Kommentar Ökobilanz von Produkten: Umweltpolitik ist Machtpolitik
Sind Hinweise auf die wahren Kosten von Waren der erste Schritt in die Ökodiktatur? Nein. Der Vorstoß der Umweltministerin ist richtig.
A chtung, dieses Smartphone enthält Spuren von Kinderarbeit.“ Oder: „Funktioniert nur 18 Monate und ist nicht zu reparieren.“ Sind solche Hinweise auf die „wahren Kosten“ eines Produkts der erste Schritt in die Ökodiktatur? Nein, das sind sie nicht. Leider nicht.
Schon ewig und völlig zu Recht fordern Ökonomen, die nicht ganz vernagelt sind, dass der Preis eines Produkts alle seine Kosten für die Umwelt und das soziale Umfeld, die „externen Kosten“, spiegeln soll. Vor allem Umweltschäden werden ja bisher gern an die Allgemeinheit weitergereicht.
Insofern ist der Vorstoß der Umweltministerin Barbara Hendricks nur zu begrüßen. Aber auch ihr eigentliches Anliegen ist richtig: nämlich dem Umweltressort mehr Macht im Bundeskabinett zu geben.
Denn immer wieder reden alle davon, Umwelt sei eine „Querschnittsaufgabe“. Aber vor allem bei den beiden Hauptschuldigen für Rückschritte in der Ökobilanz Deutschlands kommen diese Sonntagsreden nicht an: In der Landwirtschaft und beim Verkehr gehen die meisten Entwicklungen in die falsche Richtung. Und die zuständigen Ministerien stehen aus Eigeninteresse und falsch verstandener Klientelpolitik häufig dem ökosozialen Umbau der Industriegesellschaft im Weg.
Seit Jahrzehnten gibt es generell in der Umweltpolitik kaum Fortschritte in zentralen Fragen: Das Steuersystem ist nicht nachhaltig, Subventionen fließen in die Umweltzerstörung, wir unterhalten Verkehrssysteme wie vor hundert Jahren.
Einmischen wäre großer Fortschritt
Da geht es um Machtfragen, und die sind nur durch Machtpolitik zu lösen. Es wäre ein großer Fortschritt, wenn das Umweltministerium sich in die Agrarpolitik und die Verkehrsplanung einmischen könnte und nicht nur hinterher kommen dürfte, wenn das Kind schon in den verseuchten Brunnen gefallen ist. Ob das die Ressortlogik im fein austarierten Biotop einer Koalitionsregierung aushält, ist eine ganz andere Frage.
Aber es stimmt ja: Einfach ein bisschen Ökospielzeug in der Kinderecke des Kabinetts zu installieren, während die großen Jungs mit ihren Spielzeugen das Klima aufheizen, die Pflanzen ausrotten und die Luft verpesten, das ist kein Weg zur Bewahrung der Umwelt oder zur Sicherung der Wirtschaftskraft des Landes.
Die Umwelt ist so zentral, dass auch ihr Sitz am Kabinettstisch zentral werden muss. Denn die Ökodiktatur gibt es schon immer: Ohne Ökologie läuft hier gar nichts. Nicht einmal eine Bundesregierung.
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