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Kommentar Obamas WahlsiegEindeutig gespalten

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Barack Obama hat die Wahl gewonnen doch im Kongress haben die Republikaner weiterhin die Mehrheit. Der knappe Vorsprung des Präsidenten ist auch eine Hypothek.

B arack Obama hat gewonnen – knapp, aber doch eindeutig. Die demokratischen Wahlstrategen haben alles richtig gemacht. Unter Demokraten überwiegt die Stimmung großer Erleichterung und der schwarzen Bevölkerung blieb ein Schlag ins Gesicht erspart – was wäre das für ein Zeichen gewesen, wenn jemand wie George W. Bush acht Jahre regiert und der erste schwarze Präsident nach einer Amtszeit nach Hause geschickt würde?

Obama hat zwar die eindeutige Mehrheit der Stimmen im entscheidenden Electoral College, dem Wahlmännergremium. Bis auf North Carolina und womöglich Florida hat er alle Swing Státes gewinnen können. Landesweit aber hat Mitt Romney nur knapp 1 Prozent der Stimmen weniger erhalten als Obama. Damit behält die Blockadehaltung der Republikaner im Kongress aus ihrer Sicht Legitimität. Das Regieren wird kein Stück einfacher. Und: Das Land bleibt genauso gespalten wie zuvor.

Insgesamt hat die Wahl absolut widersprüchliche Signale ausgesendet. Einerseits haben die Republikaner ein Riesenproblem. Romney wurde erst dann zum ernsthaften Herausforderer, als er sich ab der ersten Fernsehdebatte von nahezu allen Positionen verabschiedete, die ihm einst den Sieg bei den republikanischen Vorwahlen beschert hatten. Wenn eine Partei aber nur Kandidaten wählt, wenn sie Positionen vertreten, mit denen keine Wahlen zu gewinnen sind, hat sie ein Problem.

Bild: privat
BERND PICKERT

ist Auslandsredakteur der taz, dort zuständig für die Amerika-Berichterstattung und derzeit in Washington DC, um von der Wahl zu berichten.

Die Parteirechte wird jetzt wiederum schreien, das Romney einfach nicht glaubwürdig genug konservativ gewesen sei und deshalb verloren habe. Die Strategen werden dagegen setzen, dass die von der Tea Party gepushten Kandidaten jede Chance der Republikaner verspielt haben, die Kontrolle im Senat zu gewinnen. Und sie werden auch sagen, dass Romney besser abgeschnitten hätte, wenn er nicht durch diesen irrsinnigen, von Tea Party und religiösen Fanatikern getriebenen Vorwahlprozess hätte gehen müssen. Wer sich in dieser Auseinandersetzung durchsetzt, ist offen – aber das Ergebnis wird auch darüber entscheiden, ob mit den Republikanern im Kongress gearbeitet werden kann oder nicht.

Die Demokraten haben den gesamten Wahlkampf darauf verwandt, Angst vor einer republikanischen Präsidentschaft zu schüren und ihre eigene Basis zu mobilisieren. Wie Obama jetzt im Wahlkampf aufgetreten ist, hatte mit dem Präsidenten der ersten Amtszeit, der Kompromisse suchte und zentrale Versprechen vernachlässigte, nicht viel zu tun. Obama steht nicht mehr zur Wiederwahl: Er kann versuchen, diesen Kurs beizubehalten.

Einwanderungsreform angehen

Erstes Thema, was er offensiv angehen könnte: Endlich die schon 2008 versprochene Einwanderungsreform angehen, damit den über zwölf Millionen ohne gültige Papiere im Land lebenden MigrantInnen eine legale Zukunft angeboten werden kann. Das Thema ist auch geeignet, die republikanischen Reihen zu knacken: Bei ständig steigender hispanischer Wählerschicht in Schlüsselstaaten können sie es sich nicht mehr leisten, weiterhin nur auf Härte zu setzen.

Vor allem aber: Ein Präsident, der nicht mehr wiedergewählt werden muss, könnte auf Prinzipientreue setzen, könnte den Konflikt mit dem Kongress suchen und gewinnen – und nicht von vornherein verloren geben wie in der ersten Amtszeit. Immerhin gibt es ein paar Anzeichen für einen Schwenk: Erstmals in der US-Geschichte wurden Referenden pro Homoehe und pro Migration gewonnen.

