Kommentar Medien und Integration: An der Mehrheit vorbei diskutiert
Einwanderung empfinden die meisten Deutsche mitnichten als Problem. Dass die Debatte darum so aufgeheizt ist, liegt auch an den Medien.
W er in den vergangenen Wochen intensiv Fernsehen, Radio und Printmedien verfolgt hat, musste den Eindruck gewinnen, in Deutschland beherrschten die Rechten die Straße, auf denen Menschen, die anders aussehen, nicht mehr sicher sind.
Keine Frage, mancherorts ist das so. Aber nicht nur. Davon zeugen all die Gegendemonstrationen. Und davon zeugen ebenso Menschen, die ihre Haltung nicht auf die Straße tragen und vielleicht zu Hause am Küchentisch sagen: Unsere afghanische Nachbarin ist super, wir leben prima nebeneinander.
Die Mehrheit der Deutschen empfindet das Zusammenleben mit Menschen mit Migrationshintergrund nämlich sehr viel unproblematischer als man angesichts der aktuellen Debatten glauben mag. Das dokumentiert eine gerade veröffentlichte Erhebung des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR). Dort, wo verschiedene Kulturen nebeneinander existieren, wo kulturelle Vielfalt im Alltag gelebt wird, sind die Akzeptanz und das Gefühl, dass es geht, sogar am größten.
Woher also kommt der Glaube, dass in der Republik etwas falsch läuft und dass Migration die „Mutter aller Probleme“ ist? Einerseits haben rechtspopulistische Parteien und Gruppierungen geschickt den politischen Diskurs gekapert und heftig drauf geschlagen. Das hallt nach, irgendetwas bleibt immer hängen. Andererseits haben auch Zeitungen, Talkshows und Hörfunksondersendungen mit dafür gesorgt, dass viele Medienkonsument*innen glauben, nur noch „die da“ sind von Interesse, und „wir hier“ sind vergessen. Probleme wie zu hohe Mieten, zu geringe Löhne, steigende Obdachlosigkeit und Kinderarmut sind medial an den Rand gedrängt.
Medien haben eine Berichtspflicht – und die Pflicht zur Themengewichtung. Sie sind gut beraten, sich vom (rechten) Diskurs nicht treiben zu lassen und soziale Probleme gegeneinander ausspielen zu lassen. Angesichts der Medienkrise darf auch die Mehrheit nicht aus dem Blick verloren werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden