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Kommentar NSA und VerschlüsselungDen Skandal für neues Netz nutzen

Reiner Metzger
Kommentar von Reiner Metzger

Der US-Geheimdienst NSA durchdringt die meisten Verschlüsselungsprogramme. Kommt jetzt Schwung ins freie Internet?

Spion des Geheimdienstes NSA auf einem Plakat in Hannover. Bild: dpa

D ie nächste Enthüllungsstufe im Überwachungsskandal ist erklommen. Neue Dokumente des Whistleblowers Edward Snowden belegen, dass britische und US-amerikanische Geheimdienste auch die meisten Verschlüsselungsprogramme knacken können.

Damit ist – falls Sie den Überblick verloren haben – nun klar: Die Spione überwachen das Internet komplett, sie arbeiten dafür mit fast allen möglichen privaten Firmen zusammen, und sie kommen auch auf jeden privaten Computer und in fast jede Datei. Wenn sie wollen.

Ist nun alle Hoffnung dahin? Nicht ganz. Erstens existieren Edward Snowden zufolge durchaus noch Verschlüsselungsverfahren, die nicht geknackt werden können.

Details gibt es dazu bislang keine, unter anderem weil sich selbst weltbekannte Medien wie der Guardian und die New York Times vor den strafrechtlichen und anderen Konsequenzen fürchten, wenn sie diese, bisher mit allerhöchster Priorität gehüteten Dokumente veröffentlichen würden.

Das Wissen, welche Verfahren sicher sind und vor allem: wie man diese sicher auf dem eigenen Computer installiert und nutzt, wird sich aber schon noch verbreiten.

Und zweitens bringt die Serie von Enthüllungen vielleicht endlich Schwung in die Bewegung für ein unabhängiges Internet. Eines, in dem viele Nutzer und viele kleine Firmen die Leitungen und die zugehörige Software betreiben. Ein Internet, das auf die Privatsphäre ausgerichtet ist und nicht auf Überwachung.

Bisher war das eine Angelegenheit für ein paar exotische Netzbastler. Aber mit der Zahl der Enthüllungen wächst ja nicht nur die Gruppe der potenziellen Nutzer.

Es eröffnen sich auch ökonomische Chancen: Im dezentralen Indie-Internet verdient man Geld mit der Privatheit, nicht mit der Überwachung. Da gewinnen die Worte Privatwirtschaft und freies Unternehmertum doch einen ganz neuen Klang. Mal sehen, was die USA und die großen Internetkonzerne dazu sagen.

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Reiner Metzger
Leiter Wochenendtaz
Reiner Metzger, geboren 1964, leitet taz am Wochenende zusammen mit Felix Zimmermann. In den Bereichen Politik, Gesellschaft und Sachkunde werden die Themen der vergangenen Woche analysiert und die Themen der kommenden Woche für die Leser idealerweise so vorbereitet, dass sie schon mal wissen, was an Wichtigem auf sie zukommt. Oder einfach Liebens-, Hassens- und Bedenkenswertes gedruckt. Von 2004 bis 2014 war er in der taz-Chefredaktion.
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16 Kommentare

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  • PK
    Peter Kasper

    Interessant, das das Theme jetzt so heftig diskutiert wird, obwohl es ein paar Monate zurück von der Regierung für beendet erklärt wurde!

     

    Ein interessantes Video dazu von N24: http://zum-video.net/1213/nsa-skandal-auf-n24/

  • S
    stayman

    Man kann unerkennbar verschlüsseln, z.B. mit Steganographie, wo ein paar scheinbar verrauschte Pixel in einem Bild vom Kölner Dom die Botschaft sind. Oder noch einfacher, eine ebenso harmlose wie plausible Nachricht an Freunde, wie sie milliardenfach verschickt wird, und auf einem anderen Weg schickt man in einer ebenso harmlose Tabelle, getarnt als Bevölkerungsstatistik von Nigeria, die Nachricht, welche Wörter der ersten Nachricht gelesen werden müssen um die verschlüsselte Botschaft zu erhalten. Oder gleich die Botschaft in einem Referenzexemplar von Thomas Manns Zauberberg zu verstecken ...Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Das ganze ließe sich sogar programmieren. Dagegen kommt alle Rechen- und Speicherpower der Welt nicht, möchte ich mal behaupten.

     

    Holger

    • @stayman:

      Klar, man kann eigene Methoden der Verschlüsselung entwickeln, aber das macht Kommunikation sehr kompliziert im Netz und schränkt in der Praxis auch die Anzahl der Teilnehmer unverhältnismäßig stark ein. Im Grunde läuft das ja auf eine Art Gegenkommunikation hinaus und macht das Medium immer unattraktiver.

      Auf Steganographie würde ich eher nicht setzen, denn es hieß, die liesse sich vergleichsweise einfach knacken, wenn das Originalbild vorliegt. Ausserdem filtern manche Anbieter derart manipulierte Bilder einfach raus.

  • DW
    die Washingtoner Pakt Staaten und deren Vasallen

    Es handelt sich hier nicht um "knacken", sondern um korrumpieren. Es sind korrupte Unternehmen, wie beispielsweise Vodafone und deren leitenden Mitarbeiter, die unsere Gesellschaft in einen weltweiten Überwachungsstaat transformieren. Mal sehen, ob unser Rechtssystem noch einen Cent wert ist und die Verantwortlichen vor ordentliche Gerichte gebracht werden.

  • S
    Steve

    Die Idee ist nett gedacht, hat aber zwei große Schwächen, fehlende Wirtschaftlichkeit und fehlende Verteidigung gegen den Staat.

     

    Wirtschaftlich ist die Kiste nicht, weil große Firmen wie Google mit ihren Datenzentren um Größenordnungen billiger arbeiten können als kleine Firmen mit ein paar Rechnern. Heutzutage ist die menschliche Arbeit, die in eine kleine Serverfarm fließt, viel größer als die Hardwarekosten. Wir könnten nicht das Internet haben, was wir haben, wenn Firmen wie Google nicht Methoden erfunden hätten, Computer mit unglaublich wenig menschlicher Arbeit zu betreiben. Ein dezentrales Indie-Internet wäre 10, 100 oder 1000 mal so teuer wie das heutige.

     

    Kleine Firmen können sich außerdem gegen den Staat schlechter verteidigen. Google hat eine riesige Rechtsabteilung, und setzt sie jeden Tag für seine Nutzer ein. (Leider verhindern Knebelgesetze, dass das in der Diskussion gewürdigt werden kann.) Kleine Firmen haben gegen die Repression und die Erpressung, die deutsche und amerikanische Geheimdienste täglich in ihrer Arbeit einsetzen, keine Chance. Ein dezentrales Indie-Internet hätte keine Chance gegen den Staat.

  • E
    egon349

    "Details gibt es dazu bislang keine..."

    Das ist ja zum Lachen wie dumm sich die Zeitung hier stellt. Hier kann man nachlesen, was es schon seit "Menschegedenken" gibt:

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/One-Time-Pad

  • R
    RedHead

    Ein paar sehr interessante Aspekte habt ihr einfach weggelassen. Z.B. läuft ein guter Teil der Angriffe auf Verschlüsselungen über Kooperation mit der Wirtschaft. Das klingt jetzt drastisch, aber das bedeutet, man sollte pauschal allen kommerziellen closed source Softwareprodukten misstrauen, vor allen den US-amerikanischen. MS Windows mag ja akzeptabel sein als Bootloader für Spiele, ein Investigativer Journalist sollte es aber beispielsweise nicht auf seinem Arbeitsgerät einsetzen. Oder aber den Computer für immer vom Internet trennen. Hardwareseitig vorinstallierte Verschlüsselungen sind ebenfalls nicht vertrauenswürdig und sollten gemieden werden. Das bedeutet noch lange nicht, dass im Open Source Software Bereich alles sauber ist, auch dort ist davon auszugehen, dass Geheimdienstmitarbeiter Sabotage betreiben, aber die Chancen, dass es sauber läuft sind wesentlich höher. Großen Wert auf ordentlichen Code legen z.B. die Leute bei OpenBSD (herunter zu laden bei openbsd.org). Klar muss man beim Einstieg ein wenig Grips aufwenden, aber dann ist es auch irgendwann einigermaßen komfortabel zu bedienen, wie man das beispielsweise von Linux kennt.

