Kommentar Luftwaffenstützpunkt Incirlik: Eine einmalige Leistung

Bundestagsabgeordnete haben sich zu Gehilfen Erdogans gemacht. Ihre Drohung, das Mandat zu stoppen, traf auf die Armenien-Resolution.

Neben einem Tornado steht ein Pilot

Jetzt aber ganz schnell mal ein paar Abgeordnete her, damit in Incirlik alles mit rechten Dingen zugeht Foto: dpa

Ab nach Incirlik, aber zügig! Am Donnerstag genehmigte die Türkei deutschen Abgeordneten den Besuch bei Bundeswehrsoldaten auf der türkischen Luftwaffenbasis. Der Verteidigungsausschuss bereitet die Exkursion jetzt vor und gibt dabei hoffentlich Gas: Je schneller die Reisegruppe losfährt, desto schneller ist die ganze Affäre abgehakt. Besser wäre es, für alle Beteiligten – denn geglänzt hat in den vergangenen Monaten keiner von ihnen.

Da wäre zuallererst die türkische Regierung. Weil ihr die Armenien-Resolution des Bundestags nicht passte, verhängte sie gegen die Abgeordneten ein Reiseverbot. Ihre Probleme im Umgang mit der eigenen Vergangenheit demonstrierte sie damit so deutlich, dass sich jeder weitere Kommentar erübrigt.

Auch die Bundesregierung hat sich nicht mit Ruhm bekleckert. Um die Türkei zu besänftigen, legte sie in der vergangenen Woche eine halbgare Distanzierung von der Bundestagsresolution hin. Das war politisch unklug: Zum einen schränkt die Regierung damit ihre zukünftigen Handlungsoptionen ein, indem sie Ankara dazu ermutigt, beim nächsten Konflikt wieder eine Erpressungsstrategie zu fahren.

Zum anderen taugt die pragmatischste Außenpolitik nichts, wenn sie sich innenpolitisch nicht verkaufen lässt. Ein Großteil der Wähler sieht in der Distanzierung eine unsouveräne Unterwerfungsgeste ohne Gegenwert. Eine Bundesregierung, die ohnehin an Vertrauen verliert, kann sich solche Gesten nicht leisten.

Da wäre drittens aber auch noch der Bundestag. Genauer gesagt: Die Koalitionsabgeordneten, die ein Ultimatum formulierten: Wenn wir bis zum Herbst nicht nach Incirlik dürfen, werden wir das Bundeswehrmandat nicht verlängern, so drohten sie … ja, wem eigentlich?

Die deutschen Tornados sind nicht auf Bitten der Türkei in Incirlik. Eher stellt die Türkei die Luftwaffenbasis auf Bitten der internationalen Anti-IS-Koalition zur Verfügung. In Wahrheit setzten die Abgeordneten mit ihrer Drohung also nicht die türkische Regierung unter Druck, die Armenien-Resolution endlich zu akzeptieren. Viel mehr setzten sie die Bundesregierung unter Druck, Ankara möglichst schnell zu besänftigen.

Anders gesagt: Damit der Bundestag in die Türkei darf, nötigte der Bundestag die Bundesregierung, von der Resolution des Bundestags Abstand zu nehmen. Herzlichen Glückwunsch an alle Beteiligten, das war wirklich eine einmalige Leistung!

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.