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Kommentar Misstrauensvotum MayEin Sieg ohne Größe

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Theresa May gewinnt die Vertrauensabstimmung bei den britischen Konservativen. Doch sie eröffnet zugleich den Kampf um ihre Nachfolge.

Ein großartiger Sieg sieht anders aus. May hat nur 200 von 650 Unterhausabgeordneten hinter sich Foto: Reuters

T heresa May hat es geschafft. Mit 200 zu 117 Stimmen hat die britische Premierministerin die Vertrauensabstimmung in ihrer konservativen Parlamentsfraktion gewonnen. Sie bleibt also im Amt.

Dieser Sieg war zu erwarten. Nicht nur Mays Gegner, auch May selbst wollte ja diese Abstimmung, um zu beweisen, dass sie die Herrin im Hause ist. Ihre parteiinterne Konkurrenz hat selbst in diesen Zeiten der größtmöglichen innenpolitischen Krise nicht das Gewicht, um sie aus den Angeln zu heben.

Ein großartiger Sieg aber sieht anders aus. Eine Premierministerin, die nur 200 von insgesamt 650 Unterhausabgeordneten hinter sich weiß, kann nur schwer ein legitimes Regierungsmandat für sich beanspruchen. 117 Gegenstimmen in den eigenen Reihen – das ist mehr als ein Drittel der Parlamentsfraktion und mehr, als die Brexit-Hardliner im Laufe dieses Tages für möglich gehalten hatten. Es ist sogar mehr als die geschätzte Anzahl der konservativen Abgeordneten, die gegen Mays umstrittenen Brexit-Deal mit der EU gestimmt hätten, wenn sie sich getraut hätte, ihn dem Parlament zur Abstimmung vorzulegen.

Ihre Ablehnung geht also über die Frage des Brexit hinaus. Es geht ganz traditionell um mangelndes Vertrauen in ihre Führungsqualitäten. Es geht um eine Grundsatzfrage, nicht nur um eine bestimmte politische Differenz.


Theresa May weiß das. Gegenüber der Fraktion musste sie vor der Abstimmung bekräftigen, sie werde die Konservativen nicht in die nächste Wahl führen – die turnusmäßig im Mai 2022 stattfindet, aber je nach Entwicklung auch schon in sechs Wochen dräuen könnte. Nun hatte niemand wirklich damit gerechnet, dass sie das überhaupt vorhat, aber indem sie es ausdrücklich sagte, erklärte sie sich selbst zu einer Premierministerin auf Abruf.

May bleibt im Amt, aber die Entscheidung ist lediglich verschoben. Der Kampf um die Nachfolge kann jetzt ganz offiziell beginnen.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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6 Kommentare

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  • Mit der Verschiebung der Abstimmung über den Brexit- Vertrag hat May ihrem Land ein weiteres Mal Zeit geraubt. Zuerst hat sie darauf spekuliert, dass die EU die Nerven verliert, jetzt versucht sie es mit dem Unterhaus. Im Januar gibt es dann für die Abgeordneten eigentlich nur noch "Friss oder stirb". So steigt zwar die Wahrscheinlichkeit für eine Zustimmung, ob May eine Mehrheit bekommt bleibt aber trotzdem sehr zweifelhaft. Das ist alles eine sehr fragwürdige Politik und sie wird wohl mit einem ungeregelten Brexit enden.

  • Gleich vorweg zwei Sachen, ich halte Frau May für eine gute Politikerin und ich finde es Schade, daß das Königreich die EU verlassen wird.

    Das Problem ist relativ einfach, es gibt keine "gute" Lösung.

    Für ein neues Referendum ist die Zeit zu knapp und selbst wenn das Remain Lager Beispielsweise mit 55% gewinnen sollte, wird es die britische Innenpolitik auf Jahre, vielleicht Jahrzehnte vergiften.

    Zum Thema harter Brexit und May's Vorschlag ist schon alles geschrieben worden, auch diese beiden Pläne werden Probleme.

    Es gibt leider keine "good Option" keinen "magic stick," alles ist nicht prickelnd.

    Wobei ich als überzeugter Europäer hoffe, daß das UK zurückkehren wird.

    • @Sven Günther:

      Als "überzeugter Europäer" sollten Sie hoffen dass die Entscheider in Brüssel und die einzelnen Regierungen tatsächlich mal ein echtes Europa für Bürger anstreben und umsetzen. Ich hoffe darauf als überzeugte Europäerin.

      • @Lara Crofti:

        Da haben wir, glaube ich völlig andere Vorstellungen.

    • @Sven Günther:

      Die Zeit für ein zweites Referendum könnte die EU den Briten verschaffen. Was ist das für eine direkte Demokratie, wenn die Briten zwar für oder gegen den Brexit abstimmen konnten, aber nicht darüber abstimmen dürfen, ob sie einen harten Brexit oder den mit der EU ausgehandelten Kompromiss wollen. Es ist ein grundsätzliches Problem von Volksabstimmungen, dass sie alles auf zwei Alternativen reduzieren. In diesem Fall gibt es mittlerweile drei Alternativen: den harten Brexit, den ausgehandelten Kompromiss oder doch lieber in der EU bleiben. Wer für direkte Demokratie ist, muss zwingend für eine zweite Volksabstimmung mit zwei Fragen sein. Erste Frage: Sind Sie für oder gegen den Kompromiss mit der EU? Zweite Frage: Wenn eine Merheit den Kompromiss ablehnt, wollen Sie dann den harten Brexit oder lieber in der EU bleiben? So ginge direkte Demokratie, wenn man sie ernst nimmt.

      • @vulkansturm:

        Ich halte direkte Demokratie für Fälle wie diesen für Unsinn.