer langen, langen christlichen und sehr zynischen Tradition des Blutvergießens.

  • Wer nimmt denn die Witzblattfigur Oppermann überhaupt noch ernst? In meinem Bekanntenkreis wird er nur noch Opportunistenmann genannt.

    • 6G
      688 (Profil gelöscht)
      @antares56: Kommentar entfernt. Bitte vermeiden Sie Unterstellungen.
      • @688 (Profil gelöscht):

        Das ist richtig.