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Kommentar LinksparteiKompromiss oder Untergang

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Linkspartei ist eine Organisation ohne Mitte, sie scheint nur aus Flügeln zu bestehen. Schuld an der Eskalation ist vor allem Oskar Lafontaine.

D er Machtkampf zwischen Ost- und Westlinken hat etwas Selbstzerstörerisches. Gewinnt eine Seite, verliert sie auch. Wenn Lafontaine siegt, werden im Osten manche Genossen resignieren oder zur SPD abwandern. Es ist möglich, dass ein Parteichef Dietmar Bartsch im Westten Fliehkräfte freisetzt. Was droht, ist eine Spaltung in Zeitlupe.

Schuld an der Eskalation ist vor allem Oskar Lafontaine. Es ist schlechter Stil, die Partei monatelang in einen nervösen Wartemodus zu versetzten, zwei Wahlniederlagen abzuwarten und dann die Macht übernehmen zu wollen. Denn genau dies verlangt Lafontaine: Bartsch als Fraktionsvize kaltgestellt, dafür eine Führung im Karl-Liebknecht-Haus, die ihm genehm ist. Und all das ohne Abstimmung auf dem Parteitag. Norbert Röttgen ist an einer ähnlichen Selbstüberhebung gescheitert.

Die Linkspartei ist eine Organisation ohne Mitte, die die Erschütterungen abfedern könnte. Sie scheint nur aus Flügeln zu bestehen. Im Zentrum befindet sich nur noch Gregor Gysi, dessen Kurs – Lafontaine nachgeben, die Reformer bei der Stange halten – gescheitert ist. Die Bundestagsfraktion, die ein Laboratorium der Annäherung hätte werden müssen, ist das Gegenteil geworden.

Bild: taz
Stefan Reinecke

arbeitet im Parlamentsbüro der taz.

Es geht nicht nur mit Bartsch, es geht nicht nur mit Lafontaine, es geht nicht mit Bartsch und Lafontaine. Zu viel Ich, zu wenig Wir. Es ist kurios, dass eine Partei, die für sich Solidaritität und das Gesamtdeutsche reklamiert, an einem innerdeutschen Stellungskrieg mit egomanen Darstellern zerbricht.

Sollen also andere, Jüngere die Parteiführung übernehmen? Das klingt angesichts dieser Blockade gut, aber Vorsicht. Das Scheitern des Duos Ernst-Lötzsch zeigt, wie lächerlich eine Führung ohne Autorität ist. Gegen die informelle Macht von Lafontaine im Westen kann niemand die Partei führen. Kompromiss oder Untergang der Linkspartei als gesamtdeutsche Partei – das ist die Alternative.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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8 Kommentare

 / 
  • E6
    Edith 62

    In Teilen der Linken herrscht - wie auch in Teilen der Gesellschaft - ein veraltetes und verkommenes Machtverständnis.

     

    Mann (mehr als Frau) will siegen und dazu sind Bündnisse und Tricks aller Art "erlaubt".

     

    Kooperation ist etwas anderes und unbedingt erforderlich, wenn die Partei in ihrer Pluralität erhalten bleiben soll. Vielfalt macht stark, denn es sind unterschiedliche Interessen die Parteimitglieder und Bürger anbinden. Mit dem vermindern der Unterschiedlichkeit verringert sich ebenso die Anzahl der Anhänger, innerhalb und außerhalb der Partei.

     

    Gregor Gysi und Katja Kipping wissen das, viele andere auch.

    Leider fehlt einigen dieses Verständnis: Sie setzen sich solange durch, bis es ziemlich einsam um sie herum ist. Nach dem einen Lager kommt das andere Lager und wenn die weg sind, dann der engere Kreis; überall werden die Mitbewerber um die Macht gesehen, jedes abweichende Verhalten wird aufmerksam registriert.

     

    Ich halte das für destruktiv, kurzsichtig und mittelalterlich und ich wünsche mir konstruktive, weitsichtige und moderne Kandidaten. Und viele Mitglieder bei der Linken, die 1. den netten Satz von Volker Pispers kennen: "Wenn Einer antritt, dann ist das Demokratie, bei Zweien ist es eine Kampfkandidatur" und 2. mit dem Schutz des Wahlgeheimnisses zum Nutzen des Gesamten nach bestem Wissen und Gewissen wählen.

  • S
    Siroda

    Richtig, ein Mitgliederentscheid wäre angesagt. Und was betreibt die TAZ jetzt für Journalismus?

    So ein Quatsch: "Lafontaine fordere für Wagenknecht den Vorsitz der Linksfraktion im Bundestag ..."

