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Kommentar Offenlegung MissbrauchstäterEin aufklärerischer Anfang

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Die Erz­diözese New York veröffentlicht eine Liste von Klerikern, die des sexuellen Missbrauchs schuldig sein sollen. Gut, dass Namen genannt werden.

Bei sexueller Gewalt sollte die oberste Regel sein: schonungsloses Offenlegen der Taten Foto: imago images/AGB Photo

I st das nun Denunziation oder Aufarbeitung sexueller Gewalt? Die Erz­diözese New York hat eine Liste von 120 Klerikern veröffentlicht, die wegen sexuellen Missbrauchs an Kindern, Jugendlichen, Ordensfrauen glaubwürdig angeklagt sind oder gegen die Entschädigungsansprüche infolge von Missbrauchsvorwürfen geltend gemacht werden. Die meisten der genannten Kirchenmänner sind allerdings bereits tot oder aus ihren Ämtern entfernt worden.

Bei sexueller Gewalt, vor allem an Kindern und anderen Schutzbefohlenen, sollte die oberste Regel sein: schonungsloses Offenlegen der Taten. Und dafür ist es mitunter notwendig, Namen zu nennen. Wie sonst sollte Tätern auf die Spur gekommen, wie sollten jüngere Kirchengänger*innen vor Tätern gewarnt werden? Der zu erwartende Einwand, die in den USA genannten mutmaßlichen Täter seien doch gar nicht mehr aktiv – geschenkt. Das Schweigen der Vergangenheit wirkt, wenn es weiter betrieben wird, ja direkt in der Gegenwart.

Als die Deutsche Bischofskonferenz im vergangenen September bei ihrem Jahrestreffen in Fulda mit großen Brimborium die von ihr selbst in Auftrag gegebene „Missbrauchsstudie“ vorstellte, wurde wieder einmal deutlich: Mit Wahrheit und Transparenz nimmt es die katholische Kirche nicht so ernst. Die Akten, die für die Studie herangezogen wurden, waren zum Teil geschwärzt und anonymisiert, viele Seiten sogar vernichtet worden – von der Kirche. Auf das Nennen von Namen verzichtet die Bischofskonferenz bis heute. Man könnte ja Neffen und Nichten von verdächtigen Kirchenoberhäuptern verunsichern, wie der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Reinhard Marx, in Fulda murmelte. Übersetzt heißt das: Die Kirche schützt die Täter weiter.

Möglicherweise fällt es leichter, die Namen verstorbener Täter zu nennen – so wie jetzt in den USA. Trotzdem ist das weniger Denunziation als ein aufklärerischer Anfang. Das könnte die Kirche in Deutschland auch leisten. Sie muss es nur wollen.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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4 Kommentare

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  • Vertuschen, Verschleiern, katholische Auslegung von Religion.



    Kindesmissbrauch ist wenn ich die Stille "höre" wenn es um dieses Thema, besonders wohl in der kath. Kirche oder der Familie geht in Deutschland ein Kavaliersdelikt über da man besser schweigt.

    Unter den Talaren, der .......!

  • Aber bitte bedenken: gleiches Recht für alle. Die US-amerikanische Sitte, die Namen von Sexualstraftätern zu veröffentlichen, wurde hier schon gelegentlich scharf kritisiert.

    Am derzeitigen Pubkt der Diskussion scheint es notwendig zu sein, mal wieder darauf hinzuweisen, dass die Zahl der Missbrauchstäter und Taten in der katholischen Kirche anteilmäßig eher niedriger liegt als in vergleichbaren sozialen Großorganisationen wie Sportvereinen, Pfadfinderbewegung, öffentlichen Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen.

    Kirchenintern gilt: Klerikalismus ist destruktiv. Das müssensich aber nicht nur die Priester und Bischöfe, sondern auch die Laien hinter die Ohren schreiben, die Priester allzulange auf ein unangreifbares Podest gestellt haben.

