Kommentar Occupy-Proteste in Rom: Eben kein zweites Genua

Anders als in Genua vor zehn Jahren schlug die Polizei in Rom nicht wahllos zu, als sich dort am Wochenende Hunderttausende der occupy-wallstreet-Bewegung anschlossen.

MICHAEL BRAUN ist taz-Korrespondent in Rom.

Rom am Samstag, das waren Bilder wie zuletzt vor zehn Jahren in Genua. Da sind Hunderttausende Demonstranten auf den Straßen, die friedlich protestieren, doch unter sie haben sich ein paar hundert Black-Blocker gemischt, die eine Spur der Verwüstung hinter sich herziehen.

Doch zwei Dinge waren völlig anders als in Genua. Diesmal schlug die Polizei nicht wahllos zu, sie ließ die friedlich Demonstrierenden unbehelligt. Vor allem aber war der Bruch zwischen den "Militanten" mit ihren Kapuzen-Shirts und dem Gros der Demonstranten zu beobachten. "Wir sind 99 %", dieser Slogan, der zunächst auf die Reichen, die Banken, die Politik zielte, wurde während des Marschs zur Parole gegen die Randalierer.

Gegen Randalierer, die die Demonstranten um sie herum gleichsam als menschliche Schutzschilde missbrauchten: zu keinem Zeitpunkt verließen sie dem enormen Zug, sondern schlugen immer wieder aus seiner Mitte heraus zu. Die, die so vom schwarzen Block in Geiselhaft genommen wurden, reagierten mit empörten Sprechchören, "Lumpen! Faschisten!", aber auch ganz praktisch. Mehrfach kam es zu Rangeleien, zu Schlägereien, drei Autonome wurden gar von Demonstranten festgehalten, nachdem sie ein Auto angezündet hatten - das übrigens einer Arbeitslosen gehörte - und dann der Polizei übergeben.

Dies zeigt: Der Bruch zwischen dem Gros der Bewegungen und den "Straßenkämpfern" ist total. Die Zeiten, in denen auch friedliche Protestierer theoretisierten, jeder wähle am Ende selbst seine Protestformen, wie man es in Genua zum Beispiel oft hören konnte -, diese Zeiten sind definitiv vorbei. Die breite Masse der Bewegungen will sich nicht mehr instrumentalisieren lassen, sie weiß: Die Chancen zur Verstetigung der Proteste stehen selbst nach den Ausschreitungen von Rom gut. Unter einer Bedingung allerdings: dass es gelingt, zur Not auch mit Ordnerdiensten, die Gewalttätigen in die Schranken zu weisen.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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