    Das stimmt überhaupt nicht. Seid Ihr jetzt Mainstream?

    Ich vermisse den Journalismus der TAZ der 80ziger....

    Ausserdem Flügelkämpfe gibt es mächtig in der SPD und auch in der CDU

  • V
    viccy

    @ Thorsten Büchner

    Die Linke ist gegen Marktwirtschaft und Demokratie, weil sie nicht Milliarden um Milliarden den Spekulantenbanken hinterherwirft und "Fiskalpakte" ohne Parlamentsbeteiligung ablehnt? Autsch.

  • S
    seyinphyin

    @ Büchner

    Wenn die Linke das Volk auch noch verrät, indem sie sich den anderen Parteien anpasst, deren Vergehen so zahlreich sind, dass man sie gar nicht mehr innerhalb eines einzelnen Posts aufzählen kann von weltweiter Einführung der Lohnsklaverei bis hin zu weltweiter Kriegstreiberei - und damit meine ich weniger die Auslandseinsätze als vielmehr unseren Platz als drittgrößter Rüstungsgüterexporteur der Welt - dann hat dieses Land gar keine Chance mehr.

     

    Ich wünschte wirklich, man könnte Leuten wie Ihnen zeigen, wohin dieser Weg führt, ihn erlebbar machen, ohne ihn durchleben zu müssen, das würde vll die seit Jahrtausenden immer wieder erfolgende Wiederholung des Untergangs von Zivilisationen durch blanke Ignoranz verhindern.

     

    Unser momentaner Weg führt faktisch in den Kollaps, dafür braucht es keine Ideologie, um das zu erkennen, sondern es reicht blankes Grundwissen von Mathematik und Physik. Denn was im Großen und Ganzen schon falsch ist, kann im Detail auch nicht mehr richtig werden.

     

    Die Linke hat schlichtweg recht und darum geht es. Man will nicht die Partei zerstören, man will die Wahrheit zerstören, die diese Partei immer wieder ausgräbt. Aber die Wahrheit lässt sich nicht zerstören, sie holt einen ein.

  • TB
    Thorsten Büchner

    Als sei es mit ein paar personellen Rochaden getan. Die Linkspartei muss endlich auch ideologisch im Westen ankommen, sich zu Marktwirtschaft und Demokratie bekennen und ihre Geschichtsklitterung beenden. Ich fürchte aber, sie wird bleiben, was sie ist: antimodern, antieuropäisch, antisemitisch - kurz: antizivilisatorisch. Für Linke wird sie damit keine Option. Dann also Untergang. Auch nicht verkehrt.

  • T
    toddi

    Apropos Alternative "Nach Schleswig-Holstein flog Die Linke auch in Nordrhein-Westfalen aus dem Landtag. Das Wahlergebnis der Partei war erschütternd und ernüchternd zugleich. (…) Zu konstatieren ist dabei erst einmal: Das Scheitern der Linken ist keine Folge eines verfehlten Wahlkampfes, eines »zu radikalen« Programms oder falscher Schwerpunktsetzung. Mit einem Schwerpunkt auf sozialen Themen hat Die Linke im Wahlkampf die brennenden Fragen vieler Menschen aufgegriffen. Von den bürgerlichen Monopolmedien, die in den letzten Wochen vor allem die FDP aber auch die Piraten großgeschrieben haben, konnten wir auch in diesem Wahlkampf keine Unterstützung erwarten. Ganz im Gegenteil hatten sie das Ziel, Die Linke aus dem Landtag rauszuhalten. Da das Linke-Bashing bei der letzten Landtagswahl nicht zum Erfolg geführt hatte, wurden diesmal die Ziele und Kandidaten der Linken eher verschwiegen (…). Verfehlt wäre es auch, den sicherlich nicht förderlichen Führungsstreit in der Bundespartei für das schlechte Abschneiden verantwortlich zu machen. Der Führungsstreit ist vielmehr selbst eine Folge der Krise der Partei und nicht ihre Ursache.

     

    Denn die Wahlniederlage der Linken in NRW – und auch in Schleswig-Holstein – hat tieferliegende Ursachen. Sie ist primär eine Folge der Vernachlässigung des Parteiaufbaus, der fehlenden außerparlamentarischen Mobilisierungen und der mangelnden gesellschaftlichen Verankerung in den westdeutschen Bundesländern. Es ist uns in NRW nicht gelungen, die halbe Millionen Wählerinnen und Wähler des Jahres 2010 für gesellschaftliche Veränderungen zu mobilisieren. Es reicht eben nicht, sich von den Wählern mit einem Mandat ausstatten zu lassen, denn auch die besten Gesetzesinitiativen haben bei fehlenden parlamentarischen Mehrheiten und fehlenden außerparlamentarischen Bewegungen und Initiativen keine Chance auf Realisierung. Durch die Konzentration auf den Parlamentarismus, Wahlkämpfe und die Arbeit in den Kommunalparlamenten hat die Partei in NRW die Arbeit an der Basis und in den Bewegungen vernachlässigt. Bei 400 Linken-Kommunalmandaten auf verschiedenen Ebenen in NRW, die auf rund 8000 vielfach passive Mitgliedern kamen, wurden viele Aktivistinnen und Aktivisten aus den Basisorganisationen durch die Kommunalparlamente regelrecht aufgesogen, ohne daß entsprechend Aktive nachrückten. (…)

    Enormes Unbehagen

    Die für bundesdeutsche Verhältnisse äußerst niedrige Wahlbeteiligung in NRW und Schleswig-Holstein von rund 60 Prozent, das Abwandern ehemaliger Linksparteiwähler ins Lager der Nichtwähler (vor allem im Saarland und Schleswig-Holstein, prozentual in wesentlich geringerem Maße in NRW) aber auch das Überlaufen zu den durch (schein-)rebellische Form anstelle von sozialem Inhalt glänzenden Piraten offenbart eine breite Desillusionierung sowohl gegenüber der herrschenden Politik als auch gegenüber ausschließlich parlamentarisch vermittelten gesellschaftsverändernden Projekten. Zwar haben wir in Deutschland infolge der kapitalistischen Krise noch keine breite soziale Massenbewegung wie in einigen anderen EU-Staaten. Das Unbehagen mit dem Casino-Kapitalismus und einer Bundesregierung, die gegen die Interessen der Masse der Wählerinnen und Wähler Milliarden an die Banken verschenkt, ist enorm angewachsen. (…) Daß dieses Unbehagen außer in kleineren Occupy-Aktionen und gelegentlichen Massenmails gegen den ESF noch keinen öffentlichen Ausdruck gefunden hat, liegt gleichfalls an der Desillusionierung breiter Bevölkerungsschichten in die vorhandenen Parteien und Verbände und den Parlamentarismus. Diese Desillusionierung geht aber weiter, sie läßt die Menschen auch an ihrer eigenen Kraft zweifeln. Die Aufgabe einer linken Partei ist es, überall dort, wo es Widerstand gegen eine unsoziale Politik gibt, präsent zu sein, die Menschen zu unterstützen, zu ermutigen und ihr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zur Veränderung zu stärken. (…)

     

    Im Mittelpunkt des Landtagswahlprogrammes der NRW-Linken stehen die Forderungen nach Mindestlöhnen von zehn Euro, einer Anhebung der Hartz-Sätze auf 500 Euro und die 30-Stundenarbeitswoche. Warum hat die Partei eigentlich niemals versucht, koordiniert um diese Forderungen 10-500-30 auf die Straße zu gehen, Unterschriften zu sammeln, Komitees zu bilden etc.? Wie sollen die Wähler uns als Partei und unseren Willen zur Gesellschaftsveränderung ernstnehmen, wenn wir nicht einmal selbst aktiv für unsere Forderungen eintreten? Auch das radikalste Programm braucht Menschen, die es umsetzen.

     

    In NRW verlor Die Linke 90000 Wähler an die SPD, gefolgt von 80000 an die Piraten. Durch die besondere politische Situation mit einer von der Linken tolerierten Minderheitsregierung in NRW war es der Linken nicht in genügendem Maße gelungen, ihr eigenes Profil zu zeigen. (…)

