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Kommentar Olympia-Aus und die MedienDas plumpe Hurra-Kostüm zieht nicht

Jürn Kruse
Kommentar von Jürn Kruse

Der Schulterschluss der großen Medien pro Olympia weckte anscheinend mehr Argwohn denn Überzeugung. Die Wirkmacht der Medien ist geschrumpft.

Nach dem Referendum waren die reichweitenstarken Medien alle dicht dran am NOlympia-Sprecher Florian Kasiske – im Vorfeld hatten sie sich nicht so viel Mühe gegeben Foto: dpa

E ine Erkenntnis bleibt nach dem nächsten verlorenen Referendum über die Olympische Spiele: Die großen Kampagnen ziehen nicht mehr. Zumindest nicht, wenn sie wie an der Elbe im plumpen Hurra-Hamburg-Kostüm durch die Medien ziehen.

Der NDR fand beispielsweise nichts Anrüchiges daran, seine Sondersendung zum Volksentscheid live aus der Barclaycard-Arena zu senden, also dem Ort, an dem die Befürworter der Olympiabewerbung feiern wollten. Das ist ungefähr so, als würde die ARD ihre Berichterstattung nach einer Bundestagswahl aus dem Konrad-Adenauer-Haus übertragen.

Aber der NDR gab sich nicht mal Mühe, so zu tun, als sei er neutral. Also durfte Michael Neumann, Sportsenator in Hamburg, am Sonntag davon schwafeln, dass sich die HamburgerInnen nun nicht beschweren dürften, wenn womöglich „obskure Städte“ die Spiele 2024 ausrichteten. Die Gegenfrage „Welche obskure Stadt meinen Sie? Paris, Rom, Los Angeles oder Budapest?“ wäre leicht gewesen. Sie kam nicht.

Das Abendblatt warf derweil schon am Wochenende vor dem Referendum mal einen Blick ins Jahr 2024 und berichtete auf 20 Sonderseiten vom Tag nach der Olympia-Abschlussfeier in Hamburg. Glaubt man den Berichten hätten es ganz tolle Spiele gewesen sein können.

Auch die Bild Hamburg hatte noch am Samstag getitelt: „Wetten, Hamburg stimmt mit JA!“ Doch dieses Jubeln im Sinne einer Kampagne bei gleichzeitiger Marginalisierung der Probleme verfängt nicht mehr. Der Schulterschluss der reichweitenstärksten Medien weckte anscheinend mehr Argwohn denn Überzeugung. Die Wirkmacht der einst großen Medien ist geschrumpft. Alternative Information und Desinformation sind leicht zu haben. Das führt zu Kollateralschäden: zu merkwürdigen Weltbildern und absurden Vorwürfen an die Medien (Lügenpresse und so weiter). Doch die Antwort darauf darf keine dumpfe, gleichklingende Berichterstattung sein.

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Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
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11 Kommentare

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  • Die Lokalausgabe taz Nord hat leider wenig dazu beigetragen, dass vor Ort kritisch über Hamburgs Olympiakonzept berichtet wurde. Sie hat das Thema schlicht verpennt. Schade!

  • Den meisten Leuten ist Olympia erstmal egal. Wenn sie aber selbst entscheiden müssen es vor der eigenen Haustür abzuhalten und zu bezahlen, dann merken die meisten, das es ihnen noch deutlich lieber irgendwo anders stattfindet. Man kanns ja immernoch im TV sehen. Solange die Olympiade jedesmal verbrannte Erde in Form von überflüssigem&/überteuerten Sportanlagen hinterlässt wird das nicht besser. Mittlerweile kennen viele doch die Bilder vergangener "Sportfeste"

  • Ich denke, dass die Medienschelte hier nur ein Teil der Betrachtung ist. Hier von Gefälligkeitspresse zu reden ist nur halb richtig , da die bei einer Olympiaübertragung die ja massive Pofiteure wären; Selbstzweck eben!

     

    Was aber ebenfalls 50 % des Problems ist ist der galoppierende Verlust der Gluabwürdigkeit der Politik. Die vorgeschobenen Argumente Paris und Sicherheit sind lachhaft!

     

    Es sind die nicht funktionierenden Großprojekte Eurorettung, Flüchtlingskrisenunorganisation, BER, usw. die zu Wahlenthaltung führen (um die 50 % bei Landtags und Bundestagswahlen) sowie solchen Widerständen bei eigentlich positiven besetzten Veranstaltung.

     

    Leider sieht das die Politik anders.

     

    Es ist DAS Versagen aller nicht zu erkennen, dass sich ganze Bevölkerungsgruppen abwenden.

