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Kommentar NordkoreaGefährlich, aber nicht irre

Martin Fritz
Kommentar von Martin Fritz

Kim Jong Il ist nicht der "Irre mit der Bombe". Seine Kriegsdrohungen sollen die USA zu direkten Gesprächen zwingen.

Jetzt droht Nordkorea auch noch mit Krieg. Südkorea will sich an der Durchsuchung von nordkoreanischen Schiffen mit Atom- und Raketenfracht beteiligen. Pjöngjang begreift diesen Schritt als Kriegserklärung. Zudem fühlt sich Nordkorea nicht mehr an das Waffenstillstandsabkommen des Koreakrieges gebunden. Für ungeübte Ohren klingt das dramatisch gefährlich, doch die martialische Rhetorik gehört zur nordkoreanischen Propaganda wie das Amen in die Kirche. Keine Gesellschaft ist so militarisiert wie Nordkorea. Trotzdem war ein Atomkrieg zu Zeiten des Kalten Krieges viel wahrscheinlicher als jetzt auf der koreanischen Halbinsel.

Die jüngsten Kriegsdrohungen aus Pjöngjang gehören zum eingeübten Erpressungsritual: Das Trommelfeuer aus Atomtest, Raketenschüssen und Kriegsgeschrei soll die USA zu direkten Gesprächen zwingen. Kim Jong Il ist nicht der "Irre mit der Bombe". Seine Botschaft ist ganz rational: Wir sind gefährlich - also verhandelt mit uns!

Trotzdem kann der Konflikt aus dem Ruder laufen. Just darin besteht die eigentliche Gefahr. Der gesundheitlich angeschlagene Diktator Kim steht unter Zeitdruck, seine Nachfolge zu sichern. Dabei sitzt ihm das Militär im Nacken. Zwar scheint die von Nordkorea betriebene Eskalation noch kontrollierbar zu sein, nicht zuletzt weil seine Atombomben und Raketen bisher wenig kriegstauglich sind. Gleichzeitig aber stehen sich am 38. Breitengrad über eine Million Soldaten gegenüber. Seit 50 Jahren trainieren sie auf beiden Seiten für den Ernstfall. Schaukelt sich der Konflikt weiter hoch, dann wäre ein neuer Koreakrieg durchaus möglich. Südkoreas Hauptstadt Seoul mit ihren 20 Millionen Einwohnern würde darin untergehen. Und selbst wenn es nicht so weit kommt: Ein bewaffneter Konflikt würde die Weltwirtschaft in jedem Fall schwer treffen: Nordkorea sitzt zwischen China, Südkorea, Japan und Taiwan - das sind wesentliche Industriezonen dieser Welt. Wirtschaftlich ist Ostasien eng verbunden. Aber politisch ist man sich so fremd wie Europas Nationen vor dem Ersten Weltkrieg. Der Region droht daher ein atomares Wettrüsten. Das sollten genug gute Gründe für US-Präsident Obama sein, Kim bald zu beruhigen. Sein bester Partner dafür ist China. Denn Peking will die einzige Atommacht in Ostasien bleiben und Nordkorea stabilisieren. Hillary kann er dann später hinschicken.

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Martin Fritz
Auslandskorrespondent Japan/Südkorea
Volontariat beim NDR. War Hörfunk-Korrespondent in Berlin während der deutschen Einheit. Danach fünf Jahre als Südasien-Korrespondent in Neu-Delhi. Berichtet seit 2001 aus Tokio über Japan und beide Koreas.

8 Kommentare

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  • S
    Spin

    Ja, es wäre schön, wenn es Kim nicht mehr gäbe und schöner, wenn nicht massenweise Menschen von diesem Regime umgebracht worden wären. Soweit, so moralisch richtig und, verzeihung, langweilig.

    Denn nach ganz normalen UNO-schätzungen verrecken jeden Tag weltweit 50.000 Menschen, weil sie in der kapitalistischen One World zu wenig Nahrung oder medizinische Hilfe haben - man könnte das ohne größere Probleme beheben, aber die Reglements von Produktion und Handel sind nicht so.

    Die gleichen Leute, die die Kims dieser Welt zu Schwerverbrechern erklären, finden das nicht so schlimm. Ich finde das Heuchelei. wird das auch in den Schulen besprochen?

  • PP
    @ patrick

    Ich sehe in dem Kommentar von Martin Fritz nicht, dass er in irgendeiner Weise mit Kim Jong Il sympathisiert.

    Er stellt lediglich klar, dass dessen Außenpolitik einer inneren, machtpolitischen Logik folgt. Wenigstens soweit ist die Textanalyse auch bei uns in nrw beigebracht worden. Niemand bestreitet, dass die meisten Diktatoren irgendwo gestört sind. Aber als realitätsferne Geisteskranker schafft man es wohl kaum zum Alleinherrscher.

     

    Wenn man sich die kalte berechnende Logik der Außenpolitik der jeweiligen Länder anschaut, merkt man schnell, dass das Gerede vom antiiperialistischen Kampf gegen den Satan USA ebenso ein leere Worthülse ist wie die Schurkenstaat-Rhetorik von Bush.

