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Kommentar Nelson MandelaDas große Vermächtnis

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

In Soweto ist nicht nur der Vorkämpfer gegen Apartheid beerdigt worden. Mit Mandela bekam Afrika eine eigene politische Kultur, die sich jedem Vergleich stellen kann.

Südafrika verabschiedet sich von „Madiba“. Bild: dpa

M andela lebt. Kein Staatsmann der jüngeren Geschichte hat nach seinem Tod so viele und so unterschiedliche Kollegen aus aller Welt zusammengebracht, selten gab es auf einer Trauerfeier so lebendige und brisante Reden und Reaktionen.

Castro und Obama geben sich die Hand, Hollande und Sarkozy scherzen miteinander, das südafrikanische Publikum buht lustvoll den eigenen Präsidenten aus und jubelt begeistert dem US-Präsidenten zu, wenn er das Fortdauern politischer Verfolgung auf der Welt geißelt.

Im strömenden Regen von Soweto zeigt sich, dass der Funken, der von Nelson Mandelas Leben ausgeht – nämlich der Mut, Bestehendes infrage zu stellen –, auf das Volk übergesprungen ist und seinen Tod überdauert.

Allzu leicht wäre es, Nelson Mandela als Vorkämpfer gegen die Apartheid zu ehren, ihn zu beerdigen und zu vergessen. So manche in Südafrika und darüber hinaus wünschen sich das wohl. Aber wenn es nicht nur um den Kampf gegen überwundene Unrechtssysteme geht, sondern um die persönliche Haltung, die die dauerhafte Überwindung von Unrecht erst möglich macht, dann bleibt Mandelas Vermächtnis gerade nach seinem Tod aktuell, in Südafrika, in Afrika und darüber hinaus auf der ganzen Welt. Das hat Barack Obama in Soweto begriffen und ausgesprochen, und dafür danken ihm die Südafrikaner.

Dass der US-Amerikaner sich selbst explizit in die Reihe jener stellt, die erst durch Mandelas Kampf Erfolg auch im eigenen Land haben konnten, hebt ihn über die Ränge seiner europäischen Amtskollegen hinaus.

Marginale Rolle Europas

Einmal mehr zeigt sich dieser Tage, welche marginale Rolle Europa heute noch im Rest der Welt spielt. Kein einziger europäischer Politiker durfte in Soweto das Wort ergreifen. Es sprachen neben Obama als auswärtige Gäste die Präsidenten von Brasilien, Namibia, Indien und Kuba, der Vizepräsident Chinas, der UN-Generalsekretär.

Wenn ein Europäer derzeit in Afrika Eindruck machen will, wie der Franzose Hollande, schickt er Soldaten nach Bangui – das Gegenteil von Mandelas Vermächtnis.

Mit Mandelas Eintritt in die Ewigkeit bekommt Afrika endgültig eine eigene politische Kultur, die sich vor keinem Vergleich zu scheuen braucht und die endgültig Europas Anspruch auf ein Monopol globaler Werte bricht. Das ermöglicht es Afrikas Jugend, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. An diesem historischen Tag ist diese Vision in Soweto sichtbar geworden.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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8 Kommentare

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  • B
    bigbrother

    Teil 2

     

    Daraus einen pan-afrikanischen Politikstil zu erkennen fällt mir schwierig, und wenn wäre der Vergleich zu anderen pan-(Kontinent) Politikstiles nicht sehr schmeichelnd (siehe oben).

     

    Wenn man einen gemeinsamen Nenner fur die "Sub-Sahara Staaten" (hatte keinen anderen Ausdruck) finden möchte würde ich sagen das die politische Kulturen sich noch im Wachstum befinden (normal nach Fremdherrschaft und dem rasanten Schritt von der Steinzeit in die Moderne, zudem bei dem geringen Alter der Nationalstaaten). Wichtig ist , und da stimme ich ihnen zu, die Entwicklung einer autarken Souveränität damit das Schicksal nicht mehr von der Nordhalbkugel abhängt. Aber das ist ein langer Weg.

     

    Abgesehen davon kann ich auch keine "europäische Politikkultur" erkennen. Die Unterschiede fangen schon bei der nächsten Stadtgrenze an.

     

    M.f.G. der Humanismus

  • B
    bigbrother

    Teil 1

     

    Guten Tag an die TAZ und Herrn Johnson.

     

    Meiner Ansicht nach ist dieser Kommentar etwas zu kurz geraten. Neugierig wollte ich erfahren was diese "afrikanische Politikkultur" ist.

    Darum musste ich mich selbst kümmern.

     

    1.

    Afrika ist (ganz grob) im Norden von Arabern und Berbern bewohnt. Die haben schon seit Jahrhunderten ihre Kulturen. Nicht das ich glaube das sie die Gebiete nördlich der Sahara meinten aber die liegen nunmal in Afrika.

     

    2.

    Äthiopien. Komplette Kultur mit allem Drum und Dran. Gilt auch für Mali oder Somalia.

     

    3.

    Verschiedenste Regierungsformen existieren auf dem Kontinent. Alle möglichen Schattierungen von autoritär über demokratisch bis zur kompletten Anarchie sind zu finden.

     

    4.

    Die Herausforderungen für ein Großteil der "Sub-Sahara Staaten" (Zimbabwe, Südafrika, Kenia, u.v.m.) sind gigantisch. Die größten Probleme sind meiner Meinung nach Korruption, Weltbankredite und die "englische Grenziehung". Daraus resultieren häufig genug Sezessions/Rohstoffkriege und miserable Lebensbedingungen für weite Teile der Bevölkerung. Die Lebenserwartung der Südafrikaner sank zum Beispiel von ~64 auf ~52 Jahre (Männer). AIDS und eine Mordrate von ca. fünfzig Menschen am Tag haben das angerichtet. Mugabes Politik führte in ein absolutes Chaos und verwandelte Zimbabwe, die "Brotkammer Afrikas", in ein Nahrungsmittelimporteur, Bürgerkrieg in weiten Teilen der Kongoregion und der "Scharia Konflikt" in Nigeria sind nur die "prominenten" Probleme. Nach dem "2006 UN Human Develotment Report" hat Afrika den gegenteiligen Weg von Asien beschritten (wo die Lebenserwartungen und die Mittelschichten größer wurden).

  • KN
    Kommts noch?

    Uups, da fällt mir ein, dass Mandela noch ende der 80er auf einer US-Liste gesuchter Terroristen stand, schließlich hat er gegen das Apartheidsregime gekämpft. W. Bush, Obama und noch ein anderer amerikanischer Friedensnobelpreisträger waren ja auch im Stadion. Obama hielt eine wundersame Rede. Ja, ja, amerikanische Präsidenten kriegen den Friedensnobelpreis während Päpste heilig gesprochen werden. Sehr gut aufgeteilt, sehr gut.Natürlich auch kein Wort dieser Tage darüber, wer oder was das Regime zu verantworten hatte. Wenigstens von der Taz hätte man sich das erwarten können. Mhm, vielleicht kommts noch?

  • A
    Aufschrei

    Tzzztztztzt ......

    Erst vor 5 Jahren (zum 90. Geburtstag Nelson Mandelas) haben die USA sich durchringen können, die Bezeichnung "Terrorist" im Zusammenhang mit dessen Namen aus internationalen Datenbanken zu tilgen.

     

    So sind sie, die alten reaktionären Mächte, immer den Zeiten und der Wirklichkeit um Dezennien hinterher! Aber die Führungsrolle beanspruchen! Als wollten wir von Zombies, von geistig Untoten regiert werden! Diese Sorte von Elite ist nur eins: SCHIETE! Sie werden dereinst auch noch ihren eigenen Sturz erst Jahre später realisieren und anerkennen. Doch bis dahin richten sie sicher noch viel Unheil an und NICHT einmal DAFÜR als "Terroristen" bezeichnet werden (z.B Drohnenangriffe auf irgendwelche unschuldige Menschen).

    • G
      gast
      @Aufschrei:

      Amerika mischt sich in viel zu viele Länder ein. Wo es aber wirklich notwendig ist, läßt man sich Jahre lang darum betteln. Bestes Beispiel war Romeo Dallair der das Blutbad von Millionen Menschen im Kongo retten wollte und keine Hilfe bekam.

      Die USA und nicht nur die USA mischen sich auch zu sehr ein wer wo an die Macht kommt und bleibt. Dabei spielen ausschließlich wirtschaftliche Interessen die Hauptrolle, Afrika ist ja reich an Bodenschätzen, besonders Kongo und Südafrika.

      Leute die sehr sehr reich geworden sind durch die Erdschätze Afrikas sind Amerikaner

  • T
    Transkei

    An den Ressortleiter Ausland, Herrn D. Johnson, den Artikel

    zum Tod von NELSON MANDELA betreffend:

     

    Manche mag es tatsächlich überraschen, daß Obama Präsident einer imperialistischen Zentralmacht ist, der Kriege weder für den Weltfrieden noch für Menschenrechte oder gegen sogenannte "Terroristen" führt, sondern allein für die Hegemonie der USA und ihre herrschenden Klasse.

     

    In unserem Neobiedermeier, das sich selbst für die Krone der Geschichte hält, ist es immer wieder gut, auf solche Selbstverständlichkeiten hinzuweisen.

    Als Ergänzung zu Ihrem Artikel: Obama unterstützt natürlich auch die Kolonialisten im derzeit letzten Apartheidsstaat Palästina. Insofern kann man seine Rede getrost auch Heuchelei nennen!

    • G
      gast
      @Transkei:

      All die salbungsvollen Worte, die nur Worte sind ohne Herz sind Heuchelei, vollkommen richtig was Sie hier sagen.

  • M
    MADIBA

    "Kein einziger europäischer Staatsgast durfte eine Rede halten" - naja oder so: Lieber Herr Dominic Johnson, weil Sie Obama offensichtlich so sehr viel 'privilegierter' ansehen nur folgendes:

     

    Als ob er Obama gemeint hätte sagte NELSON MANDELA einmal: "Man versteht keine Nation, bevor man nicht in einem ihrer Gefängnisse war!"