Kommentar NSU-Prozess: Die Justiz blamiert sich
Es gibt genug Beispiele, wie mit internationalem Presseandrang umzugehen wäre. Dass das ausgerechnet beim NSU-Prozess nicht gelingen soll, ist peinlich.
S ie kriegen es einfach nicht hin. Beim Versuch, eine angemessene Öffentlichkeit für den NSU-Prozess herzustellen, blamiert sich die Münchener Justiz immer wieder neu. Nun hat kein einziges türkisches Medium einen reservierten Platz im Verhandlungssaal abbekommen. Und das, obwohl acht der zehn NSU-Mordopfer einen türkischen Hintergrund hatten.
Formal scheint alles korrekt zu sein. Die fünfzig Plätze für Medienvertreter wurden vom Oberlandesgericht (OLG) nach dem Windhund-Prinzip vergeben: wer zuerst kommt, erhält den Zuschlag. Wie man nun sieht, war das Wettrennen aber für die ausländischen Medien schwieriger. Es ist eben doch eine andere Sprache, ein anderes Land, ein anderes Gerichtssystem.
Wie man es hätte besser machen können, hat das Landgericht Mannheim im Jahr 2010 gezeigt. Als der Schweizer Wettermoderator Jörg Kachelmann wegen Vergewaltigung angeklagt wurde, kontingentierte das Gericht vorab zehn der 48 Presseplätze für ausländische, insbesondere Schweizer, Medien.
ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.
Aber es ist in München noch nicht zu spät. Angesichts des großen Medienandrangs könnten zum Beispiel einige weitere Besucherplätze noch gezielt für ausländische Medien reserviert werden.
Am cleversten wäre es aber, wenn das OLG für die Presse einen separaten Arbeitsraum einrichten würde, in den das Geschehen mit einer statischen Kamera übertragen wird. Dort wäre dann für mehr als 50 Journalisten Platz und zugleich könnten im Verhandlungssaal deutlich mehr normale Besucher Einlass finden.
Entgegen der Münchener Zweifel ist eine Übertragung innerhalb des Gerichtsgebäudes auch zulässig. Schließlich überträgt das Bundesverfassungsgericht den Ton seiner Verhandlungen schon seit Jahrzehnten in den Arbeitsraum der Journalisten. Und Karlsruhe wird’s wohl wissen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Neue EU-Kommission
Es ist ein Skandal
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative