Kommentar Linkspartei: Fortschritt in Zeitlupe
Ganz langsam bewegt sich jetzt auch die Linkspartei in Richtung Realpolitik. Doch noch immer gilt: Gysi für die Realos und Wagenknecht für die radikale Pose.
D ie Linkspartei bewegt sich ganz, ganz langsam in Richtung Realpolitik. Aus dem Programm ist, nach viel Aufregung, die gröbste Schwarz-Weiß-Malerei herausretuschiert worden. Um Worte wird in der Partei stets gerungen, als würde das Schicksal der Welt davon abhängen.
Die Hartwährung aber sind die Personen. Und da ist mehr oder weniger alles beim Alten: Die Ostpragmatiker haben in Hamburg nicht getan, was sie hätten tun können: sich komplett gegen die Westlinke durchzusetzen.
Das ist nicht so verwunderlich, wie es scheint. Lieber auf Konsens als auf Dissens zu setzen ist ziemlich normal in der Partei. Das ist kein Relikt erlernter Parteidisziplin oder von Kadermentalität. Die ausgeprägte Neigung zum Kompromiss ist Ausfluss einer scheinbar paradoxen Logik: Was die Partei eint, ist ihre Differenz.
Die Linkspartei ist eine ziemlich bunte, heterogene Veranstaltung, mit einer fragilen inneren Balance. Es gibt gut verdienende Beamte und Hartz-IV-Empfänger, orthodoxe Marxisten, geläuterte Postkommunisten, Kleingärtner, Feministinnen und Linksradikale.
Auch die Klientel der Partei ist kompliziert. Eine Hälfte will krachende Antirhetorik, die andere Realpolitik. Bislang löst die Partei diese Widersprüche denkbar einfach. Es gibt für jeden etwas: Gysi für die Realos, Wagenknecht für die radikale Pose.
Doch die Rahmenbedingungen verschieben sich. Die SPD verabschiedet sich zaghaft von ihrer Abgrenzungsneurose Richtung Gysi. Wählt die SPD in Thüringen einen Linkspartei-Genossen zum Ministerpräsidenten, wäre das wirklich neu.
Das heißt: Der Außendruck, der in der Linkspartei zusammenzwingt, was nicht unbedingt zusammengehört, sinkt. Das gibt innen mehr Bewegungsfreiheit. Die Ostpragmatiker werden stärker und vorsichtig selbstbewusster. Etwas gerät in Bewegung. In Zeitlupe.
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