    Auch das kennt man allerdings aus anderen Bereichen auch. Ich erinnere mich noch gut an die Empörung, als die USA tatsächlich mit der Strafverfolgung von Roman Polanski ernst machen wollten. Da gab es viele Äußerungen nach dem Motto: was nehmen sich die prüden US-Amerikaner gegenüber solch einem bedeutenden Regisseur heraus.



    Na ja, der hatte halt nur eine 13-jährige unter Drogen gesetzt und vergewaltigt.

    Ich finde es gut, dass diese Taten ans Licht kommen und als das entlarvt werden was sie sind: üble Verbrechen. Aber, wie schon gesagt: gleiches Recht für alle.













  • Das Nennen von Namen ist nicht notwendig - insbesondere wenn es bisher nur eine Anklage - aber keine Verurteilung - gibt, um jüngere Kirchengänger*innen vor Tätern zu schützen.

    Denn, wenn ein Mensch, der in einer kirchlichen Position - etwa als Priester - erwiesener Maßen sexuellen Missbrauchs von Positionen, in denen er einen solchen wieder begehen kann, ausgeschlossen wird, kann er Kirchengänger*innen nicht mehr missbrauchen.

    Wichtig ist also nicht, dass die Namen von mutmaßlichen Tätern veröffentlicht werden, sondern dass, solange ein Vorwurf untersucht wird, der beschuldigte Mensch suspendiert wird und, wenn sich die Vorwürfe bestätigen, sowohl strafrechtlich als auch disziplinarisch bestraft und von Positionen, die ihm einen sexuellen Missbrauch von Kirchengänger*innen ermöglichen, entfernt wird.

    Die Nennung von Namen - insbesondere wenn es bisher nur eine Anklage - aber keine Verurteilung - gibt, heißt, denjenigen an einen öffentlichen Pranger zu stellen.

    Das ist - meiner Ansicht nach - barbarisch und nicht mehr zeitgemäß.

    Denn einmal veröffentlichte Informationen kann man - insbesondere in der modernen Informationsgesellschaft - nicht wieder zurücknehmen, so dass ein Täter dadurch quasi für den Rest seines Lebens gebrandmarkt ist. Genauso gut könnte man ihn mit einem Brandmal auf der Stirn zeichnen. Eine Resozialisierung, die Wiedereingliederung in die Gesellschaft nach Verbüßen der Strafe, wird so erschwert oder gar vereitelt.















    Es ist gut, zu fordern, dass die Kirche aufhört, die Täter zu schützen.

    Es ist gut, zu fordern, dass Fehlverhalten - sexueller Missbrauch oder was auch immer - angemessene disziplinarische und personelle Konsequenzen hat.

    Es ist gut zu fordern, dass Straftäter angemessen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden und die Kirche Täter davor nicht schützen darf.

    Es ist NICHT gut, darüber hinaus zu fordern oder gutzuheißen, dass vermeintliche Täter von der Kirche an den Pranger gestellt werden.











    • @Michael Laube:

      Den kompletten Ausschluss aus der katholischen Kirche gibt es praktisch nicht. In schweren Fällen haben Geweihte ihre Weihe verwirkt. Unter bestimmten umständen ist man von der Eucharisitie (Kommunion/Abendmahl) ausgeschlossen. das ist aber kein Ausschluss aus der Kirche.



      Die veröffentlich von Namen ist (aus deutscher Sicht) problematisch, wenn derjenige nicht verurteilt wurde. Aber auf der anderen seite kann das auch zu weiterer aufklärung beitragen.



      Es ist sowieso nicht wirklich klar, ob es in der rk kirche mehr Missbrauch gegeben hat, als unter vergleichbaren Umständen in anderen Organisationen und Institutionen. Es ist aber klar, dass es systematische Vertuschung gegeben hat. Und damit bricht die Veröffentlichung des New Yorker Bistums.



      Aus meiner Sicht ist klar, dass sich auch eine Institution zu ihren Fehlern 8egal welchen Grades) bekennen muss. Als Institution sogar öffentlich. Denn dieses Bekenntnis ist die Voraussetzung für die Klärung und hoffentlich auch eine Versöhnung.



      Kirche ist menschlich und damit immer auch fehlbar.