     

    Danke für diese objektive und aufschlussreiche Analyse von Martin Fritz.

  • L
    Lammi

    werter neidersachse,

     

    da hat aber jemand im geschichtsunterricht schlecht aufgepasst. der koreakrieg wurde von nordkorea begonnen, richtig ist nur, dass beide seiten (beide _koreanische_ seiten, die jeweiligen verbündeten waren insgesamt gegen diesen krieg) den krieg provozierten.

     

    von den usa "getürkt" war der tonkin-zwischenfall, aber das war ein anderer krieg.

  • P
    Patrick

    Also wir Linken sollten diesen Verrückten nicht auch noch journalistisch reinwaschen. Ich habe in meiner Klasse eine Arbeit über Nordkorea geschrieben und es ist nicht auszuhalten, dass schon schätzungsweise 1,7 Millionen Nordkoreaner entweder an Hunger oder äusserst brutal in nordkoreanischen KZ's ermordet worden sind. Wir müssen unserer Linie treu bleiben, alle Diktatoren der Welt zu ächten. Auch wenn es hier um den Kampf gegen den Imperialismus der USA geht, sind mir die Menschen lieber. Es ist für mich enttäuschend, wie anscheinend die TAZ Symphathien für diesen Massenmörder entwickelt. Der Kampf gegen die USA ist die eine Sache, aber nicht auf Kosten sterbender Koreaner!

    Patrick, Solingen

  • N
    Niedersachse

    Seit Ende des Koreakrieges, der durch die USA mit getürkten Maßnahmen vom Zaune gebrochen wurde, und der unzählige Opfer gefordert hat, ist Nordkorea für die USA ein Trauma und ständiges Feindbild.

    Die USA verfolgen seit Jahrzehnten eine imperialistische Politik, der jedes Mittel recht ist. Die Zusammenarbeit mit menschenverachtenden Diktatoren genauso wie mit Terrorgruppen, wenn es gerade in die politische Linie passt.

    Je nach Blickwinkel sind die Gegner Rebellen oder Freiheitskämpfer. Eine heuchlerische Politik.

    Das Länder, wie IRAN und Nordkorea, maximalen Selbstschutz planen liegt doch förmlich auf der Hand.

    Wenn ein nicht genehmer Staatenlenker mit Krieg droht, dann ist er irre. Wenn die USA mit Krieg drohen, dann ist das Prävention.

    Es gibt nun einmal Staaten und Nationalitäten, die nicht die westliche Lebensart übergestülpt bekommen wollen.

    Die sogenannten Werte des Westens haben doch einen erheblichen Rückschlag erlitten. Das egoistische Vorgehen an den Fianzmärkten zeigt doch, welche Folgen das für die gesamte Welt hat. Ich denke, dass das Verhalten von Nordkorea einen willkommenen Anlass liefert um von der Finanzkatastophe abzulenken. Die Finanzkatastrophne ist noch längst nicht am Tiefpunkt. Den Menschen wird nur wieder Sand in die Augen gesteut.Ihren Kommentar hier eingeben

  • N
    Niedersachse

    Seit Ende des Koreakrieges, der durch die USA mit getürkten Maßnahmen vom Zaune gebrochen wurde, und der unzählige Opfer gefordert hat, ist Nordkorea für die USA ein Trauma und ständiges Feindbild.

    Die USA verfolgen seit Jahrzehnten eine imperialistische Politik, der jedes Mittel recht ist. Die Zusammenarbeit mit menschenverachtenden Diktatoren genauso wie mit Terrorgruppen, wenn es gerade in die politische Linie passt.

    Je nach Blickwinkel sind die Gegner Rebellen oder Freiheitskämpfer. Eine heuchlerische Politik.

    Das Länder, wie IRAN und Nordkorea, maximalen Selbstschutz planen liegt doch förmlich auf der Hand.

    Wenn ein nicht genehmer Staatenlenker mit Krieg droht, dann ist er irre. Wenn die USA mit Krieg drohen, dann ist das Prävention.

    Es gibt nun einmal Staaten und Nationalitäten, die nicht die westliche Lebensart übergestülpt bekommen wollen.

    Die sogenannten Werte des Westens haben doch einen erheblichen Rückschlag erlitten. Das egoistische Vorgehen an den Fianzmärkten zeigt doch, welche Folgen das für die gesamte Welt hat. Ich denke, dass das Verhalten von Nordkorea einen willkommenen Anlass liefert um von der Finanzkatastophe abzulenken. Die Finanzkatastrophe ist noch längst nicht am Tiefpunkt. Den Menschen wird nur wieder Sand in die Augen gesteut.

  • V
    vic

    Wer von Amerika nicht aufgrund vermuteter Atomwaffen angegriffen werden will, sollte für Klarheit sorgen, dass er tatsächlich welche hat.

    Das ist die einzige Sprache, die Amerika versteht.

  • H
    hejel

    So'n Schwachsinn, klar ist der irre.