  • In der Grundlagenermittlung wurden 77 Millionen Euro Kosten für die Freie und Hansestadt Hamburg veranschlagt

     

    Am 23. April 2013 verkündete Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz, dass das Projekt die Steuerzahler insgesamt 789 Millionen Euro kosten werde. (aus wikipedia)

     

    Wieviel die Elbphilharmonie am Ende den Stuerzahler kosten wird, wird man noch sehen müssen.

    Von 77 Millionen Grundlagenermittlung bis zu 789 Millionen in 2013 vorhergesagt, zeigt, dass die Elbphilharmonie mindestens 10mal so teuer ist wie veranschlagt.

    Nimmt man diesen Faktor 10 für Olypmia an, so würde man wahrscheinlich den tatsächlichen Kosten von Olympia nahe sein. Kein Wunder also und gut so, dass Hamburg dieses Olypmia abgelehnt hat.

  • Seit wann ist den Sportberichterstattung etwas anderes als dumpfe gleichklingende Propaganda, auch bei öffentlich rechtlichen? durch die übertragung soll doch gewinn erzielt werden. Bzw. seit wann handelt es sich bei Leistungssport selbst um etwas anderes als Propaganda zur Erzeugung massenpsychotischer Nationalisierungssimulationen? Die nachvollziehbare Abwahl der "Hamburger Spiele" in die Nähe von Pegida zu rücken, ist doch, naja, wirklich bescheuert.

  • "…

    Kommentar Olympia-Aus und die Medien

    Das plumpe Hurra-Kostüm zieht nicht…"

    Sorry - aber bei allem guten Bemühen -

    Herr Jürn Kruse -

    Das - & der Beitrag a Resumee -

    Hat was Subaltern-Altfränkisches!

    Als wär der Bürger - wären die Bürger -

    Hamburgs - (aber vum grano salis anderwo;) -

    So medienabhängig - sich

    Keinen eigenen Reim! - auf - öh ->

    Dieses Gammelfleisch Olympia -

    In der Sache & wg Finanzen -

    Plus räumlich/sachliche/zeitliche/ökologische

    Zumutungen zu machen.

     

    Mit Verlaub - in der Wolle demokratisch

    gefärbtes Vertrauen in den Souverän -

    Aller staatlich/kommunaler Einrichtungen -

    Sieht bei Ihnen - leider ähnlich schäbbig

    Wie bei den Poltikastern aus.

     

    Die Ohrfeige der Bürger von Hamburg sollten

    Alle Vorgenannten ernst nehmen.

    Wär fein - wenn Sie damit anfangen würden!¡)

    Danke.

  • Eine Presse die nur berichtet was die Herrschenden gerne hören ist lediglich Propaganda...

  • Der letzte Satz des Artikels läßt hoffen: "Doch die Antwort darauf []auf schrumpfende Wirkung und Vorwurf der Lügenpresse] darf keine dumpfe, gleichklingende Berichterstattung sein". Da sich die Medien insbesondere in den vergangenen Jahren jedoch auf zunehmende Weise dazu hergegeben haben ein neoliberales Sozialsystem mitsamt den einhergehenden lumpigen Großprojekten herbeizuschwatzen wie auch stets UNGENIERT (Jawohl: UNGENIERT!) treu flankierenden wenn nicht speichelleckenden Regierungs- und IHK-Journalismus zu betreiben (und jawohl taz, auch gegen Gewerkschaften zu hetzen), so ist der emotionale aber zupackend zutreffende Begriff Lügenpresse, da man sich von Seite der Journalist/Innen Argumenten gegenüber hartleibig völlig unbeeindruckt zu zeigen pflegt, nichts weiter als berechtigt.

    • @Ulrich Frank:

      Berechtigt prinzipiell vielleicht, aber nicht zweckentfremdet aus dem Munde rechter Idioten in Sachsens Landeshauptstadt.

  • Mal ein unangenehmer Kommentar:

    Nun kann die taz mal sehen, wie sich skeptische Bürger vorgekommen sind, als alle Leitmedien im Spätsommer kollektiv in den Willkommensrausch verfielen. Von Spiegel über SZ und Zeit bis taz, von Tagesschau über ZDF bis Privat-TV, pures Emo-TV ohne gedankliche Tiefe, ohne Weitblick, ohne Meinungsvielfalt. Die Pro-Olympia-Kampagne war quasi eine Reprise auf lokaler Ebene, zu einem anderen Thema, aber strukturell ähnlich.

  • Kleine Korrektur: Es war nicht der NDR, sondern "Hamburg 1", ein Lokalsender. Aber ansonsten stimmt es. Und richtig krass war es, als Schalthoff (der Moderator!) jemanden von der Linken scharf attackiert hat.