Kommentar Machtkampf bei VW: Klatsche für den Übervater
Die Bestätigung von Vorstandschef Winterkorn ist ein Affront gegen Ferdinand Piech. Persönlich gemeint dürfte das aber nicht sein.
K onzernpatriarch Ferdinand Piech hat im Machtpoker bei VW seine größte Niederlage seit Jahrzehnten kassiert: Der innere Kreis des Aufsichtsrats stützt Vorstandschef Martin Winterkorn nicht nur – das Aufsichtsratspräsidium schlägt auch eine Vertragsverlängerung für den seit 2007 amtierenden Manager vor. Mehr noch: Winterkorn sei „der bestmögliche Vorsitzende des Vorstands für Volkswagen“, ließ das Präsidium ausgerechnet am gestrigen 78. Geburtstag von Piech über die Wolfsburger VW-Pressestelle verbreiten.
Dabei hatte fast die gesamte Öffentlichkeit auf Piech gewettet: Er sei „auf Distanz zu Winterkorn“, hatte der Maschinenbauingenieur am vergangenen Wochenende über den Spiegel verkündet. Damit schien klar, dass Piech Winterkorn ebenso abservieren würde wie dessen Vorgänger Bernd Pischetsrieder. Der war von 2002 bis 2006 VW-Chef – und musste gehen, nachdem Piech erkannt hatte, „den Falschen gewählt zu haben“.
Denn Aufsichtsratschef Piech ist bei VW nicht irgendein Oberaufseher. Der Österreicher ist ein Enkel des Käfer-Erfinders Ferdinand Porsche, hat als Konstrukteur für Daimler gearbeitet und als Audi-Vorstandschef amtiert. Außerdem hält der Clan der Porsches und Piechs 51 Prozent der Anteile, was der Familie überwältigen Einfluss auf den zweitgrößten Autobauer der Welt mit seinen mehr als 600.000 Mitarbeitern sichert.
Unter denen gibt es viele, die Piech gleichsam vergöttern. Schließlich war der bis 2001 selbst VW-Vorstandschef – und gilt als Retter des Konzerns, der zu Piechs Amtsantritt 1993 tief in den roten Zahlen steckte. Entsprechend gut war auch das Verhältnis des Patriarchen zur Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat: In der Vergangenheit hat es Piech immer wieder verstanden, in dem Kontrollgremium Betriebsräte und Gewerkschafter auf seine Seite zu ziehen.
Stütze für strukturschwache Region
Denn die sind wichtig: Von den 20 VW-Aufsichtsräten sind zehn Arbeitnehmervertreter. Hinzu kommen die Stimmen von Niedersachsens SPD-Ministerpäsident Stephan Weil und seinem Wirtschaftsminister Olaf Lies – das Land hält 20 Prozent des Wolfsburger Unternehmens. Sie alle dürften kein Interesse an einer Demontage Winterkorns haben, dem vor allen die auch im Vergleich mit Töchtern wie Skoda geringe Umsatzrendite der Kernmarke VW von 2,5 Prozent angelastet wird.
Grund dafür ist das Festhalten des Konzerns an Fabriken in der lohnkostenintensiven Bundesrepublik. Noch baut VW etwa in Emden Autos und erhält damit eine ganze Region an der strukturschwachen Küste am Leben. Die einfachste Alternative für mögliche Winterkorn-Nachfolger wäre eine noch stärkere Produktionsverlagerung in Niedriglohnregionen – doch daran können Arbeitnehmervertreter nicht nur aus Wolfsburg ebensowenig Interesse haben wie das Land Niedersachsen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht