Kommentar Legalisierung von Cannabis: Rückzugsgefechte der Prohibitionisten
Die Folgen der an Prohibition orientierten Drogenpolitik sind verheerend. Es geht nicht mehr darum, ob legalisiert wird, sondern wie.
E s gibt nicht viele US-spezifische Probleme, die man in Deutschland auch ganz gerne hätte. Jene allerdings, die die regulierte Legalisierung von Cannabis im US-Bundesstaat Colorado mit sich bringt, sind durchaus erstrebenswert. Im Kern geht es darum, einen legalen Geschäftszweig weiterzuentwickeln und bestimmte Detailfragen der Besteuerung zu regeln.
Colorado profitiert davon, und die Befürchtungen der Unkenrufer, der Konsum auch unter Jugendlichen, die Anzahl der Verkehrstoten oder der Gewalttaten werde steigen, haben sich in den ersten eineinhalb Jahren seit Inkrafttreten des Gesetzes als vollkommen unbegründet erwiesen.
Weltweit ist ein Umdenken in der Drogenpolitik im Gange, bei dem die Frage der Legalisierung von Cannabis nur die Vorreiterrolle spielt. Die Folgen der über Jahrzehnte an Prohibition orientierten Drogenpolitik sind verheerend: Eine angemessene Aufklärung und Beratung wird erschwert, und die KonsumentInnen laufen ständig Gefahr, mit stark verunreinigten gestreckten Produkten umzugehen.
Im Zuge des in den Produzentenländern oft militarisierten Antidrogenkampfes kommt es zu schwersten Menschenrechtsverletzungen, bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Kartellen fordern Tausende von Toten. Polizei und Justiz werden ständig mit einer Anzahl von harmlosen Konsumdelikten beschäftigt.
Und bei alledem wachsen Gewinne und Einfluss der organisierten Kriminalität – und der Konsum ist seit Beginn des Antidrogenkrieges vor einem halben Jahrhundert nicht geschrumpft, sondern hat beständig zugenommen. Den Jugendschutz überlässt man dabei den Kriminellen. Dieses Ergebnis muss verteidigen, wer so weitermachen will wie bisher.
Gefährliche Rückzugsgefechte
Man kann nicht mehr diskutieren, ob eine staatliche Regulierung dieses Marktes sinnvoll sein könnte – es kann nur noch um das Wie gehen. Ist das Modell von Colorado besser, das einen von kapitalistischer Konkurrenz belebten Markt unterschiedlichster Anbieter zulässt? Oder das Uruguays, wo neben dem privaten Anbau von bis zu vier Pflanzen auch ein staatlicher Verkauf der von wenigen lizenzierten Produzenten hergestellten Ware im Aufbau ist?
Das sind die Fragen, die diskutiert gehören. Die Rückzugsgefechte der Prohibitionisten sind angesichts der täglich sich wiederholenden Katastrophen nicht nur hinterwäldlerisch, sondern gefährlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz