Kommentar Neurechte Verlage: Jede Diskursverschiebung ist ein Sieg

Rechtsautoritäre folgen dem simplen Konzept: Macht erlangt man durch kulturelle Hegemonie. Das wollen sie auch bei der Leipziger Buchmesse.

Ein junger Mann schreit mit weit ausgebreiteten Armen

Mit Rechten reden? Das Bedürfnis, eine Antwort auf die Frage zu finden, ist groß Foto: imago/Michael Schick

Das Konzept, dem rechtsautoritäre Akteure und neurechte Verlage folgen, ist frei nach dem italienischen Marxisten Antonio Gramsci: Man erlangt politische Macht durch kulturelle Hegemonie. Jede Diskursverschiebung ist deshalb ein kleiner Sieg.

Wenn jetzt der rechtskonservative Schriftsteller Uwe Tellkamp mit seiner dunklen Vision einer Repressionsmaschine bei einer Diskussion in Dresden viel Applaus erntet und ein völkischer Akteur wie der Verleger und Vernetzer Götz Kubitschek lauten Beifall einsammelt, als er fordert, der Riss durch die Gesellschaft müsse noch tiefer werden, dann haben neurechte Ideologen schon eine gute Strecke im Kampf um kulturelle Hegemonie zurückgelegt.

Was Neurechte bei der Buchmesse wollen, ist deshalb nicht weiter geheimnisvoll. Es geht nicht um eine pluralistische Auseinandersetzung. Demokratie findet anderswo statt. Ein Dialog mit ihnen nützt deshalb weder der Demokratie noch dem Pluralismus. Der ist, als Chiffre für Toleranz, Liberalität und Universalismus, doch gerade ihr Feindbild. Mit solchen Rechten reden? Nein. Sollte man stattdessen über sie reden?

Auf der Frankfurter Buchmesse gab es eindeutig keine, zumindest keine effektive Strategie. Das Bedürfnis aber, eine Antwort auf die Frage des Umgangs mit Rechtspopulisten und Neuen Rechten zu finden, ist groß. Die Frage weist über die Buchmesse hinaus. Über diese Rechten reden. Ja, aber bitte in Maßen.

Kontinuität der Bewegung

Die neurechte Diskursverschiebung in der vereinigten Republik ist alt. In den 90ern hatte sich ein Netzwerk in Medien und Politik schon einmal an der Restauration des Nationalen versucht. Die Situation schien günstig. Ideologische Bezüge, die man heute bei völkischen Rechten findet, waren alle schon da, ob bei Carl Schmitt, Armin Mohler oder Alain de Benoist. An Thinktanks wie Kubitscheks IfS kann man darüber hinaus eine Kontinuität der Bewegung ablesen. Aber vor 25 Jahren hat das alles noch nicht recht gezündet. Jetzt schon.

Neurechte und Altnationalisten, sei es aus dem Kubitschek’schen Schnellroda oder aus einem anderen völkischen Unterholz haben jetzt einen Anknüpfungspunkt gefunden. Es gibt viele diverse Erklärungsansätze für das, was mit unserer Gesellschaft passiert. Man bewegt sich in einem Korridor zwischen Abstiegsangst und Überforderungen, Abwehrreflexen gegenüber einer sehr großen Zahl als Bedrohung empfundener Flüchtlinge, Identitätssuche als Folge von Singularisierung und dem soziokulturellen Entfremdungsprozess zwischen transnationalen Eliten und im nationalen Zusammenhang abgehängten Bürgern.

Rechte Provokateure und Provokateurinnen zu ignorieren oder so gut wie möglich abperlen zu lassen, heißt auf der anderen Seite, mit jenen das Gespräch zu führen, für die der nationalistische Diskurs etwas Richtiges ausdrückt. Das heißt auch, missliebige und Abscheureflexe auslösende Fragen selbst zu stellen. Es dürfte keine allzu große Schatzsuche werden, die entsprechenden Themen zu finden. Derzeit wird viel gefordert, die Differenzen auszuhalten und den Dialog zu führen. Ja, diesen Dialog brauchen wir – und zwar viel schmerzhafter als bislang.

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taz-Chefredakteurin, Initiatorin der taz-Klima-Offensive und des taz Klimahubs. Ehemals US-Korrespondentin des Tagesspiegel in Washington.

Kommt der Herbst, kommen die Bücher: Die taz fliegt wieder aus nach Frankfurt, zur Buchmesse:

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