Kommentar Österreichs Präsidentenwahl: Wenn die Fetzen fliegen
Die Präsidentschaftskandidaten Hofer und Van der Bellen trafen im TV-Duell aufeinander. Am Ende gewann jedoch nur einer: der Fernsehsender.
![Ein Mann, es ist Norbert Hofer, lässt sich in einem Fernsehstudio schminken Ein Mann, es ist Norbert Hofer, lässt sich in einem Fernsehstudio schminken](https://taz.de/picture/1202962/14/imago70953355h_1_.jpeg)
N orbert Hofer von der rechten FPÖ und der Grüne Alexander Van der Bellen, der als Unabhängiger antritt, stehen für zwei unterschiedliche Welten, deren Schnittmenge über die gemeinsame Ablehnung des transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP nicht weit hinausgeht.
Umso erstaunlicher, dass sie bisher im Wahlkampf die Glacéhandschuhe angelassen hatten. Alexander Van der Bellen, der im ersten Wahlgang einen Rückstand von 14 Punkten hatte, hat mehr Terrain gutzumachen. Es geht jetzt um jene fast zwei Millionen Wählerinnen und Wähler, die bei der ersten Runde einen anderen Kandidaten angekreuzt hatten, und um jene über zwei Millionen potenzielle Wähler, die im ersten Wahlgang zu Hause geblieben sind.
Van der Bellens Berater haben dem bedächtigen Professor schon lange empfohlen, angriffslustiger aufzutreten und die Differenzen zum autoritären Gegner stärker herauszustreichen. Entsprechend aggressiv ist er bei der Sonntagsdebatte im Privatkanal ATV aufgetreten. Das Format – 45 Minuten Rededuell ohne Moderation – ließ gespannte Erwartung entstehen. Denn in der gefühlt 150. Begegnung der Hofburg-Kandidaten seit der ersten Wahlrunde war inhaltlich nicht viel Neues zu erwarten.
Wer gehofft hatte, dass zumindest die bekannten Positionen ausführlicher diskutiert würden, der wurde enttäuscht. Norbert Hofer hat geschickt versucht, die Glaubwürdigkeit seines Gegenübers zu unterminieren und dessen Anhängerschaft als abgehobene Schickeria zu diffamieren. Van der Bellen ließ sich provozieren. Kein Wunder, dass zeitweise die Fetzen flogen.
Gewinner des Schauspiels ist zweifelsohne der Sender ATV, der es gewagt hat, die Kandidaten in einem ungewöhnlichen Format gegeneinander antreten zu lassen, und damit Quoten erzielte, von denen man sonst bei den Privatkanälen nur träumen kann. Verlierer sind beide Diskutanten und die Würde des Amtes, das sie anstreben.
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