Die Medienmarke Obama: Wink, lach, thank you!

Barack Obama sprach in Berlin - alle Medien berichteten. Fallen sie auf seine Medienstrategie herein? Und wie geht es eigentlich seinem Gegenkandidaten?

Und von allen Bildschirmen lacht: Obama. Bild: ap

19.21:10 Uhr: Barack Obama tritt ins Bild, hinter ihm die Siegessäule. Er winkt, lacht, winkt, winkt, winkt, winkt, lacht, winkt, lacht, winkt, winkt, lacht. In dieser Reihenfolge. Um 19.22:04 Uhr sagt er: "Thank you. Thank you. Thank you so much. Thank you. Thank you. Thank you. Thank you so much. Thank you. Thank you. Thank you to the citizens of Berlin. And thank you to the people of Germany." Dann beginnt seine Rede.

ARD, ZDF, ZDF info, Eins Extra, Phoenix – alle öffentlich-rechtlich – und die privaten Nachrichtensender N24 und n-tv übertrugen sie am Donnerstag, der Rundfunk Berlin-Brandenburg schoss eine Sondersendung hinterher. Da kann man ja mal fragen: Ist eigentlich sonst nichts los?

Nein, es ist sonst wohl nichts los, auch in den USA nicht, abgesehen davon, dass es John McCain, Obamas republikanischen Gegenkandidaten für die Präsidentschaft, eigentlich auch noch gibt. Obama allerdings reist mit einem Tross von 200 ausgewählten US-amerikanischen Journalisten. McCain bleibt nur ein überschaubarer Rest. Er flüchtete sich angesichts dessen in als Ironie getarnte Medienkritik: Sein Team verteilte an die Journalisten aus seinem Begleittross Zugangspässe mit der Aufschrift "Journalisten der B-Liga" und platzierte auf seiner Webseite Obamas Kopf im Schriftzug "The Media Is In Love".

Was McCain als Ungleichbehandlung anprangert, hat der Think-Tank "Project for Excellence in Journalism" in Zahlen gegossen: In 78 Prozent der Berichte in Printmedien, Hörfunk und Fernsehen über die bevorstehende US-Wahl war Obama in den vergangenen Wochen eine Hauptfigur, McCain in 51 Prozent. CNN, MCNBC und selbst der Fox News Channel, der zum Medienimperium des politisch konservativen Rupert Murdoch gehört, berichteten am Mittwoch etwa nur kurz von einem Aufenthalt McCains in Pennsylvania, um dann lieber zu Obamas Pressekonferenz in Israel umzuschalten.

Der Direktor des Projekts, Tom Rosenstiel, vermutet als Grund "den historischen Charakter von Obamas Kandidatur". Auch entscheidend für die Aufmerksamkeitsunterschiede sind aber vielleicht Einschaltquoten und Verkaufszahlen – die entscheidenden publizistischen Währungen: Die TV-Rededuelle der Demokraten hatten gute Quoten; Zeitschriftentitel mit Obama, ob Time, Men’s Vogue oder Newsweek, verkauften sich außergewöhnlich gut. Was wiederum auch an den Strategen des Kandidaten liegt: Sie sorgen für die wirkungsvolleren Bilder. Von Obamas Afghanistan-Reise etwa wurden nur wacklige Handykamera-Bilder übertragen. Besser als durch jeden Kommentar erzeugte Obamas Team so den Eindruck: Dieser Mann begibt sich notfalls mitten rein in die Gefahr, von der Vietnamveteran McCain behauptet, sie sei sein zweiter Vorname.

Und so wurden die Medienstrategien der Kandidaten am Donnerstag auch Thema im deutschen Fernsehen – weil das wohl als der praktisch einzige Weg erschien, im Trubel um den Senator für ein wenig Rest-Distanz zu sorgen. Das ZDF zeigte McCain, wie er mit wenigen Journalisten im Flieger über Privates spricht und thematisierte seine Unzufriedenheit über die mangelnde Aufmerksamkeit. Über Obama hieß es dagegen beim RBB: "Keine Antworten zwischen Tür und Angel, das ist Obamas Medienstrategie." Spiegel Online trug in einem Live-Ticker über seinen Berlin-Besuch ein Indiz dafür bei, dass seine Medienstrategie stattdessen in außergewöhnlich wirkungsvoller Bild-Produktion besteht: "[16.49] In T-Shirt, schwarzer Trainingshose und weißen Turnschuhen betritt Obama das Luxushotel Ritz Carlton – offenbar will er dort im Fitnessraum Sport treiben."

So hat sich Obama mit klugen Inszenierungen und Angeboten an Journalisten zur internationalen Medienmarke gemacht, bevor der Wahlkampf richtig begonnen hat. Obama ist "der, der nach einer Menschenmenge ruft", befand Dieter Kronzucker auf N24. Und wie detailverliebt Obamas Team die Bedingungen schafft, ließ sich in Berlin feststellen. Selbst die Kamerapositionen der Fernsehsender legte es fest: Im Hintergrund sollte man das Brandenburger Tor sehen.

Die meisten Sender übten sich, wissend, dass sie eine Wahlkampfveranstaltung eins zu eins übertrugen, zumindest in den Kommentierungen schließlich in zwar wohlwollender, aber doch in Distanz. Nachdem man "O-Ba-Ma"-Rufe gehört und Bilder von Zehntausenden – "halb Fanmeile, halb Kirchentag", nannte es im ZDF John Kornblum, der ehemalige US-Botschafter in Deutschland – gesehen hatte, verabschiedete Claus Kleber die ZDF-Zuschauer sehr sachlich: "Wir haben einen Kandidaten kennen gelernt, der sich entschlossen hat, seine große Rede nicht in London oder Paris und auch nicht im Nahen Osten, sondern in Berlin zu halten. Das ist passiert. Nicht mehr, aber auch nicht weniger." Ein bisschen viel Gedöns für so etwas, aber da gibt es ja tatsächlich größeren Unsinn im Fernsehen.

Abzuwarten bleibt, was passiert, wenn John McCain mal zu Besuch kommt. Zum Beispiel als US-Präsident.

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