Kommentar Mord in Emden: Dienstweg ins Nichts
Viele haben viel richtig gemacht, nur die Polizei machte immer wieder das Falsche. Sie hat viel aufzuarbeiten – vor allem einen sehr langen Dienstweg.
E in Kind ist tot. Und es verdichten sich die Hinweise darauf, dass es noch leben könnte, hätte die Polizei nicht völlig versagt. Denn der junge Mann, der gestanden hat, in Emden die elfjährige Lena getötet zu haben, hatte vorher um Hilfe gerufen.
Eigentlich haben viele vieles richtig gemacht, seit der damals 17-Jährige im vergangenen Herbst Nacktfotos von einer Siebenjährigen schoss: Die Mutter brachte ihn in die Psychiatrie, der Stiefvater zeigte ihn an. Das Jugendamt ging mit dem Jungen zur Polizei, wo er sich selbst anzeigte.
Und die? Tat nichts. Nahm weder DNA noch Fingerabdrücke. Reichte die Selbstanzeige weiter. Und weiter. Und als sechs Wochen später endlich der Durchsuchungsbeschluss da war, tat die Polizei wieder nichts. Da hatte der junge Mann längst versucht, eine Frau zu vergewaltigen. Hätte es eine DNA-Probe von ihm gegeben, wäre er ermittelt und inhaftiert worden. Und hätte Lena vielleicht nie getroffen.
Innenminister Uwe Schünemann (CDU) beeilte sich – lange vor Abschluss der internen Ermittlungen –, von „individuellem Versagen auf Sachbearbeiterebene“ zu sprechen. Schließlich hatte er tags zuvor, übrigens im Chor mit den Landtags-Grünen, noch der Emder Polizei zu ihrem Fahndungserfolg gratuliert.
Jan Kahlcke leitet taz nord.
Auch wenn Schünemann mit seiner neuen Einschätzung richtig liegen sollte, muss er sich fragen lassen: Warum beherrschen niedersächsische Polizisten die erkennungsdienstliche Behandlung zwar bei Demonstranten, aber nicht bei mutmaßlichen Sexualstraftätern? Was läuft in der Ausbildung von Beamten schief, bei denen bei sexuellem Missbrauch nicht alle Alarmglocken schrillen? Die Polizei hat viel aufzuarbeiten: einen Dienstweg, der sechs Wochen dauerte – und dann im Nichts endete.
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