piwik no script img

Kommentar LebensmittelexporteEin Schwein geht um die Welt

Heike Holdinghausen
Kommentar von Heike Holdinghausen

Die Agrarindustrie ist längst auf Export getrimmt. Die Folgen der hochproduktiven, effizienten Landwirtschaft sind verheerend.

Made in Germany und in alle Welt verkauft: Exportschlager Schweine Foto: ap

A n Schnitzel, Wurst und Gummibärchen denkt man nicht sofort beim deutschen Erfolgsmärchen „Made in Germany“. Dabei ist auch die Agrarindustrie längst auf Export getrimmt und verkauft rund ein Drittel ihrer Waren in alle Welt, vor allem Fleisch und Süßigkeiten. Unterstützt werden Landwirte und Hersteller in ihrer Auslandsstrategie von der Bundesregierung, etwa mit kostenlosen Marktstudien, Messeauftritten und zudem Exportbeihilfen der EU.

Die Folgen einer hochproduktiven, effizienten Landwirtschaft, die im globalen Wettbewerb mithalten kann, sind verheerend. Das Wasser in den Zentren der Viehmast im Nordwesten ist mit Nitrat verseucht, die Böden intensiven Ackerbaus im Nordosten leiden unter Erosion, überall auf dem Land verschwinden Insekten- und Vogel­arten. Und in den Ställen der ­Agrarbetriebe drängen sich kranke und misshandelte Tiere.

Das ist der Preis für das Wachstum der Agrarindustrie. Es ist gut, wenn die Verbraucher im Inland Bioprodukte kaufen und weniger Fleisch essen. Solange aber die konventionellen Produzenten die schrumpfenden Marktanteile mit Exporten kompensieren können, verbessert sich die Lage von Natur und Nutztier nicht. Nicht der Konsument verursacht das Übel, sondern der Landwirtschafts­minister. Nur er kann Ställe vergrößern, Medikamente verbieten, Exporthilfen streichen.

Übrigens ist die Agrarbranche die einzige Industrie, die überwiegend auf heimische Ressourcen angewiesen ist (auch wenn die Schweinemast ohne Soja aus Südamerika nicht machbar wäre). Die Automobil-, Chemie- oder Maschinenbaubranche kaufen ihr Eisen, Neodym oder Erdöl in den rohstoffreichen Ländern des Südens.

Die Folgen des Bergbaus, Schwermetalle in der Umwelt und zerstörte Landschaften, tragen Mensch und Natur vor Ort. Insofern zahlen wir die Rechnung der Agrarindustrie selbst, während die anderen Branchen sie weltweit offen lassen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Heike Holdinghausen
Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 72, schreibt über Rohstoffthemen, Chemie und gerne auch den Wald. (Mit-)Autorin verschiedener Bücher, zuletzt eine Stoffgeschichte über Seltene Erden.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Wenn ich hier Parmaschinken kaufe, kann ich sicher sein, dass das Schwein von dem der Schenkel stammt, deutschen (Fleischindustrie-)Boden schonmal gesehen hat!

  • Schönes Beispiel um das Argument von der angeblichen "Macht des Verbrauchers" zu entkräften. Hier ist eine Politik gefragt, die über Verbraucherinteressen und Tierwohl hinausgeht.

    • @Artur Möff:

      Der Verbraucher hat schon die Macht, schließlich haben wir heutzutage – besonders bei Lebensmitteln - eine Käufermarktsituation. ER WILL ABER NICHT!

      Das Verhalten beim Einkaufen sieht folgendermaßen aus: ca. 60 kg Fleischverzehr pro Jahr. Zu ca. 99% konventionell nachgefragt. Hohe Preissensibilität: Rabattaktionen im Discounter lassen Nachfrage sprunghaft ansteigen. Die wenigen Bio-Lebensmittel werden überwiegend als günstigere Importware im Discounter gekauft. Alnatura Bio-Honig aus Mexiko ist z.B. günstiger als der Konventionelle Honig beim Imker bei mir zu Hause um die Ecke.

      Das Verhalten bei Umfragen sieht hingegen so aus, Zitat aus dem Ernährungsreport 2016 des BMEL: „Fast alle Befragten wären auf jeden Fall bereit (45 %) oder eher bereit (44 %), mehr zu zahlen, wenn Tiere dafür besser gehalten würden. Nur für eine Minderheit käme das eher nicht (7 %) oder auf keinen Fall (2 %) infrage. Die Bereitschaft drückt sich in konkreten Zahlen aus: Im Schnitt wären die Befragten bereit, 16,50 Euro für ein Kilogramm Fleisch aus stärker tiergerechter Haltung zu bezahlen, wenn das Kilogramm Fleisch aus herkömmlicher Produktion zehn Euro kosten würde. Den 19- bis 29-Jährigen wäre die Investition in mehr Tierwohl sogar 20 Euro wert!“

       

      Gerechtfertigt wird dieser Widerspruch meistens dadurch, dass man ja nicht genügend Informationen habe und die Böse Industrie einen täusche etc. Man macht sich gewissermaßen selbst zum unmündigen Bürger, der beim Einkauf fremdbestimmt ist. Als wäre man gezwungen, ins Aldi zu gehen.

       

      Deshalb stimme ich Ihnen zu, dass die Politik gefragt ist. Aber aus einem anderen Grund, nämlich den Verbraucher dazu zu zwingen. Denn der wahre Grund ist einzig und allein der Preis: Die Gesellschaft wird sich nicht kollektiv dafür entscheiden, plötzlich freiwillig für das gleiche Produkt den doppelten Preis oder mehr zu zahlen.