    Regionalpartei im Osten

    Da Die Linke gleichzeitig mit der Wahlniederlage in Schleswig-Holstein in Thüringen Bürgermeister- und Landratsämter mit teils beeindruckenden Mehrheiten eroberte, erklären einige ostdeutsche Landespolitiker, unterstützt von der bürgerlichen Presse, das Projekt einer gesamtdeutschen Linkspartei für gescheitert und plädieren für die Konzentration auf eine ostdeutsche Regionalpartei mit einem Schwerpunkt auf kommunaler Kleinarbeit. Die Ausgangsbedingungen für Die Linke sind auch mehr als 20 Jahre nach der Wiedervereinigung historisch bedingt in Ost und West unterschiedlich. Doch nichts wäre schädlicher, als sich heute an der imaginären Grenze »Westsektierer« gegen ostdeutsche Volkspartei auseinanderdividieren zu lassen. Wer eine ostdeutsche Regionalpartei will, hat ein gesamtdeutsches antikapitalistisches und systemveränderndes Projekt aufgegeben und will schlicht eine andere sozialdemokratische Partei. Die Stärke der Partei Die Linke besteht aber gerade im Zusammenkommen von Linken unterschiedlicher Tradition und Erfahrung. Die ostdeutschen Landesverbände zeigen uns, wie eine in der Gesellschaft – in Kommunen, Landtagen, Vereinen und Verbänden – verankerte Partei mit sozialem Dienst am Menschen auch solide Wahlergebnisse einfahren kann. Es gehört zu den Aufgaben einer linken Partei, sich auch um die alltäglichen Probleme der Menschen vor Ort zu kümmern und dafür ein offenes Ohr zu haben. Kommunale Mandate können dafür eine große Hilfe sein. Aber das reicht nicht aus, um eine widerständige Partei zu sein und zu bleiben. Denn allzu leicht geht so der Blick auf den Gesamtzusammenhang, das große Ganze, auf die Einbindung der Kommunen in die kapitalistische Gesellschaft und die daraus resultierenden »Sachzwänge« verloren.

     

    Nichts wäre falscher, als sich jetzt medienwirksam in einer weiteren Führungsdebatte zu verheizen. Aus den Niederlagen in Schleswig-Holstein und NRW gilt es vor allem die Schlußfolgerung zu ziehen, die Partei Die Linke auf einem soliden Fundament aufzubauen. Das wiederum kann nur bedeuten, sich nicht auf unsichere konjunkturbedingte Parlamentsposten zu verlassen, sondern auf die Schaffung von auf Dauer lebendigen und kampagnefähigen Basisorganisationen, auf eine wirkliche Verankerung in Betrieben und Gewerkschaften, auf das Engagement unserer vielen Aktivistinnen und Aktivisten in außerparlamentarischen Bewegungen.

     

    Das Scheitern der Linken in Schleswig-Holstein und NRW widerspricht dem europäischen Trend. In Frankreich und Griechenland haben Parteien links von der Sozialdemokratie stark in der Wählergunst gewonnen. Noch sind die Folgen der Finanz- und Eurokrise, die in Wahrheit die Krise des kapitalistischen Systems sind, nicht mit voller Macht in Deutschland angekommen. Doch wenn in Zukunft auch hierzulande die Folgen der Krise bei Millionen unmittelbar spürbar werden und die soziale Polarisierung abermals zunimmt, werden die sozialen Verwerfungen neue Chancen für Die Linke bieten. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß es uns bis dahin glaubhaft gelingt, uns als soziale und widerständige Bewegungspartei sowohl mit einem praktischen Nutzen im Alltag der Menschen als auch mit einer zukunftsweisenden antikapitalistischen Vision zu verankern. Packen wir es an!

     

    Ein erster Schritt sollte in einer massenhaften Beteiligung der Linken an den Aktionen von »Blockupy« vom 16. bis 19. Mai in Frankfurt am Main bestehen.

  • W
    Weinberg

    Dem TAZ-Kommentator Reinecke empfehle ich die Website www.nachdenkseiten.de zwecks Weiterbildung betreffend Lafontaine, Bartsch, Linkspartei usw.!

     

    Die TAZ, die immer behauptet, eine seriöse Zeitung zu sein, sollte das übliche Lafontaine-Mobbing á la WELT, SPIEGEL u. Co. unterlassen.

     

    Auch sollte die TAZ auf Falschmeldungen verzichten, wie das am 15.05.2012 in dem Kommentar von Daniel Schulz („Der Sonnenkönig“) geschehen ist. So war in dem Kommentar behauptet worden, Lafontaine fordere für Wagenknecht den Vorsitz der Linksfraktion im Bundestag – obwohl vor dem Erscheinen des Kommentars das Dementi von Wagenknecht schon über den Ticker kam. Ist das seriöser TAZ-Journalismus?

  • DQ
    Der Querulant

    Lieber Stefan Reinecke, so langsam geht mir das wirklich auf die Nerven. Es gibt weder eine Links-, noch eine Grünpartei. Ist das wirklich so schwer, diese in meinen Augen diffamierende Bezeichnung zu unterlassen?

     

    Ansonsten ist Ihr Kommentar über Die Linke ja grundsätzlich nicht verkehrt, aber heile Welt gibt es in der Politik nunmal nicht. Die Linke muß ihre innerparteilichen Probleme jetzt endlich lösen. Das kann sie nur, wenn sie dazu die Mitglieder befragt und auch entscheiden läßt. Dem Mitgliederentscheid ist dann zu folgen, auch von Oskar Lafontaine und Dietmar Bartsch.