Die Republikaner werden sagen, dass Obama als Präsident einer gespaltenen Nation für einen linksliberalen Kurs kein Mandat hat – und sie hätten sogar recht. Aber das hatte George W. Bush von rechts auch nie. Er hat vorgemacht, wie man das Land von der Präsidentschaft aus nach rechts rückt. Es ist höchste Zeit für einen Schwenk.

Update 8.52 Uhr: In einer früheren Version des Kommentars war noch von einer leichten absoluten Stimmmehrheit für Romney ausgegangen worden.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. Bluesky: @berndpickert.bsky.social In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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8 Kommentare

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  • C
    Christian

    Ja und wie hat Bush das gemacht?

  • N
    Niedra

    Die USA sind und bleiben was sie waren. Mit deutlichen Veränderungen ist nicht zu rechnen. Alles wie gehabt.

    Was sich allerdings einige hiesige 'Journalisten' an unterwürfigem Geschleime leisteten, kann einen nur anwidern. Übrigens: Demokratische Wahlen sehen anders aus.

  • T
    T.V.

    Kann man das jetzt als Erfolg verbuchen, wenn Stagnation statt rechte Radikalisierung gewählt wurde? Arme USA

  • P
    Paul

    Herr Pickert,

    in welcher Welt hat Romney mehr Stimmen bekommen?

    So wirkt der ganze Kommentar auf mich unseriös. Schade.

  • A
    Andreas

    In der Einleitung des Artikels auf der Startseite steht, Romney hätte mehr Stimmen gesammelt, im Kommentar selbst steht, Obama hätte 1 Prozent mehr. Was stimmt denn nun?

  • D
    Detlev

    Ich freue mich über den Sieg von Obama, aber ich habe Zweifel, dass er seine Vision jemals wird in die Praxis bringen können. Letztlich steuern die USA seit Al Gore immer wieder auf eine konsequente Patt-Situation zu: Es fehlt der Entschluss für ein Programm, es gibt keine nationale Einheit mehr. Obamas Vorstellungen, wie er sie in seinen Büchern formuliert hat, sind nur schwer durchsetzbar und das ist schade, denn die USA brauchen einen neuen Entwurf.

     

    Ich konnte mir nie vorstellen, was für ein Präsident Romney geworden wäre. Richtig überraschen tut mich seine Niederlage deswegen nicht. Man kann nur hoffen, dass Republikaner und Demokranten jetzt begreifen, dass sie eine gemeinsame Platform für dieses Land brauchen.

  • M
    Mmo

    Im ZDF trat während der Wahlberichterstatteung ein ZDF-Korrespondent auf, der von einer Wahlparty der Republikaner berichtete. Bei diesem ZDF-Korrespondenten handelte es sich um einen scheinbar erzkonservativen Jungspund, den man sich gut in der rechts von der CDU angesiedelten "Jungen Union" (bei der es sich viel eher um einen jungvergreisten Polityuppie-Verein handelt) vorstellen kann. Diesem ZDF-Korrespondenten strahlten regelrecht die Augen, als er von dem zwischenzeitlichen Vorsprung der nach europäischen Maßstäben beinahe rechtsextremen Republikaner berichtete und er seine Schuldzuweisungen für die desolate Lage in den USA - mittels extrem unkritischer Widergabe von Republikanerstimmen - an die Adresse Obamas und der Demokraten richtete. Das ist symtomatisch für den Zustand weiter Teile der deutschen Medien: Die beinahe rechtsextremen US-Republikaner werden hofiert (so nannte der ZDF-Moderator Claus Kleber vor wenigen Tagen Romney in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau einen "Mann der Mitte"), der über weite Strecken mit sozialdemokratischen Zielen (die von den "Sozialdemokraten" Schröder, Müntefering, Steinbrück, Gerster, Sarrazin, Clement und Co. "verraten" wurden) antretende Oskar Lafontaine ist hingegen auch in den Augen der ZDF-Moderatoren geradezu des Teufels.

  • CA
    C Antonius

    In Kalifornien gingen die beiden Referenden - Ablehnung der Todesstrafe und Etikettierung von Gendreck - verloren. Die three strikes policy wurde hingegen abgeschafft. Auch das spricht Bände über das heutige Amerika. Es bleibt Monsanto treu und erlaubt judicial killings.