Kommentar Obamas Berliner Rede: Obama und das Wir-Gefühl

Das Obama-Feeling ist die Verheißung eines Gemeinschaftserlebnisses. Doch wenn er gewinnt, wird er für uns ein schwieriger US-Präsident sein.

Barack Obama ist so etwas wie ein David Beckham der Politiker. Irgendwie anders, glamouröser. In Deutschland ist er zu einer Sehnsuchtsfigur geworden, Gegenbild zu dem aggressiven Provinzialismus des George W. Bush.

Obama ist ein Meister des Wir. Das ist der Schlüssel, warum er wie ein Popstar gefeiert wird. Das ist die zentrale Botschaft seiner Berliner Rede gewesen. Wir alle, Muslime und Christen, Arme und Reiche, können die Gefahren bannen, wenn wir es wollen. Das Obama-Feeling ist die Verheißung eines Gemeinschaftserlebnisses. Damit erfüllt er perfekt die Wünsche einer Eventkultur, die begierig nach einem flüchtigen, großen Wir-Gefühl ist. Doch wenn Politik sich mit Projektionen und Sehnsüchten mischt, ist die Fallhöhe groß. Ist Obama nach der Rede in Berlin irdischer geworden?

Ja, und das ist auch gut so. Zum einen, weil man auch die Schwäche seiner Rhetorik merkte. Mit dem Loblied auf die tapfere Frontstadt Berlin knüpfte er an Kennedy und Reagan an. Aber die Licht-und-Finsternis-Metaphorik, die in den USA so viele begeistert, wirkte hier seltsam ausgeliehen. Wie die Anrufung einer strahlenden Vergangenheit, die doch nicht die seine ist.

Viel wirkungsvoller war seine kräftige Rhetorik, wo er die Gefahren der Globalisierung finster ausmalte, um seine zentrale Botschaft in umso stärker leuchtenden Farben erscheinen zu lassen: Mehr Zusammenarbeit ist nicht nur wünschenswert, sondern nötig. Vor allem beim Klimaschutz, was in den USA wenige, in Deutschland um so mehr gerne hören. Aber klar ist auch: Wenn man den Obama-Feelgood-Faktor abzieht, bleibt eine kristallklare Aufforderung. Mehr europäische Soldaten nach Afghanistan. Obama wird, wenn er gewinnt, für Deutschland auch ein schwieriger US-Präsident werden. Afghanistan gilt in den USA vielen als the good war. Obama wird ihn forcieren - obwohl Afghanistan allein militärisch nicht zu befrieden ist.

Obama ist ein Popstar, auch weil er noch nicht US-Präsident ist. Er verkörpert ein Versprechen und das offene, multiethnische Amerika. Sein Charme besteht auch darin, dass er noch nicht mit der Macht identifiziert wird. Seit gestern weiß man etwas genauer, mit wem man es zu tun hat, wenn er siegt.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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