Kommentar Neonazi-Aufmarsch: Verbote sind destruktiv
Die rechten Wurzeln sitzen tief, bekämpft werden können sie nur durch Bewusstseinsveränderung – und couragiertes Handeln, indem die Bevölkerung mobilisiert wird.
D er als Trauermarsch für die Lübecker Bombenopfer von 1942 deklarierte Neonaziaufmarsch ist für die rechtsradikale Szene zum Flop geworden – trotz des juristischen Erfolgs beim Streit um ein totales Demonstrationsverbot. Gerade mal 200 Meter Marschweg, ohne die angekündigte Beschallung. Stattdessen den politischen Feind ständig im Genick, der der verlogenen Trauergemeinde seine antifaschistischen Parolen um die Ohren bläst.
Nicht aufgegangen ist somit die Strategie des ewig gestrigen Neonazi-Führers Thomas „Steiner“ Wulff, das Scheitern des vom Lübecker Bürgermeister ausgesprochenen Demonstrationsverbots als Erfolg für die Neonaziszene zu verkaufen – und den Aufmarsch selbst zum medialen Highlight für den NPD-Wahlkampf in Schleswig-Holstein hochzujubeln.
An dem Gerede vom gerichtlichen Erfolg ist allerdings eines dran, das die Politiker der bürgerlichen Parteien bedenken sollen – auch wenn Wahlkampf ist: Mit Hauruck-Aktionen wie Demonstrationsverboten ist kein Faschismus zu bekämpfen. Verbote verleiten nur zur Untätigkeit. Die rechten Wurzeln sitzen tiefer, bekämpft werden können sie nur durch Bewusstseinsveränderung – und couragiertes Handeln, indem die Bevölkerung mobilisiert wird. Das gilt sowohl für den 1. Mai in Neumünster als auch für den 2. Juni in Hamburg, wenn die Neonazi-Szene erneut marschieren möchte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag