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Kommentar Mafia-BerichterstattungEin sicheres Land

Ambros Waibel
Kommentar von Ambros Waibel

Wer das Thema Mafia in die hiesige Öffentlichkeit bringen will, muss viel ertragen: Ignoranz, Drohungen, Anwaltskosten und Isolation.

Massaker in Duisburg 2007. Wer in Deutschland offen über die Mafia sprechen will, muss viel ertragen Foto: dpa

D ie gute Nachricht zuerst: Wer sich in Deutschland mit dem Vorwurf der Mafiazugehörigkeit konfrontiert sieht, hat beste Chancen, seinen guten Ruf wiederherzustellen und noch ein bisschen Taschengeld zu verdienen.

Das Oberlandesgericht Dresden hat im Fall der MDR-Dokumentation „Die Provinz der Bosse – Mafia in Mitteldeutschland“ ein Urteil zugunsten des Persönlichkeitsschutzes des klagenden italienischen Gastronomen gefällt, das wie der MDR selbst sagt, „wenig Angriffspunkte“ bietet,

"Keine Rechtsschutzversicherung"

Ein in Erfurt ansässiger italienischer Gastronom hatte mit einer Klage vor dem Landgericht Leipzig gegen die Journalistin Petra Reski Erfolg. Wie die FAZ berichtet, sah der Mann durch einen in der Wochenzeitung Der Freitag erschienen Artikel Reskis, in dem er namentlich erwähnt wird, seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Gegenstand von Reskis Artikel war die ebenfalls erfolgreiche Klage ebenjenes Gastronomen gegen den MDR wegen des am 4. November 2015 ausgestrahlten Films „Die Provinz der Bosse – Mafia in Mitteldeutschland“. Reski fühlte sich vom Freitag im Stich gelassen. Freitag-Herausgeber Jakob Augstein wehrt sich in der FAZ gegen diesen Vorwurf: „Redaktionen sind keine Rechtsschutzversicherung für mangelhafte Recherche.“ Die Wochenzeitung hatte den Artikel im September 2016 gelöscht.

Wenig spricht dafür, dass ein in derselben Angelegenheit derzeit am Landgericht in Erfurt laufendes Verfahren wegen Schmerzensgeld und Schadenersatz einen für den beklagten MDR günstigeren Ausgang nehmen wird. Auch die renommierte Journalistin Petra Reski war vor Gericht nicht erfolgreich und auch hier ist offen, welchen Fortgang die Sache noch nehmen wird.

Die schlechte Nachricht: Auch im zehnten Jahr nach dem Massaker der italienischen Mafiaorganisation’Ndrangheta 2007 in Duisburg muss, wer das Thema in die hiesige Öffentlichkeit bringen will, eine ganze Menge mitmachen: nicht nur Ignoranz, Bedrohungen und Anwaltskosten, sondern vor allem das Gefühl der Isolation.

Man kann darüber streiten, ob es zulässig und ob es klug war, den Namen des Klägers im MDR-Prozess zu nennen, wie es Petra Reski in ihrem Artikel für den Freitag getan hat. Allerdings wird die Problematik ja auch der betreuenden RedakteurIn bewusst gewesen sein. Und selbst wenn es ihr nicht bewusst war, sollte ein Herausgeber auch dafür die Verantwortung übernehmen und diese nicht der Autorin allein zuschanzen, wie es Jakob Augstein mit seinem flapsigen „Redaktionen sind keine Rechtsschutzversicherungen“ tut.

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Ambros Waibel
taz2-Redakteur
Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.
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4 Kommentare

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  • "Man kann darüber streiten, ob es zulässig und ob es klug war, den Namen des Klägers im MDR-Prozess zu nennen, wie es Petra Reski in ihrem Artikel für den Freitag getan hat."

     

    Nein, kann man nicht. Den es war rechtlich völlig klar, dass man den Namen NICHT nennen durfte. Es ist doch ein Aberwitz, dass jemand erfolgreich seinen Persönlichkeitsschutz einklagt und sein Name nicht in diesem Zusammenhang genannt werden darf, auf dass dann Frau Reski kommt und beim Bericht über eben dieses Urteil dann diesen Namen nennt.

     

    Frau Reski hat wissen müssen, dass sie da unrechtmäßig handelt. Es wäre ihre Pflicht gewesen, die Redaktion darüber in Kenntnis zu setzen.

     

    "Allerdings wird die Problematik ja auch der betreuenden RedakteurIn bewusst gewesen sein."

