piwik no script img

Kommentar ManagergehälterGefährliche Debatte für Merkel

Lukas Wallraff
Kommentar von Lukas Wallraff

Merkels Manager-Schelte ist populär. Doch folgen ihr keine Taten, könnte sie sich als Bumerang erweisen.

E s wird, so scheint es, allmählich ungemütlich für Deutschlands Topverdiener. Seit die Kanzlerin auf dem CDU-Parteitag überraschend deutlich die astronomische Höhe vieler Managergehälter rügte, vergeht kein Tag ohne Kritik an der Entlohnung der Firmenbosse. Politiker überbieten sich gegenseitig an Empörung, sie fordern die Begrenzung der Gehälter oder zumindest Transparenz. Sogar jahrelang äußerst wirtschaftsliberale Meinungsmacher wie Bild am Sonntag und der Spiegel setzen plötzlich neue Prioritäten und stellen die Bestbezahlten an den Pranger. So gesehen, hat Angela Merkel mit ihrer Parteitagsrede viel erreicht.

Bild: taz

Lukas Wallraff (36) ist Redakteur im Hauptstadtbüro der taz.

Die Stimmung dreht sich. Fast alle sind sich inzwischen einig, dass die ungehemmte Bereicherung einer kleinen Kaste nicht mehr hingenommen werden darf - und Merkel steht an der Spitze der Bewegung. Das kommt gut an. Die Kanzlerin wirkt bei ihrem Engagement glaubwürdig, weil sie selbst so bescheiden auftritt. Man nimmt Merkel das protestantische Arbeitsethos ab. Damit hat sie ihrem sozialdemokratischen Vorgänger Gerhard Schröder viel voraus. Das ist ein Vorteil, den Merkel ausschlachten kann. Sie tut es mit beißendem Spott über den Gazprom-Günstling Schröder. So will die Kanzlerin der SPD nach Klima und Familie auch das Thema "Managergehälter" wegnehmen.

Doch Merkels populäres Millionärs-Bashing könnte sich als Bumerang erweisen: wenn auf ihre starken Parteitagsworte eine unterwürfige Grußbotschaft beim Arbeitgebertag am Dienstag folgt, wenn Taten ausbleiben und gescheiterte Manager ihre Abfindungen weiter steuerlich absetzen können. Dann wäre Merkel blamiert, dann hätte sie eine Debatte angeheizt, in der sie am Ende schlecht aussieht - eine Gerechtigkeitsdebatte über die zunehmende Kluft zwischen Armen und Reichen. Viele werden zu Recht fragen, warum Spitzenverdiener nicht mehr Steuern zahlen müssen, warum Vermögen und Erbschaften weitgehend unangetastet bleiben und warum die Union gleichzeitig die Einführung eines Mindestlohns blockiert. Auf all diese Fragen hat Merkel keine überzeugenden Antworten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Lukas Wallraff
taz.eins- und Seite-1-Redakteur
seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!