  • M
    Meinungskontrolle

    "Kommt jetzt Schwung ins freie Internet?"

    Bestimmt nicht. Leider. Ganz schlimm ist die Springerpresse. Welt.de z.B., aber eigentlich die meisten großen "Leitmedien" wie auch der Spiegel etc.: Hier werden Informationen gezielt unterdrückt, so mein Vorwurf. Nicht jeder Link kann veröffentlicht werden, Pornographie, Rechtsgesinnung usw. Logisch. Aber: Informationen werden gezielt gefiltert. Vor allem wenn es um politische Informationen geht. Da werden auch Verweise in Textform gefiltert, reine Hinweise, die im Chat bzw. der Kommentarfunktion z.B. den Vorredner auf seine Frage "Wo haben Sie das her, wie kommen Sie darauf?" wichtige Hinweise liefern könnten. Informationen, die eigentlich frei im Netz verfügbar sind, in Wikipediaeinträgen, auf politischen und historischen Plattformen, werden so unterdrückt. Aktuelle Ereignisse lassen sich so von vielen Menschen unmöglich erfassen: Das, mein Vorwurf, ist auch das Ziel. Vor allem der große Verbündete wird völlig übertrieben, ohne jegliches Maß geschützt und gedeckt. Während man über gewisse Länder im Osten mit Artikeln, mein Vorwurf, Propaganda betreibt, diese in ein schlechtes Licht rückt etc. Und hier wird nicht mit Informationen gespart. Die sogenannten Leitmedien sind im Internet zur reinen Propagandamaschine verkommen, mein Vorwurf, und dient dem Zweck das Bewusstsein des Bürgers in politischen Angelegenheiten einseitig zu prägen. Die "Bösen" und die "Guten" stehen vorher fest. Ich beobachte einen Anstieg der Gegnerschaft bei den Menschen via Kommentarfunktion. Es ist total gegensätzlich, fast überall: Artikelaussage versus Kommentare. Gerne diffamiert die Elite Kommentatoren als "Blöde". Was Alternative Medien schon vor Jahren verkündeten, bringen Leitmedien vielfach erst, wenn es nicht mehr anders geht. Beispiel Merkel und DDR-Vergangenheit. Das tut diesem Land nicht gut. Das entspricht nicht der vielgerühmten Meinungsfreiheit, das ist eine kontrollierte Meinungsfreiheit.

  • KS
    Keine Stasi...

    Info: Das stasi-in-bstu-Dokument hat heute quasi jeder Trottel in seiner Schublade. Es wurde schon vor vielen Jahren geleakt und lässt sich auf diversen Seiten im Netz unzählige Male downloaden. Interessanter Einblick in die Gauckbehörde + ein Wiedersehen mit diversen Politikern.

    Wie führte der heutige Bundespräsident und Ex-Pfarrer seine Behörde? Der Kämpfer für die Freiheit...ähm, hust...Ex-Stasileute als Wachpersonal for instance...

  • KS
    Keine Stasi...

    Was sagt Merkel laut laut Global Post:

     

    "Merkel has stressed that Germany "is not a surveillance state" and that "German law applies on German soil" but also conceded that this has its limits in the age of global telecommunication systems."

     

    Aha: Sie betont, Deutschland sei zwar kein Überwachungsstaat... aber das habe natürlich seine Grenzen bei globalen Kommunikationssystemen."

     

    Wie soll man das werten? Vielleicht ein Wink: keine Angst

    Leute, das lässt sich nicht verhindern und läuft natürlich weiter...!

  • WD
    Wenn das keine ...

    Aha. Wie reagiert Merkel?

    Stasi and NSA are not comparable

     

    In acknowledgment of the Germany’s contemporary history, Merkel, who grew up in East Germany, refused to make any parallels between the methods of work of DDR’s secret police Stasi and America’s NSA.

     

    “For me, there is absolutely no comparison between the Stasi and the work of intelligence agencies in democratic states,” she was quoted as saying. “They are two completely different things and such comparisons only lead to a trivialization of what the Stasi did to [East Germany’s] people,” said Merkel."

    Quelle:

    http://rt.com/news/merkel-nsa-scandal-zeit-931/

     

    Schauen wir nach Brasilien wo die Regierung ausgespäht wird:

    http://www.washingtonpost.com/world/the_americas/report-nsa-directly-spied-on-brazil-mexico-leaders-mapped-communications-with-aides/2013/09/01/e5e5505c-1376-11e3-b220-2c950c7f3263_story.html

     

    Keine Stasi-Methoden?

    "The documents also disclosed that up to 500 million German data connections were accessed monthly by the NSA."

    http://rt.com/news/germany-nsa-usa-xkeyscore-378/

     

    Nebenbei: Rückblick-Gauck(Bundespräsident)-Behörde:

    http://wikileaks.org/wiki/Stasi-in-bstu.pdf

  • es ist halt Neuland für "uns alle".

  • "Das Wissen, welche Verfahren sicher sind und vor allem: wie man diese sicher auf dem eigenen Computer installiert und nutzt, wird sich aber schon noch verbreiten."

     

    Solange Medien und Organisationen, die zwar über Verschlüsselung berichten oder dazu raten, nicht selbst die Möglichkeit zur verschlüsselten Kommunikation anbieten und mit gutem Beispiel vorangehen, wird sich nichts ändern.

     

    Aber es besteht ja Hoffnung, die Anzahl veröffentlichter pgp Schlüssel für @taz.de Adressen ist ja sprunghaft angestiegen.

  • 2
    2Kurze

    Unabhängiges Internet? Na diese Träumerei kann man sich wohl getrost abschminken, das Internet ist tot... Es war eine großartige Erfindung und hatte so viel Potenzial aber die Angst vor dem Proletariat ist scheinbar so gross, dass man Gedankenfreie vernetzte Bürger nicht zulassen darf.

  • FN
    fritz nitz

    Wie peinlich, seid ihr auch infiltriert?

    Du schaue hier:

    http://www.heise.de/newsticker/meldung/NSA-und-GCHQ-Grossangriff-auf-Verschluesselung-im-Internet-1950935.html

    Oder ist das kein Fachredakteur welcher schreibt?

  • RB
    R. Bellverde

    Dezentralisierung ist wohl einer der Schlüssel, den jeder in der Hand hat, auch wenn man sich nicht gut mit IT auskennt. Die Mühe muss man sich machen: Weg von Google un den anderen großen! Es gibt auch andere Suchmaschinen und es gibt auch kleine Mail-Anbieter, sogar mit Sitz in Europa.

     

    Für Fortgeschrittene: Es der Guardian hat auch Infos veröffentlicht, welche Verschlüsselung funktioniert http://www.theguardian.com/world/2013/sep/05/nsa-how-to-remain-secure-surveillance

     

    Der Skandal im Skandal sind die Reaktionen unserer Regierung, allen voran Angela Merkel und Herr Friedrich. Das Thema Übewachung aussitzen, totschweigen oder kleinreden zu wollen, ist nur noch respektlos - den Bürgern gegenüber und der Demokratie gegenüber.