     

    Woher die Vermutung? Was, wenn die Redakteurin das nicht gewusst hat? Dann könnte man ihr vorhalten, nicht sorgsam genug den Text geprüft zu haben. Aber die "Mitverantwortung" des Herausgebers sehe ich nicht dann gegeben, wenn es sich um ein bewusstes Täuschungsmanöver der freien Autorin gehandelt hat.

    • @Torsten Schäfer:

      "Frau Reski hat wissen müssen, dass sie da unrechtmäßig handelt. Es wäre ihre Pflicht gewesen, die Redaktion darüber in Kenntnis zu setzen."

       

      Nein, das hat Frau Reski auf keinen Fall wissen müssen; sie hat, wie mehrere andere Journalisten auch, ein Gerichtsurteil referiert. Gerichtsurteile und die Berichterstattung dazu sind bekanntlich öffentlich. Das Gericht selbst wiess auf den Widerspruch hin, dass sich der vermeintliche Mafiot ja erst selbst namentlich geoutet hat, als er gegen den Filmbericht Beschwerde einlegte. Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hatte das Gericht, wie es dem Kläger mitteilte, zunächst für „jedenfalls hier unzulässig“ gehalten. Im Übrigen sei fraglich, „ob die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung vorliegend überhaupt Anwendung finden“, die der Kläger verletzt sah. Interessant ist, dass keines der anderen Presseorgane belangt wurde, und man sich zuerst nur an die profilierte Anti-Mafia-Journalistin gewandt hat - aus einem leicht erkennbaren Grund: man will sie mundtot machen. Herr Augstein lügt, wie leicht überprüfbar ist, und er wird seiner rechtlichen, journalistischen und moralischen Verantwortung in keiner Weise gerecht. Den "Freitag" braucht man in Zukunft wohl nicht mehr zu lesen.

  • 6G
    64662 (Profil gelöscht)

    Falls der Publizist Jürgen Roth(*) nicht völlig falsch liegt, dann haben "wir" ein Riesenproblem! Und Herr Roth hat natürlich auch bereits Erfahrungen mit der Justiz sammeln dürfen.

    https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCrgen_Roth_(Publizist)

     

    Lieber Herr Waibel, wie wäre es mit einem Interview? ;)

     

    ---

    (*) Nicht zu verwechseln mit der Person gleichen Namens, die sich sehr für Fußball, Bier und Zigaretten interessiert und darüber auch schon in der TAZ schreiben durfte.

  • Jau. & "…Und selbst wenn es ihr nicht bewusst war, sollte ein Herausgeber auch dafür die Verantwortung übernehmen und diese nicht der Autorin allein zuschanzen, wie es Jakob Augstein mit seinem flapsigen „Redaktionen sind keine Rechtsschutzversicherungen“ tut.…"

     

    Jau. Stimme 100% zu. But - Mr. Ambros Waibel!

    "Söchst du Wuust - inn Hunnenstall?"

    (Suchst du Wurst im Hundestall?)

    Ja - es gab mal andere Zeiten!

    "Das war damals. In der Zeit, als einmal

    Kettenkarussellfahren fünf Pfennig kostete, als

    Herausgeber sich vor ihre Redakteure stellten, wenn die etwas geschrieben hatten;

    als Bill Haley noch lebte, die Erde noch und auch die Hoffnung.

    Dahin, dahin. Damals war Jupp Müller-Marein Herausgeber der 'Zeit'."

    Danke Harry R. (Pooh's Corner) &

    Ergänzt sei - & Damals. Als Rudolf Augstein wenig später zähneknirschend -

    Stichwort: Neutralisierung des Kapitals - seine Mitarbeiter mitbeteiligte &

    sich - nur noch seine bekiffte Kolumne vorbehielt!

    Genau. Chapeau!

    Eben genau dies hielt aber seinen Erben Jakob Augstein - anders als seine Schwester Franziska - vollpfostig&systemwidrig

    Nicht davon ab - seinen LÜGT-Buddy Blome gegen die

    Mitarbeiter des Spiegels durchzudrücken!

    1. "Geschissen auf Neutralisierung des Kapitals &

    2. Jetzt gerade - Geschissen auf

    "Arsch im Beinkleid" & "…als Herausgeber sich vor seine -

    Redakteure stellen, wenn die etwas geschrieben haben!"

    Erbärmlicher - "Mr. von Beruf Sohn"-Feigling! Widerlich!